Die Frage ist, was du unter entschlacktes Gameplay etc. verstehst. Ich fand zugegeben weder NWN2 noch Baldur's Gate überkandidelt. Ich fand gewisse Aspekte nervig wie die Begrenzung auf 20 Pfeile / Tränke pro Inventarslot, sowie das Inventartetris in NWN1. Aber ich fand die Spiele sehr übersichtlich und von der Menüführung recht einleuchtend. Vielleicht bin ich da auch einfach anders "sozialisiert". Man sollte auch das Geschrei der Fans im Forum nicht als Maßstab nehmen. Obsidian hat einige passionierte Oldschool-Hardcore-Anhänger unter den Fans, die sehr lautstark sind und bei Themen wie Romanzen, Level Scaling der Gegner, Lokalisierungen und solchen Dingen alle anderen allein durch ihre Penetranz niederbrüllen. Aber alle Entwickleräusserungen legen zumindest für mich den Eindruck nahe, dass Obsidian keine Lust auf "oldschool" im Sinne von "Retro" legt. Dagegen spricht etwa die klare Absage gegenüber rundenbasierter Kämpfe, obwohl mit Tim Cain ein großer Fan solcher Spiele federführend mitwirkt. Die Hardcore-Modi sind nicht der Maßstab, sondern zuschaltbare Boni, bei Thema Level up hieß es auch "flotter als in Baldur's Gate aber nicht alle fünf Minuten".
PE wird sicher nicht "entschlackt" im Sinne von Funktionsreduzierung. Es wird vermutlich ähnlich viele Funktionen wie in den Infinity-Spielen haben, denn diese mangelnde Vielfältigkeit zählte ja auch zu den Dingen, die sie an heutigen Spielen vermissten. Kann also sein, dass man regelmäßig rasten muss oder solche Sachen. Die strategische Steuerung der Party war für Tim Cain einer der wichtigsten Aspekte, den er mit PE wiederbeleben möchte. Also wieder mehr Command & Conquer als KotOR. Die Formationen aus den Infinity-Spielen sind beispielsweise auch wieder drin, Crafting und Handwerk wurden als stretch goal für 2,4 Millionen angekündigt. Allerdings werden sie sich bemühen, den heutigen Komfortstandard zu erreichen. Also anständiges Autosave-System, übersichtliches UI, möglichst wenige Klicks, Befehlsketten, sowas.
Ich verstehe die Befürchtung dahinter, denke aber, dass Obsidian das durch seinen anderen Fokus bei Rollenspielen anders lösen kann und wird als BioWare. BioWare-Spiele sind immer an den Ereignissen der Spielwelt festgemacht, in die der Spieler quasi nebenbei reinschlittert. Bei Obsidian hat die Handlung direkt etwas mit der Spielfigur, ihre Abkunft oder ihren Eigenschaften zu tun. Es sind persönliche Geschichten, die aus dem Charakter der Figur entspringen, wodurch diese bereits in einigen Teilen definiert und vorgegeben ist. Bei BioWare wird versucht, genau das nicht zu tun und dem Spieler viel Interpretationsspielraum zu lassen. Daher ist bei BioWare eine hohe Reaktivität was so Sachen wie Rasse und Klasse angeht notwendig, denn es gibt sonst nichts, woran man sich festhalten könnte (außer halt den äußeren Ereignissen der Handlung, die ja generisch ist). Obsidian kann aber auf vordefinierte Beschreibungen zurückgreifen und die Reaktionen daran festmachen. Also sowas wie die Unsterblichkeit des Namenlosen und seine früheren Inkarnationen in Planescape: Torment.Zitat
Planescape: Torment war sicher kein fehlerloses Spiel. Es hatte zB wenig spannende Kämpfe, das war allerdings auch nicht der Fokus. Ich glaube auch nicht, dass es das perfekte Spiel in dem Sinne gibt. Aber PsT war einzigartig bei der Präsentation der Handlung und hatte Themen, die erwachsener waren als alles andere, was zu dem Zeitpunkt (und auch später) auf dem Markt kreuchte. Die Computer Gaming World hat es so beschrieben: Vor Ultima IV waren alle Spiele stumpfes Hack & Slay (auch Ultima I-III) und dann kommt plötzlich ein Titel und stellt Fragen nach Tugendhaftigkeit. Und auch heutige Spiele meinen mit "erwachsen" in der Regel Blut, Titten und alle sind irgendwo ein bisschen gut und böse. Siehe Game of Thrones in der Verfilmung. Aber eben die BEschäftigung mit Themen, die Nachdenken erfordern, die sich vielleicht auch auf realweltliche Dinge übertragen lassen, gibt es kaum. Es bleibt immer in der abgeschlossenen kleinen Fantasywelt und ohne Bedeutung für das diesseits. Und PsT steht eben genau für das umgekehrte.
Beim Spieldesign von PE stehen meinen Beobachtungen nach BG und Icewind Dale als Vorbild im Vordergrund, also Kampf, Erkundung, Party ausrüsten, etc.pp. PsT schimmert meines Erachtens primär bei dem Storyansatz (Seelen, Seelenwanderung, Verhältnis Götter-Menschen), dem Aspekt, dass sich Dinge auch nicht-kämpferisch lösen lassen sollen, und der Text-Gestaltung (keine Teenager-Romane) durch. Ich halte das durchaus für vereinbar und machbar, die Infinity-Spiele haben es ja einzeln gezeigt, Obsidian kennt sich mit dieser Art Spiele aus und hat in den letzten Jahren sicher auch einiges dazu gelernt. Das Budget, dass sie jetzt zusammenbekommen, dürfte vergleichbar sein mit dem der Infinity-Spiele. Vielleicht wird der Umfang des Spiels kürzer ausfallen als der von Baldur's Gate, also keine 80- 200 Stunden. Aber das könnte ich sehr gut verschmerzen, denn ehrlich gesagt war mir BG schon damals zu lang.
Neuestes Update beschäftigt sich mit adjektivischen Beschreibungen der Spielmusik, plus die Stücke aus dem Trailer zum Anhören / Download:
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