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Thema: [ZOOOOOmmxBIES! ] Epilog einer großartigen Geschichte - An Bord der Diana II

  1. #1

    [ZOOOOOmmxBIES! ] Epilog einer großartigen Geschichte - An Bord der Diana II

    Dieser Epilog beschreibt die Vorkommnisse des achten Julis 2012 an Bord des mittelgroßen Luxusliners Diana II und die Zeit danach...


    Noch immer ist Sydney in die Decke aus Rauch und Feuer gehüllt, doch lasst ihr die Trümmer und die Ruinen, die Erinnerungen und die Gefallenen ebenso hinter euch wie der Gedanke an die letzten 12 Tage in dieser Stadt.
    Schnell hat Sarah das Motorboot wieder zur Diana II gebracht und schnell werden Strickleitern nach unten geworfen. Das Gesicht von Reed erscheint als erstes und er patscht sich johlend gegen den Kopf und schubst damit seine Mütze versehentlich ins Meer, als er endlich Alistair sieht.

    Terence selbst ist es, der Tess nach oben hilft und mit einem gespielt desinteressiert dreinblickendem Gesicht ein "Gar nicht soo schlecht." schnarrt, ehe er sie kräftig in den Arm nimmt und sein Versprechen erneuert, eines Tages ein Stück Land mit ihr urbar zu machen.


    Bald schon stehen alle an Bord des Schiffes, sie sehen ausgezehrte und von den Mühen der letzten Tage gezeichnete Gesichter die aussehen, als hätten sie die Hölle auf Erden durchlebt. Und den Überlebenden wir bewusst, dass viele von ihnen genau denselben Gesichtsausdruck tragen.

    Und während die Skyline Sydneys die nunmehr wie ein Gerippe denn wie eine Stadt wirkt, immer kleiner wird, nimmt das Schiff Kurs auf die geheime Marinebasis Asoa auf Wallis et Fotuna, einer sehr kleinen Vulkaninsel im Südpazifik.
    Von dort aus würden sie sich in die Winde verstreuen, einer ungewissen Zukunft entgegen, gefangen in einer Welt, deren Grundfesten erschüttert wurden und in der das Fortbestehen der Menschheit auf nicht weniger als Messers Schneide stand...
    Doch im Moment...ja, im Moment hatten sie noch einander für weitere 4 Tage.


    Jeder Überlebende kann einen Post schreiben in dem er von seinen Erlebnissen jetzt und in den nächsten drei Jahren schreibt und einen Ausblick gibt.
    Nur einen, da ihr ja im letzten Thread schon wunderschön Abschied genommen habt und die Zeit für Dialoge vorbei ist.
    Die nächsten 36 Monate:
    In den nächsten drei Jahren wird die Welt noch näher an den Abgrund rücken und die Zivilisation wird zusammenbrechen. Das Leben findet alleine auf Schiffen und in winzigen Enklaven in Küstennähe oder unwegsamen Gebirgen statt...
    In der Militärbasis sammeln sich die wenigen Überlebenden aus dem südpazifischen Raum die jede tatkräftige Hand gerne aufnehmen.

    Reed, Sarah und Terence: Benutzt sie nach Gutdünken in euren Posts, diejenigen, die sich mit diesen Chars auseinandergesetzt haben kennen sie gut genug und ich vertraue sie euch da an. Immerhin: Es ist eure Bühne, ich bin nur für die Requisiten zuständig.

    Ach ja, wer im Südpazifik bleibt, der kann in Staffel II seinen Char weiterbenutzen. *zwinker*

    Geändert von Daen vom Clan (08.09.2012 um 22:47 Uhr)

  2. #2
    Die Ereignisse in Sydney hatten die Welt verändert. Es war ein historisches Ereignis, dass in seinem Wirkungsgrad und kurzen Spanne kaum mit etwas aus den letzten Jahrhunderten vergleicht werden könnte. Selbst die Weltkriege verblassen im Kontrast. Die Menschheit stand vor ihrem möglichen Abgrund, einen Abgrund den sie selbst geschaffen hatten. Was dich nicht umbringt, macht dich stärker, sagte eins ein großer Mann. Zynisch erscheinen diese Worte angesichts einer Plage, die die Toten selbst wieder zum Laufen bringt. Doch fassen sie auch die Lage der Spezies Homo Sapiens gut zusammen. Ein solche Krankheit zu meistern, kann sie langfristig nur gestärkt zurück lassen.

    So ähnliche Gedanken gingen auch Fawyer durch den Kopf, als er sich an die Reeling lehnte Es war Nacht und nur die eiskalte Briese hielt ihn davon ab die Augen zu schließen. Ihm gingen nochmal die Ereignisse der letzten Monate und Jahre durch den Kopf. Zuerst war er einige Zeit bei ihrer Gruppe geblieben. Es hatte lange gedauert, bis sie verstanden hatten was in der Welt passiert war. Auf der Festung in Wallis et Fortuna hatte sich Fawyer schließlich entschieden: Er wollte nicht tatenlos abwarten. Von den USA gab es nur wenige Berichte. Die Armee war zwar noch tätig, aber nur wenig war über die Lage im Landesinneren bekannt. Es musste noch viele Überlenden geben, dessen war sich Fawyer klar, egal was ihm irgendwelche Generale sagen würden.
    Er wollte nicht hilflos warten. Er konnte es nicht. Es machte ihn verrückt, es war nur eine Frage der Zeit bis er sich entschloss etwas zu tun.

    Er hatte eine kleine Schaar von einfachen Zivilisten um sich gesammelt, die ebenfalls zurück in die Heimat wollten. Einige von ihnen waren noch naiv, glaubten, dass ihre Familie wieder sehen würden, doch andere teilten Fawyers Überzeugungen. Es ging nicht darum, alles ungeschehen zu machen, sondern um Schadensbegrenzung zu machen. Je mehr sie retten konnten desto besser.
    Der Plan war es, eine Schneuse zu bilden, mehr und mehr in sichere Basen und große Frachter zu bringen. Es hatte lange gedauert, aber schließlich brachen sie zusammen mit einem kleinen Versorgungschiff auf, das ihnen die Militärbasis „geliehen“ hatte. Fawyers musste lächeln als er sich erinnerte wie riskant ihr Manöver war. Doch sie hatten es geschafft, sie waren auf dem Weg.

    Fawyer beobachtete wie der Vollmond sich auf dem sehr ruhigen Meer spiegelte und eine lange Linie nach sich zog. Ob die anderen ihn auch sahen, zurück auf der Insel? Es war das zweite Mal, dass er von einer Insel floh, das zweite Mal, dass er eine kleine Truppe anführte. Doch diesmal war so vieles anders und fühlte er dieselbe Unsicherheit. Aber auch etwas anderes. Etwas Starkes.
    Entschlossenheit.

    Er hörte Schritte hinter sich, und schließlich lehnte sich jemand von der Crew an der Reeling.
    „Eine schöne Nacht, ich frag mich wie viele in den Staaten sie genießen können wie wir…“

    Fawyer antwortete ihr nicht gleich.
    „Auf einem sicheren Schiff? Niemand. Aber dank uns werden sie es irgendwann können. Komm, lass uns runter gehen, du holst dir noch eine Erkältung.“

    "Du bist doch der, der der letzte Woche fiebrig war."
    "Vier Tage, bitte. Und überhaupt sollt....."

