Ja, da geb ich dir durchaus Recht und das ist ein vollkommen legitimer Designansatz. Damit hast du allerdings aber auch genau den Kern dessen getroffen, was Obsidian nicht will und weswegen kein Publisher das Spiel finanzieren wollte. Es richtet sich nicht an den Mainstream und auch nicht zwingend an jeden Spieler, der vielleicht mal Lust hat, ein Rollenspiel auszuprobieren (oder auch nicht). Das stand in der Ausschreibung aber drin. Was man durchaus an dem DA-Modell aus Rollenspielersicht (im Pen&Paper-Sinn) kritisieren kann, ist, dass die Sub-Klassen wenig Bedeutung haben. Manche Leute identifizieren sich eben mit der Paladin-Rolle, denen ist das DA-Modell aber zu weichgespült. Durch das Multiclassing bist du auch eher zum Munchkin-Dasein verdammt. Wenn ich mich entsinne, wurden von den vier Klassen insgesamt drei verfügbar. Choice & Consequences sieht definitiv anders aus. Das stört für manchen Spieler die Identifikation mit der Figur, weil es sie weniger einzigartig macht. Es ist auch vollkommen egal, ob immer alles im Spiel ausreichend auf diese Charaktereigenschaften reagiert (bisschen sollte schon sein), solange das Bild im Kopf des Spielers zu dieser Wahrnehmung passt. Was du beschreibst ist die mehr cineastische Inszenierung eines Rollenspiels, wo Leute möglichst wenig Hürden in den Weg gestellt werden sollen auf dem Weg zum Spielziel. Es gibt aber eben auch Leute, die stärkeren Wert auf das System und das Regelwerk legen, das Knobeln und Tüfteln. Diablo II wäre hier das extreme Gegenbeispiel. Übrigens gibt es so eine Tendenz durchaus auch unter Shooter-Spielern, die mit den Railshootern a la CoD gar nichts anfangen können und Spielen wie Rainbox Six und Operation Falshpoint hinterher trauern, wo man nicht Autoheal hinterm Baum abwarten und wie ein Terminator durch die Gegnerreihen pflügen konnte.

Das Blut in Dragon Age fand ich, nebenbei bemerkt, albern. Die Charaktere in den Dialogen sahen aus, als hätten sich kleine Kinder gegenseitig mit Ketchup bespritzt. Wenn in Texas Chainsaw Massacre Blut an die Decke spritzt, akzeptier ich das als Stilmittel eines Horror-Trash-Movies. Aber in einem Spiel, das sich scheinbar ernst nimmt und als "erwachsen" gelten soll, wirkte es auf mich lächerlich effektheischend und deplatziert, weil es auch ständig eingesetzt wird. Selbst gute Action-Movies zeigen nicht durchgängig Kopfschüsse und Explosionen. Aber über das "ist etwas erwachsen, weil die Jugendschützer den Gewaltanteil als für Jugendliche ungeeignet empfinden" kann man ja trefflich streiten. Ich behaupte allerdings, BioWare hat uns nicht das erwachsene Spiel geliefert, das sie angeblich liefern wollten. Im Prinzip ist es aber die übliche Fantasy-Grütze mit mehr roten Pixelwolken und dämlichen Sex(andeutungen) (etwas in jeder Hinsicht weniger oberflächliches wäre ja in den USA auch nicht durchsetzbar gewesen, da ist ja die Offenbarung, dass es Sex gibt, gefühlt schon Grund für ein Mature-Rating). Dragon Age ist ein handwerklich gut gemachtes und sehr unterhaltsames Spiel, aber für mich definitiv kein besonderes, was den Inhalt, das Art Design oder die Botschaft angeht. Das ist ja der Ansatz, den Obsidian stärker verfolgen möchte und weswegen ich das Spiel mitfinanziere.