    Ihre Stimmen verklangen, als sie die Luke hinter sich schloßen, und die eisige Kälte des pazifischen Meeres verließen.

    Die MS Hope steuerte langsam aber stetig auf die nordamerikanische Westküste zu. Auch wenn ihre Crew nur rudimentäre Informationen über die Lage der großen Städe hatte, waren sie entschloßen unter der Leitung eines der " Survivor of Sydney", wie die Gruppe weltweit Bekanntheit erhielt, ihr Bestes zu tun.

    Geändert von Mivey (08.09.2012 um 23:44 Uhr)

  3. #3
    Als man ihn später fragte, wie sie aus Sydney entkommen waren, antwortete Dob stets nur knapp. "Mit dem Boot. War von Anfang an der Plan gewesen."
    Aber er wusste, dass er nicht die ganze Wahrheit kannte - denn das Schiff am Horizont hätte sie unweigerlich zurückgelassen, wenn nicht irgend etwas geschehen wäre. Und Dob wusste nicht, was es war. Das Funkgerät hatte plötzlich doch aufgeladene Batterien und Alistair hatte einfach losgefunkt, aber war das alles gewesen?
    Er wusste es nicht, aber da war dieses Gefühl. Das Gefühl, dass in der Zeit, als sie verloren und hoffnungslos am Kai saßen, unglaublich viel um sie herum geschehen sein musste.

    Und dann kam da plötzlich dieses Motorboot angerast, und mit entschlossenem Blick, einer Walküre gleich, steuerte Sarah auf die Überlebenden zu. Dob konnte nicht fassen, was er sah. Er ließ sich einfach nur nach hinten fallen und lachte. Hemmungslos und laut. Er lachte darüber, dass er am Leben war und am Leben bleiben würde. Dass er, ein einfacher Typ aus Perth, es aus dieser Hölle geschafft hatte.
    Soldaten riefen in der Ferne und wahrscheinlich drehten auch ein paar Zombies neugierig ihre Köpfe. Doch sie konnten nur sehen, wie einfache Menschen, die seit Tagen dem Tode geweiht gewesen waren, einfach beschlossen zu überleben. Ungezügelte Freudenschreie und Tränen des unverhofften Glücks tauchten den Morgen in eine positive Aura, an der alles Feuer, alle Trümmer und alle Verwesungsgerüche nichts ändern konnten.

    ---

    Viele Tage später lagen Sarah und Dob Arm in Arm in einer Kajüte auf der Diana II. "Kannst du nochmal?", fragte sie ihn zärtlich.
    "Ich kann schon, ich finde nur, du solltest auch mal ein wenig zu tun haben", antwortete Dob, leicht keuchend, und deutete mit hochgezogenen Augenbrauen beidhändig in Richtung seines Schritts.
    Sarah grinste kurz, dann runzelte sie die Stirn und sagte mit ernster Stimme: "Meinst du wirklich, dass ich einer so großen Aufgabe gewachsen bin?"
    Dob grinste, als er antwortete. "Ey Mann, manchmal müssen wir uns halt Aufgaben stellen, denen wir eigentlich nicht gewachsen sind!"
    Sarah gluckste und streichelte Dobs Penis sachte, dann nach und nach fester mit der Hand, während sie seine Brusthaare küsste. Sie merkte nicht, dass sein Grinsen erstorben war.

    Manchmal stellen wir uns Aufgaben, denen wir nicht gewachsen sind. Und manchmal, da überwinden wir sie entgegen aller Wahrscheinlichkeiten. Doch viel zu häufig gehen wir an ihnen zugrunde.
    Und Dob hatte viel zu oft Glück gehabt in letzter Zeit.
    Als Sarah sich einige Zeit später in seinen Arm kuschelte, fing sein Mund wie von selbst an, sich zu bewegen. Sarahs wohliges Lächeln wich zuerst einem verständnislosen, dann einem entsetzten Gesichtsausdruck. Als Dob endlich die Klappe hielt, weinte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht. Unter Tränen sammelte sie ihre Kleider zusammen und rannte aus der Kajüte.

    Dob schloss die Augen. Er hatte Mädchen schon so oft angelogen, dass es ihm längst nichts mehr ausmachte. Doch dieses eine Mal, da war es schwierig gewesen. Als er sie nicht mit falschen Komplimenten überschüttete. Als er ihr nicht die Welt und den Himmel obendrein versprach.
    Als er ihr sagte, dass sie nur eine weitere Eroberung für ihn war.

    ---

    "Perth also. Obwohl ganz Australien von Zombies überrannt ist und wir genau deswegen auf einem Schiff sind und nicht da? Oh Sonnyboy, ich werde deinen unrealistischen Optimismus vermissen, wenn ich an deinem Grab stehe. Oder auf deinen untoten Schädel einprügeln muss."
    Dob lachte. "Verdammt, Frau Doktor, ich kann doch nicht meine Heimat im Stich lassen. Wohin bist du denn unterwegs, wenn nicht nach Hause?"
    Tess zuckte kurz zusammen. Ihr fiel auf, dass sie hier mit niemandem je über ihre Vergangenheit geredet hatte. Warum auch? Aber in diesem Moment wünschte sie sich, sie müsste diese Frage nicht beantworten.
    "Also ich kann ihn verstehen", meinte da eine Stimme hinter ihnen. Yuki hatte sich unbemerkt von hinten angenähert. "Er muss immerhin rausfinden, ob seine Zockerkumpel noch am Leben sind." Sie grinste Dob an, dann wurde ihr Tonfall ernster. "Und der Teufel soll uns holen, wenn wir den Feind einfach unsere geliebte Insel überrennen lassen."

    Tess legte ihre Hand auf Yukis Schulter und sah sie eindringlich an. "Ich WERDE ein Heilmittel finden. Es ist nur eine Frage der Zeit. Ich werde das hier wieder in Ordnung bringen, vertrau mir."
    Dob schüttelte den Kopf. "Tess, Baby, du musst sowas von dringend flachgelegt werden, ehrlich. Oder keine Ahnung was, mal wieder ne Nacht durchschlafen? Es ist mir scheißegal, aber irgendwas musst du tun. Ehrlich. Verdammt, diese Scheiße kann nicht kontrolliert werden. Weißt du... genieß einfach dein Leben, so lange du noch kannst. Bringt nix, was du da vorhast."
    "Ich werde einen Weg finden. Das geht vielleicht nicht in dein Spatzenhirn, aber für jeden Virus gibt es auch einen Weg, ihn zu bekämpfen. Ich muss ihn nur finden. Und wenn ich dafür eintausend Zombies sezieren muss."

    Dob zündete eine Zigarette an, immer noch kopfschüttelnd. Die Frau hatte sie nicht mehr alle, aber immerhin richtete sie es jetzt nicht mehr gegen ihn oder Ian oder einen anderen der Truppe... dafür waren sie alle sowieso viel zu verstreut auf diesem Schiff, die Emotionen hatten sich gelegt. Und verabschiedet hatte er sich auch schon seit langem. Von allem hier.
    "Also, ist es nun abgemacht oder was?"
    Yuki riss Dob aus seinen Gedanken. Er kniff die Augen zusammen und fokussierte ihr Gesicht im Halbdunkel des späten Abends.
    "Klar, Mann. Wir schlagen uns durch, und am Ende gibt's Bier und geile Videospiele für alle. Wenn du mitkommst, hab ich vielleicht sogar ne Chance, so weit zu kommen."
    "Nur, wenn ich dich nicht als lebendiges Schutzschild benutze. Aber ich werde versuchen, mich zurückzuhalten. In den Filmen ist das sowieso immer total übertrieben dargestellt, weißt du wie schwer so eine Leiche ist?"
    Sie lächelte leicht. Der Kerl war kein Willy Stern, aber er ging schon in Ordnung. Seine Art erinnerte sie an die Typen aus ihrer Kompanie. Mit solchen wusste sie schon umzugehen.

    Dob grinste. Es war gut, am Leben zu sein. Oder in Australien zu sterben. Scheiß drauf. Wenn man nichts hat, wofür es sich zu leben lohnt, war man frei zu tun, was zur Hölle man wollte. Er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, dann warf er sie über Bord und schlenderte langsam, gleichgültig, zurück zu seiner Kajüte.

    ---

    3 Jahre später

    Dob wurde geweckt vom mehrmaligen Geräusch einer Schrotflinte irgendwo draußen und dem hässlichen Gurgeln der Untoten. Die Anderen waren ebenfalls aufgeschreckt. Es war wieder alles still.
    "Ich seh nach, was da los ist! Dan, Rose, bringt die Kinder auf's Dach und verhaltet euch still!" Vivian, die taffe Anführerin der Bande, lief los, das Gewehr in der Hand.
    Verdammte Scheiße, was sollte der Mist so früh am Morgen. Er blinzelte rüber zu Strider, der ebenfalls angepisst wirkte.
    "Ich check den Hinterausgang", murmelte Dob.

    Die Straßen waren leer, wenn man von den Leichen absah, die sich mittlerweile in jeder Stadt türmten. Verwirrt wandte er sich wieder um.
    Und blickte direkt in den Lauf einer Schrotflinte.

    "Ich will nur eins von dir wissen", sagte eine kalte, bebende Stimme von vorne.
    "Wenn ich dir so scheißegal bin, was soll dann die Sache mit den Funksprüchen, und warum treibst du dich seit Monaten in unserem Gebiet herum."


    Geändert von Schattenläufer (09.09.2012 um 06:19 Uhr)

  4. #4
    Suparman konnte es kaum glauben, dass sie es raus Sydney geschafft hatten. Der Initiative des Iren am Funkgerät war es verdanken, dass das Schiff noch rechtzeitig Anker legte und sie unter Begleitung von Sarah mit in einem Motorboot schließlich an Bord kletterten.
    Dort angekommen trafen sie sogleich auf die wenigen Überlebenden, die aus D53 übrig geblieben waren. Offenbar hatten sie es ihnen zu verdanken, dass das Schiff seine Anker warf.
    Sofort kamen ihm auch wieder die üblichen rassistischen Äußerungen mit kalten Blick von Terence entgegen.
    Seinem blauen Auge nach zu urteilen, hatte es sich der alte, griesgrämige Mann offenbar wieder einmal bei jemand anderem mit seinen menschenfeindlichen Weltanschauungen verscherzt. "Geschieht im Recht" dachte sich Suparman genugtuerisch.
    Es war überwältigend, fast schon ungewohnt, als er die vielen nicht-infizierten Menschen erblickte, die sich neugierig um die soeben angekommene Gruppe versammelte. Sie sahen alle fürchterlich aus und ihm selbst wird es vermutlich in seinem Erscheinungsbild nicht anders ergangen sein.
    Jemand klopfte Suparman auf die Schulter "Es ehrt mich, einen Mann ihres Dienstgrades hier am Schiff begrüßen zu können, Colonel. " wurde er sogleich von einem wichtig aussehenden Militärtypen begrüßt. Verwirrt über diese höfliche Begrüßung warf er einen kurzen Blick auf den Militäranzug, den er sich im Royal Botanic Garden erschlichen hatte, und gerade trug: Colonel Bennett. Nun gut, würde er eben dieses Spiel mitspielen. "Aye, es freut mich ebenfalls, Major Connor, Sie auf diesem Schiff empfangen zu dürfen. Ging ganz schön wild zu dort unten, mein ganzes Battalion ist dabei leider draufgegangen. Nur ich bin davon übrig geblieben und habe die Zombies abgewehrt, bis ich auf weitere Hilfe gestoßen bin. Stellen Sie sicher, dass mir eine private Kabine inklusive Minibar zur Verfügung steht und sorgen Sie dafür, dass ich in alle weiteren Pläne eingeweiht werde."
    Suparman blickte den kommenden Tagen auf dem Schiff optimistisch entgegen. Bis sein kleiner Schwindel in dem verwaltungstechnischen Chaos, das momentan herrschte, aufflog würde er es sich erst einmal richtig gut gehen lassen. Denn das hatte er sich nach all den von Stress und Flucht geprägten Tagen und Stunden redlich verdient. Und wer weiß, wo uns diese Schiffsreise noch hinbringen wird?

    --- Ereignisse nachdem sie in Wallis et Fotuna angekommen sind ---

    Suparmans Glück sollte leider nicht von Dauer sein und das kurze Leben als Colonel der US Army forderte auch bald seinen Tribut, als er sich in der Marinebasis verantworten musste und sein Schwindel aufflog. Das letzte mal wurde er gesehen, als er sich mit seinem liebgewonnenen Tonfa in der Rechten und seinem Notproviant-Whisky in der Linken eilig von der Militärbasis weg in Richtung Westen, in die Wälder, bewegte.
    Besonders mutige Männer, die sich in den kommenden Monaten bis in die tiefsten und gebirgigsten Wälder von Fotuna wagten, berichteten gelegentlich von der Sichtung einer schrecklichen, augenlosen, Kreatur mit dürrem Körper und ungewöhnlich langen Armen. Doch wurden die Erzählungen als pure Hirngespinster abgetan...

  5. #5
    Sydney brannte. Die Feuer fraßen die Überlebendentransparente fort. Tess spürte die Hitze der Brandherde auf ihrem zerschlagenen Gesicht.
    Sand in den Schuhen. Salz auf der Haut. Wind im Haar.
    Könnte Urlaub sein.

    Als Teresa Ehliger ihren neun Gefährten hinterherblickte, wie sie sich auf dem Schiff verteilten, wurde ihr klar das sie nur die Entscheidung zu fällen hatte, wann sie sich ihrem Schicksal fügen würde. Sie entschloss sich für ein Leben fern von der trügerischen Sicherheit der nichtinfizierten Länder. Für ein Leben an der Front, gewidmet denen, die sich selber nicht helfen konnten.

    3 Jahre später

    запретная зона“ stand auf den Schildern an denen sie sich vorbei schleppte. Es war ein Wunder wie nahe sie an die Grenzposten herankam, ohne auf eine der Minen zu treten. Beharrlich wie eine Schildkröte fraßen ihre Schritte einen Weg hinein in fremdes Land. Tess lachte kehlig auf. Als sie die Schranke umschlurfen wollte fielen zwei Schüsse und beförderten sie auf russischen Boden. Die beiden überraschten Schützen schossen noch lange auf den untoten Feind, bevor sie das Feuer einstellten. Zu tief saß der Schock das es überhaupt jemand so nah an sie heran geschafft hatte, nach all den Monaten.

    Mit zitternder Hand zerrte der Ältere der beiden Russen ihren Mantel auf und entdeckte das Holzkästchen. "Посмотрите, водка ..." Das schwarze Holzkästchen wurde aufgebrochen. Erschrocken ließ er die mit rotem Satin gefütterte Kiste und ihren kostbaren Inhalt - Michails Marke - zu Boden fallen. [/I]Der Jüngere mit den Segelohren schüttelte den Kopf. Это не водка.“ Tess verstand kein Wort. Und verstand doch alles.

    ~~~*~~~

    Das Militär jedoch würde ihn nie enttäuschen, es war immer da. Immer und überall.
    Michails Charakterbeschreibung

    Geändert von Viviane (18.07.2013 um 23:04 Uhr)

  6. #6
    ~ circa zwei Jahre später ~

    "Schütten Sie ihr Wasser ins Gesicht - die arme Frau ist völlig fertig von den Strapazen der letzten Tage...!"

    [ein dunkelhaariger, stämmig gebauter Private First Class in Körperrüstung schüttet der Halbasiatin einen Eimer voller Wasser ins Gesicht, trifft dabei auch ihre Brüste und ihren Bauch. Er betrachtet grinsend sein Werk.]

    "Ich glaub', Schneewittchen-chan ist aufgewacht, Sir!"
    "Ugh, was zum-?"
    "Ma'am, können Sie mich hören? Mich verstehen?"
    "Klar und deutlich, Sir."
    "Ich hatte es Ihnen gesagt, Sir: Es ist die Radiotussi!"
    "Wo verdammte Scheiße bin ich? Und wer zum Geier seid ihr?"
    "Wo oder bei wem Sie sich momentan befinden, ist absolut nicht von Belang, Misses Rothrock."

    [Der dunkelhaarige Soldat reicht dem hageren, Brille-tragenden Mann im maßgeschneiderten tabakfarbenen Hugo-Boss-Anzug eine Militärakte - wahrscheinlich Yukaris.]
    [Kippelnde Bewegungen vom Boden aus. Wie auf einem Schiff.]

    "Lance Corporal Yukari Theresa Rothrock, unter dem Spitznamen "Spicy Hands" bekannt. 6th RAR, Motorisierte Infanterie, zwei extrem lange Auslandseinsätze im Irak und in Afghanistan, plus einiger Intermezzi im Kosovo und Aufbauhilfe in Syrien kurz vor Tag Z. Nicht schlecht. Einziger Soldat, der nachweislich im Militäreinsatz in Afghanistan einen Mann mit einem Schwert tötete."

    [Der Mann im Anzug wirft die Akte über seine Schulter. Lose Blätter fliegen durch den Raum und wandern mal mehr, mal weniger sanft durch die Luft in Richtung des Bodens, bis sie endlich dort ankommen. Der dunkelhaarige Soldat fixiert Yuki mit einem ernsten Blick.]

    "Entschuldigen Sie bitte meine Trailerpark-Ausdrucksweise, aber: Alles 'nen Scheiß wert in der Neuen Welt. Was hier zählt, sind nicht mehr länger ausschließlich die Wissenschaft, oder ausschließlich das Militär, oder ausschließlich das Menschliche, oder gar - ausschließlich das untote Fleisch. Was zählt, ist eher - wie man alles wunderbar zusammenbringt, meine Teuerste. Und hier kommen Sie ins Spiel."
    "Ich kam bereits ins Spiel, als Ihre Jungs und Mädels eine Razzia in meinem Studio starteten."

    [19 Monate und 19 Tage in diesem beschissenen Kellerloch in Perth.]

    [Wie zum Geier haben die mich da gefunden...? Niemand hätte mich da finden können. Ein Tipp? Ein Spitzel in meinen eigenen Reihen?]

    [Moment, ich habe keine eigenen Reihen...]


    "Und vor allem Ihre Jungs waren alles andere als freundlich zu mir."
    "Zwei mit einer Sprengfalle, zwei mit ihrem beschissenen Schwert. Alles, was danach kam hattest du mehr als verdient, Schlitzi!"
    "Mehr blaue Flecken in der Fresse - passen super zu meinem Teint, verdammt richtig!"
    "Fick dich, du-"
    "Genug! - Sie haben damit mehr als unter Beweis gestellt, dass Ihnen Informationsmanagement via Radio weniger liegt als vielmehr der Krieg. Der Krieg gegen den Terror, der die Neue Welt bedroht."

    [Tess. Du verdammte Nutte, ich hätte es wissen müssen. Ich hätte es verdammt nochmal wissen müssen. Ich wusste es, dass dieser Radio-Job nicht alleine gemacht werden kann. Es gehören zwei dazu und du...]

    [Du hast mich allein gelassen.]

    [Loswerden. Sie wollte mich loswerden... Fuck!]


    "Neue Welt, Alte Welt - Was können Sie mir bieten?"
    "Meine Investoren und ich sind mehr als interessiert daran, Ihnen eine - wieviel, Private Amsterdam?"
    "Vierte oder fünfte Chance - die Frau hat mehr Leben als eine gottverdammte Katze."
    "Eine weitere Chance zu geben. Ich promoviere Sie direkt zum Staff Seargant, Sie erhalten einen Sold, der sich mehr als sehen lassen kann, Sie kriegen ein Team das einzig und allein unter Ihrem Kommando steht..."
    "..., eine Doppelkernmatraze, Strom - was an sich schon Luxus pur ist - Kohle, Koks, Nutten - du weißt schon, Vollpension. Zum Nulltarif."
    "Und was ist, wenn ich das Angebot ausschlage, Ihr beschissener Söldner zu sein?"

    [Amsterdam zieht Yukis Katana hervor und hält ihr die scharfe Seite an den Hals.]

    "Dann feuern wir dich und schmeißen deine Leiche ins Meer. Bei der ADF und deinen toten Kumpels magst du vielleicht eine Berühmtheit sein - doch dem Meer ist das scheißegal."
    "State-of-the-art-Technologie, State-of-the-art-Bewaffnung, State-of-the-art-wie war der Ausdruck noch gleich, Amsterdam?"

    [Amsterdam lässt das Schwert sinken und wirft es unachtsam in die Ecke des Raumes zu den verstreuten Blättern aus Yukaris Akte.]

    "Bad-Ass. State-of-the-Bad-Ass-Art, Staff Seargant Rothrock."

    [Yukari mustert den Private nun genauer. Er trägt eine Ganzkörperrüstung, ähnlich ihrer zusammengeschusterten Rüstung die sie in der Izanami-Operation trug. Allerdings ist hier alles farblich aufeinander abgestimmt: Grün-weißes Flecktarnmuster, sowohl an der Schutzweste mit Halskrause als auch an den Schienbein-, Knie- und Ellenbogenschützern. Auf der Schutzweste steht im Brustbereich in schwarzen Lettern "Come out and play.", während ein paar Zentimeter über dem Genitalbereich die Worte "Spare gun." stehen, über einem Pfeil der nach unten hin zeigt. Im Oberschenkelholster eine Browning Hi-Power, Sekundär-Bewaffnung. Stan-Waffe scheint eine modifizierte Variante der Steyr AUG zu sein, in den spärlichen Lichtverhältnissen ist die Waffe die auf seinem Rücken ruht nur schwer zu erkennen.]

    "Also, was sagen Sie?"

    [Fick dich, Tess. Ich hoffe, dass dich das Karma wieder einholt. Jetzt in diesem Moment. In diesem verkackten Augenblick soll dich der Teufel holen du elendes Miststück.]

    [Ich sollte das hier nicht tun. Das hier gegen unseren Deal. Aber der Deal ist geplatzt nachdem Dani...]

    [Kein Deal. Kein Kodex. Keine Tradition. Und ich lasse die Würfel fallen.]


    "Was wären die Aufgabenbereiche?"
    "Infiltration, Extermination mit extremer Präzision, Exfiltration von Überlebenden und natürlich das Suchen und Finden eines Mittels, um die Menschheit voranzubringen im Kampf gegen die Zulus - und die Verbreitung dieses Mittels. Wir sind militärisch organisiert was die Rangordnung angeht, doch wir operieren unabhängig von ADF, Nationalgarde und der restlichen Mischpoke. Unter eigener Flagge mithilfe von privaten Investoren, die ebenfalls für unsere Sache einstehen. Eigene Forschung, eigenes Militär - eigene Regeln."
    "Okay, bin dabei, Mister...?"
    "Mayday. Nennen Sie mich einfach Mayday. Und ich heiße Sie herzlich willkommen in der Truppe, Ma'am. Binden Sie sie los und bringen Sie sie in den Krankenflügel, Private Amsterdam - es gibt viel zu tun und ich brauche diese Frau lebendig und in Höchstform. Ich wette mit Ihnen, dass Sie mehr als glücklich sein werden mit dem Team, das wir Ihnen zur Verfügung stellen.

    Sie sind jetzt Teil der Menschheitsgeschichte. Teil von Projekt Parusia, Misses Rothrock."


    [Er öffnet die Türe zum spärlich beleuchteten Raum. Schemenhaft sieht Yuki, dass vor der Tür ein weiterer Mann steht - kräftige Statur, die durch die Ganzkörperrüstung noch kräftiger wirkt, kurze helle Haare, vertraut. Sehr vertraut.]

    "Und bevor ich's vergesse: Hier ist noch jemand, der sich besonders gefreut hat, als wir Sie aus Ihrem Erdloch wie Saddam gefischt haben."

    [Das... das...]

    [Der Mann kommt näher. die schemenhafte Gestalt zeigt jetzt deutliche Züge. Überdeutlich. Vertraut.]

    "Und das ist gerade mal der Anfang, Ma'am."

    [Ich... ich hab' dich-, du kannst nicht-, ich-]

    "Cameron?"

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (10.09.2012 um 21:21 Uhr)

  7. #7
    Die Tage auf dem Schiff vergingen wie im Flug. Sie hatten es geschafft. Sie hatten es überstanden und waren nun für's Erste in Sicherheit. Was noch kommen würde, könnte keiner erahnen. Wo es sie hintreiben würde, wusste niemand. Aber für den Moment waren sie außerhalb der Gefahr.

    Ian hielt sich an Clover. Er redete nicht viel, weil er stets in Gedanken war. Auch die schmerzenden Abschiede fielen recht wortkarg aus, nicht aber tränenlos. Das Lebewohl mit Lèo fiel ihm besonders schwer. Sie hatte sich dazu entschieden, mit Alistair zu gehen und inzwischen hatte er auch verstanden, warum.

    Der Ire war auch der letzte, von dem er sich verabschiedete. Die Tränen auf seinem Gesicht waren noch nicht getrocknet, als er ihm gegenüberstand, abschätzend gemustert wurde. Aber sein Auftreten sprach Bände. Er würde sich nicht wieder streiten wollen, kein Kontra geben. Weil er jetzt einsah, dass die Kritik an ihm richtig war. So ließ Alistair ihn reden.

    "Es tut mir Leid!", begann er mit zitternder Stimme und zurückhaltendem, wenngleich aufrechtem und direktem Blick in das Gesicht des Mannes. Er musste ihn ansehen, weil dieser Kerl, der im Gegensatz zu ihm mit Taten gepunktet hatte, es verdiente, dass man dies tat. Keine verlogenen Blicke mehr, keine Fassade. "Du hast viel für uns getan und ich hab' dir nie wirklich dafür gedankt. Und du hattest Recht mit mir!" Eine Pause folgte, in der Ians Handballen nervös gegeneinander schlugen, er kurz seine Lider über die feuchten Augen schloss, um die Tränen hinauszudrücken.

    "Ich weiß, dass du Clover magst und dich um sie sorgen wirst. Es ist eine große Geste von dir, selbst mich einzuladen. Vorerst habe ich aber noch etwas zu tun, jemanden zu finden. Mein Wort mag dir nicht mehr viel Wert sein - das verstehe ich - aber ich verspreche dir, dass ich mich ändern werde. Ich verspreche dir, dass ich der Mann werde, der ich bis jetzt nicht sein konnte... der Mann, der verdient, von ihr geliebt zu werden."

    Erst nach all den Abschieden schien die Zeit sich auf seine Seite zu stellen. Der vierte Tag auf dem Schiff wollte nicht vergehen - doch mit jeder Meile, die es fuhr, fühlte er sich ein kleines Stückchen leichter und freier. Mit jeder Meile, die es fuhr, wurde ihm bewusster, wie unabdingbar es war, dass er ein besserer, wichtigerer Mensch werden musste, um seinen kleinen Teil für diese zerstörte Welt zu tun.

    Mitten aus seinen Plänen, seinen Zukunftsvisionen, die er nun zeitweise alleine auf dem Oberdeck des Luxusliners verbrachte, riss ihn eine Gestalt. Die Figur einer Frau, das unvollendete Vorhaben eines toten Mädchens, an dessen Stelle er hätte stehen können. Sie war es - und das hier war seine erste Chance, etwas zu tun, das er hatte tun müssen. Entschlossen näherte er sich der ungefähr Vierzigjährigen, deren schulterlanges, braunes Haar im sanften Fahrtwind des Schiffes wehte. "Andrea?"

    Isabelles Mutter drehte sich um und musterte ihn mit ihren graublauen Augen fragend. Ian zögerte nicht mehr. Es war seine Pflicht, sie über ihre Tochter aufzuklären - und so erzählte er ihr von allem. Von der langen Reise, die sie auf sich genommen hatte. Von ihrem unbedingten Willen, ihre leibliche Mutter kennenzulernen. Vom tragischen Tod. Als er fertig war, sah er sie nur an und wartete auf eine Reaktion.

    "So ist das also..." Andrea nickte langsam, ihr Gesichtsausdruck verdächtig neutral. In ihren Augen aber spiegelte sich etwas anderes wieder. Vielleicht war es Bedauern, vielleicht auch unterschwellige Wut, vielleicht beides. Mit mechanischer Stimme fuhr sie fort. "Wissen Sie, es ist wirklich seltsam. All die Jahre habe ich hier gelebt, ohne allzu viele Gedanken an das zu verschwenden, was ich in Deutschland gelassen habe. Ich hatte damit abgeschlossen, wollte ungebunden und frei leben. Ohne Mann, ohne Kind, mit vielen Berufswechseln, vielen Umzügen, einfach so wie es mir gefällt. Aber dann, vor anderthalb Jahren hat mich auf einmal doch interessiert, was aus meiner Familie geworden ist. Also habe ich angerufen." Sie lächelte zynisch.

    "Joachim, Isabelles Vater, war alles andere als begeistert. Wo ich die ganze Zeit gewesen wäre, hat er gefragt. Was ich gemacht hätte und ob ich wirklich glaubte, noch einen Anspruch auf Kontakt mit Isabelle zu haben. Und anscheinend hatte er ihr nichts von mir erzählt. Nun, ich kann´s ihm nicht verübeln, immerhin bin ich einfach im Nichts verschwunden, als es zu Meinungsverschiedenheiten kam und habe mich für über fünfzehn Jahre nicht gemeldet. Heh, das ist wirklich nicht die Art von Mutter, die man sich wünscht. Und weiter einmischen wollte ich mich dann auch nicht. Ich dachte, es wäre das beste."

    Eine lange, nachdenkliche Pause, bevor sie fortfuhr. "Es ist ironisch, dass ich ihm einfach nur eine Telefonnummer hätte hinterlassen müssen. Dann hätte Isabelle mich einfach anrufen können und wir hätten uns entweder kennengelernt oder beschlossen, nichts miteinander zu tun haben zu wollen. Aber so ist das Mädchen um die halbe Welt gereist und schließlich in... das hier... reingeraten." Ernst blickte sie Ian an.

    "Nein, ich werde jetzt nicht damit beginnen, in Selbstmitleid und Schuldgefühlen zu versinken. Man weiß nie, was passiert wäre, hätte Isabelle nicht die Reise hierher unternommen. Aber ich möchte Ihnen danken, dass Sie mir davon erzählt haben." Das Lächeln, welches Andrea ihm schenkte, ähnelte dem auf Isas Foto, obwohl ihre Augen nun Erschöpfung und unterdrückte Trauer anstatt Freude zeigten. "Ich schulde Ihnen wohl einen Gefallen - und in dem Chaos, in das wir hier versunken sind, ist das vermutlich mehr wert, als es den Anschein hat. Wenn Sie glauben, dass ich Ihnen bei irgendetwas helfen kann, sagen Sie es ruhig." Nach diesen Worten, nickte sie Ian noch einmal zu und drehte sich dann um, vermutlich, um ein wenig allein zu sein.

    Er hätte ihr diesen Moment für sich gerne gegönnt. Doch da war noch etwas - etwas, dass er wissen musste. "Es gibt da etwas", sagte er nervös und noch immer unvorbereitet auf das, was sie ihm möglicherweise erzählen könnte. "Isabelle und ich... wir waren beide hier, um jemanden zu finden. Und es stellte sich heraus, dass Sie und... die Person, die ich suche... Shelley Weinberg!"

    Wieder wandte sie sich ihm zu und er hatte das Gefühl, ihre volle Aufmerksamkeit zu haben. "Shelley? Ein toughes Mädchen. Hat immer das Beste gewollt!" Ian schluckte. Sie hat? "Wir waren zusammen, als alles anfing. Sind geflüchtet. Sie war stark und hat sich keine Angst anmerken lassen, bis..." - sie stockte. "Moment mal!" Andrea trat näher an ihn heran und musterte jetzt sein Gesicht. "Diese blauen Augen... du bist Ian oder?" Er nickte etwas perplex und war noch immer aufgeregt.

    "Sie hat viel von dir erzählt... und davon, dass sie sich schon freut, wenn du endlich da bist. Naja - dann passierte das alles. Wie gesagt... sie war tough, bis sie irgendeine Nachricht von dir im Radio gehört hatte. Das hat sie wohl ziemlich mitgenommen." Wieder schluckte er. "Wo ist sie jetzt?" Andrea schüttelte ihren Kopf leicht. "Ich weiß es nicht. Wir wurden vor ein paar Tagen getrennt. Und seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen!"

    Wenige Augenblicke später hatte Ian Andrea verlassen. Wieder etwas später lief auch der Luxusliner ein und brachte die Überlebenden an ihr Ziel. Eine kleine Vulkaninsel markierte jetzt ihren Standort. Nach einem erneuten Abschied von allen, die ihn in den letzten, so intensiven Tagen begleitet hatten, fing sein neues Leben an - mit Clover an seiner Seite.

    Die Tage, Wochen und Monate verstrichen wie im Zeitraffer. Sie verbrachten jeden Moment gemeinsam und genossen die Gesellschaft des jeweils anderen. Ian erzählte seiner Liebe alles über sich, jedes kleine, eklige Detail seines Lebens - wie sie es sich gewünscht hatte. Und auch er erfuhr immer mehr über sie, erfuhr durch sie immer mehr über sich selbst, über die Person, die er war und die Person, die er werden müsste, die er werden würde.

    Shelley hatte er nie vergessen. Er suchte sie und Clover begleitete ihn. Zahlreiche Enttäuschungen nahm er auf sich, mehrere Male schien die Suche erfolgreich zu sein. Mehrere Male hörte er Antworten wie "Shelley? Ja, klar!" Doch die Shelleys, die ihm vorgestellt wurden, ließen nie mehr als einen enttäuschenden Blick auf seinem Gesicht zurück.

    Es tat ihm fast Leid, dass diese Mädchen ihm egal waren, aber die Enttäuschung war zu groß. Die Angst, dass ihr etwas passiert sein könnte, war zu gegenwärtig. Er war des öfteren kurz davor gewesen, die Suche aufzugeben, sich damit abzufinden, sie nie wieder zu sehen, sich krampfhaft einzureden, dass ihr nichts passiert sei und sie irgendwo an einem weit entfernten, sicheren Ort ein schönes Leben führen würde. Hätte er seinen Engel nicht gehabt, hätte er aufgegeben. Doch immer wieder weckte sie das Glück in ihm, die Moral, den Drang, die Dinge anzupacken und nicht aufzugeben. Immer wieder - bis zu diesem einen Tag.

    Fast ein Jahr war vergangen, seit sie aus Sydney geflohen waren und ein neues Leben starteten. Immer größere Teile der Welt wurden von der Apokalypse überrannt, so erzählte man sich. Clover und er reisten von Insel zu Insel, um sein Vorhaben umzusetzen, etwas über den Verbleib von Shelley herauszufinden. Wie schon viele andere Inseln vor dieser, gab es auch hier eine Gemeinde, die sich im Laufe der Zeit kleine Dörfer gebaut hatten und einen Hauch der alten Zivilisation aufblitzen ließen. Die technischen Mittel waren begrenzt, aber es herrschte ein weitestgehend friedlicher Umgang unter den Menschen - und für die wichtigsten Dinge war gesorgt. Clover und Ian hatten sich etwas vorgenommen. Wenn sie Shelley finden würden, könnte man gemeinsam die Zukunft anpacken. Und wenn nicht? Irgendwann musste die Suche enden. Es konnte nicht ewig zwischen ihnen und ihrer Zukunft stehen.

    Mehrere dutzend Male hatte er dieses Prozedere jetzt hinter sich gebracht. Er war in die Haupthäuser der kleinen Pazifikinseln getreten und hatte gefragt, ob man etwas von ihr gehört hatte, ob sie dort leben würde. In manchen Dörfern musste er selbst suchen. Andere Gemeinden verfügten über Listen, in die jeder neue Bewohner aufgenommen wurde. Viele Personen sollen so nach und nach zueinander gefunden haben.

    Ian schob den Stoff sachte bei Seite, der den Eingang zum Haupthaus markierte. Der Holzboden wirkte frisch und knarrte etwas unter seinen Füßen, als er der alten, bebrillten Dame entgegenblickte, die an einem runden Tisch auf einem Stuhl saß und offenbar kleine Notizen schrieb.

    "Huch!", entfuhr es ihr, als sie aufblickte und ein leises Husten folgte. "Was ein hübsches junges Glück!" Sie musterte die beiden mit einem faltigen aber sanften Lächeln und bemerkte offensichtlich ihre aufgeregten, neugierigen Gesichter. "Wie kann eine alte Dame wie ich euch helfen?" Ian trat einen Schritt nach vorne. "Ich suche jemanden. Eine junge Frau in etwa unserem Alter. Shelley... Shelley Weinberg!"

    Die Seniorin erhob sich ungewöhnlich lebendig von ihrem Platz und das Lächeln auf ihrem Gesicht verblasste nicht. "Na - da hab ich mir doch fast gedacht, dass zwei so reizende, junge Menschen nur Freunde von Shelley sein können.", sagte sie und kicherte dabei fast absurd verspielt. "Also ist sie hier?" In Ian begann die Nervosität aufzusteigen, die Aufregung. Sollte er am Ziel seiner Suche angelangt sein? Sollte er sie endlich gefunden haben. Aber was, wenn es nur wieder ein Missverständnis war. Freu dich nicht zu früh! Die Frau nickte und nahm ein Stofftuch vom Tisch, dass sie sich langsam, aber geschickt um den Kopf legte und an ihrem Kinn befestigte. "Ja, das ist sie. Da brauch' ich nicht mal in eine Liste zu sehen. Shelley ist die gute Seele unseres Dorfes."

    Ians beine zitterten, als er der alten Dame so grauenvoll langsam folgen musste. Sie führte ihn und Clover ein ganzes Stück durch das Dorf, bis sie an einer weiteren kleinen, unbedeutend aussehenden Holzhütte ankamen. Die Seniorin blieb stehen und nickte vielsagend in Richtung der Tür. Seine Glieder fühlten sich schwer an. Er streckte dennoch den Arm nach vorne und stieß die Tür vorsichtig auf. Ein Blick und er sah sie. Sie stand mit dem Rücken zur Tür, das dunkelbraune, leicht gelockte Haar fiel über ihre Schulter an ihrem Rücken herab und er konnte es nicht fassen. "Shelley?"

    Sie drehte sich fast ruckartig um und die goldbraunen Augen strahlten ihn an. Der Bruchteil einer Sekunde - und ihm war klar, was ihr Blick bedeutete. Ihm war klar, was das heißen würde und ein schmerzhafter Druck baute sich in seiner Magengegend auf. Er würde - hoffentlich zum letzten Mal - einen Menschen enttäuschen müssen.

    ***

    "Nein! Nein..." entfuhr es ihr, doch ihr Blick musste verraten, dass sie genau das Gegenteil hatte sagen wollen. Sie hatte nicht mehr damit gerechnet - nicht nach all der Zeit. Tränen schossen blitzartig in ihre Augen und das Glück trieb ihre Beine an, die sie - so schnell es ging - in die Richtung der Liebe ihres Lebens trugen. "I-I-Ich... h-hab dich so... ver-misst!", schluchzte sie, als sie sich in Ians Arme warf. Er hatte nach ihr gesucht. Er hat sie gefunden und als Belohnung dafür erdrückte sie ihn fast mit ihrer überschwänglichen Freude. Er hat sie gefunden und das gab ihr die Gelegenheit, all das Versäumte nachzuholen. All die Küsse, die sie sich gewünscht hatte. Dieser eine Satz, den sie nur von ihm hören wollte und dem sie ihm jetzt entgegenwarf.

    "Ich liebe dich, Ian! Ich hab' dich immer geliebt!", ließ sie ihn heulend wissen und hinterließ ihre Tränen im Stoff seiner Kleidung. "Ich hätte dir das früher sagen müssen!" Mit dem Daumen und Mittelfinger der rechten Hand wischte sie sich die restlichen Tränen aus dem Gesicht und sah ihn glücklich an. Doch das Glück erlosch so schnell, wie es gekommen war. Sein Blick verriet ihn, noch bevor er etwas sagte...

    ... und im selben Moment trat eine wunderschöne, rothaarige Frau zu den beiden in das Haus. Ians Hand, die eben noch so warm und beschützend um ihre Hüfte gelegen hatte, entfernte sich von ihr und fasste die Hand der unbekannten Person.

    "Shelley... es... es... das... ist Clover. Sie ist die, die ich liebe!"

    Ihre Welt brach in sich zusammen. Die kurzen Hoffnungen erstarben, bevor sie überhaupt klare Formen angenommen hatten. Es geschah nicht langsam und schleichend, wie in den letzten 28 Monaten, in denen sie sich nach und nach nicht mehr hatte einreden können, dass er irgendwann kommen würde. Nein. Mit einem einzigen, schmerzhaften Ruck riss er ihr das Herz raus, hielt es vor ihr ihre Augen. Es hatte unmittelbar aufgehört, zu schlagen. Die Tränen in ihrem Gesicht liefen nicht weiter, sie stoppten, ließen nur das Gefühl von Leere zurück.

    Sie sah in Clovers Gesicht. Die Schönheit wirkte fast etwas hilflos, kam sich in der Situation wohl falsch vor. Doch der einzige Mensch, der nicht in diese Konstellation gehörte, war sie selbst. Sie, die sie erwartet hatte, dass die Zuneigung, all die kleinen Gesten, die er ihr immer entgegengebracht hatte, über Freundschaft hinausgegangen wären. Dieses Mädchen machte ihn glücklich - und nicht Shelley.

    "Es tut mir Leid. Ich wollte nicht...", begann sie, doch verstummte. Es war nicht die Zeit für Worte. Sie brauchte keine Worte, um sich und anderen die Situation zu erklären. Keine Worte - bis auf: "Ich bin wirklich, wirklich froh, dass du glücklich bist!" Und es war ihr voller Ernst.

    Nach einer Weile setzten sie sich. Shelley hatte Tee gekocht und den beiden nach ihrer offensichtlich langen Reise ein paar Beeren und Ähnliches in eine der großen Schüsseln gefüllt, die sie selbst getöpfert hatte. Sie erzählte Ian und Clover von ihrer Flucht aus Sydney und auch von den beiden erfuhr sie, was für ein Abenteuer sie hinter sich gebracht hatten, um der Gefahr zu entfliehen, erfuhr auch, wie lang die Suche nach ihr gewesen war. Ein bitteres Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Es war schön zu hören, dass sie ihm - nach wie vor - wichtig genug war, um solche Anstrengungen auf sich zu nehmen - auch, wenn er ihre Liebe nicht erwiderte.

    Sie blieben über Nacht und schliefen im Dorf. Shelley genoss jeden einzelnen Moment, den sie noch mit Ian hatte verbringen können. Denn sie wusste, dass er am nächsten Tag abreisen würde. Sie hatten viel vor, wollten weiter, vielleicht andere Inseln besuchen - genau wusste sie das nicht. Was sie wusste war, dass für sie kein Platz mehr in seinem Leben war.

    So stand sie am Strand und hielt Ians Hand ein letztes Mal, sah ihm in seine Augen. Die Augen, in die sie sich seit dem ersten Moment verliebt hatte. Sie waren schöner als je zuvor, denn sie strahlten vor Glück. Sie trugen das Glück in sich, welches ihren Augen fremd geworden war, welches er nur für wenige Sekunden wieder entfacht hatte, bevor es vielleicht für immer erlosch.

    "Wir werden uns wiedersehen, Shelley!"

    "Versprich nichts, was du nicht halten kannst!", erwiderte sie mit dem immergleichen, bitteren Lächeln, bevor sie sich an Clover wandte.
    "Pass auf ihn auf, ja?", hauchte sie schwach. Ians Freundin lächelte und nickte sanft.

    Die beiden verließen die Insel und Shelley setzte sich auf den hellen Sand, blickte hinaus auf das Meer. Wie ihre Zukunft aussehen würde, war ihr nicht klar. Vielleicht würde sie hier bleiben und den Leuten auf der Insel helfen. Vielleicht würde es sie auch woanders hinziehen. Sie hatte von einer Militärbasis gehört, in der Leute gebraucht würden, die helfen wollten. Sie wusste es nicht. Sie versank nur in Gedanken und summte diese Melodie, die ihr in den Kopf gedrungen war, während die stichelnden Strahlen der gleißenden Mittagssonne in ihr leeres Gesicht fielen, auch die letzten Tränen aus ihren Augen herauskitzeln wollten.

    Love of my life, my soulmate
    You're my best friend
    Part of me like breathing
    Now half of me is left

    Don't know anything at all
    Who am I to say you love me
    I don't know anything at all
    And who am I to say you need me

    Color me blue I'm lost in you
    Don't know why I'm still waiting
    Many moons have come and gone
    Don't know why I'm still searching

    Don't know anything at all
    And who am I to say you love me
    I don't know anything at all
    And who am I to say you need me

    Now you're a song I love to sing
    Never thought it feels so free
    Now I know what's meant to be
    And that's okay with me


    Ihre stillen Tränen hinterließen lächerlich kleine Flecken auf dem weichen Untergrund. Ihre Hände griffen nach den feinen Körnern neben ihren Beinen und sie ließ sich den Sand durch die zitternden Finger gleiten. Sie hatte ihn für immer verloren. Aber sie hatte die Gewissheit gewonnen, dass er lebte und glücklich war.

    Was will ich mehr?

    Geändert von MeTa (11.07.2013 um 16:24 Uhr)

  8. #8
    Niki saß die Tage still in der Ecke. Er beschränkte sich lediglich auf seine Grundbedürfnisse und lag tagelang auf Boden. Manchmal lehnte er sich sitzend an die Wand oder schaute aufs Meer hinaus. Wie an dem Tag, an dem sich die meisten schon auf dem Weg woanders hin machten. In der Ferne sah er die Leute, mit denen er seine letzten Tage verbrachte. Deprimiert zog er sich zurück und beobachtete die Leute, die vom Schiff aus auf die Insel gingen. Sie wurden streng bewacht. Überall schwer bewaffnete Soldaten und tödliche Einrichtungen, die installiert wurden. Bei jedem Atemzug hatte er Angst, er würde jetzt erschossen werden. So streng waren die Bedingungen...

    ...und das hätte ihm immer bewusst sein müssen. Es war nur ein kurzer Augenblick, den er hätte verpassen müssen, als er eine blonde Frau mit grünen Augen und gebundenem Haar davongehen sah. Ihr Gang war sehr locker, an ihrem Arm trug sie einen silbernen Reif, den sie von ihrer Urgroßmutter weitervererbt bekam...

    "...Alexis...?"

    Ohne Zweifel, das war sie. Wie sie dann noch den Soldaten anschnauzte, der ihre Gruppe begleitete, weil er sie streng beobachtete. Das war sie. Ohne Zweifel.

    "Alexis! ALEXIS!!", rief er. Die betroffene Frau schaute sogar seltsam herum, kam aber nicht auf die Idee, auf das Schiff hinauf zu schauen. Diese Reaktion löste es in Niki aus. 100%ig davon überzeugt, endlich seine Ziehmutter gefunden zu haben, lief er in Richtung Steg. Der Steg, der nur von bewaffneten Soldaten wimmelte, von gefährlichen Geräten, die den Tod bedeuteten, von Türmen, auf denen ein blutdurstiger Scharfschütze wartete... und vor allem... von ungeschulten, nervösen Neulingen, die nur darauf warteten, jemanden legal erschießen zu können.

    "Alexis!", sagte er, als er durch die Menge rannte.
    "Alexis!!", rief er, als er die Soldaten wegtieß, die ihn darauf aufmerksam machen wollten, dass er nicht hier durch dürfte.
    "ALEXIS!!", schrie er, als er beim Schiffsausgang einen paranoiden Anfänger zur Seite schob, der ihn festhalten wollte, als er weiter voran lief.
    "A... Alex... is...", hechelte er, als er sah, wie Alexis in der Ferne immer weiter weg mit ihrer Gruppe wegging und das Bild verschwamm, kurz, nachdem der besagte Soldat ihn mit voller Wucht anschoss.
    "Scheiße, was sollte das, Soldat?!", hörte er von einem offenbar mittelälteren Mann mit aggressiver Stimme, als ihm schwarz vor Augen wurde...

    /// ~ ~ ///

    Er spürte nicht einmal den Schmerz. Nichts merkte er. Es war nur plötzlich wenige Minuten komplett dunkel um ihn herum. Dann nahm er den Geruch von Medizin wahr. Er öffnete seine Augen und war sofort geblendet von der Deckenlampe. Verwundert darüber, dass er sich an das Licht gewöhnen musste, versuchte er sich aufzurichten. Doch dann fuhr ein Schmerz durch seinen Körper beim Versuch, zumindest aufrecht zu sitzen. Er lag eine Weile da und hörte nur ein metronomisches Piepsen. Sein Körper war im Brustbereich verbunden, an den Händen wurde ihm Blut und Wasser durch Nadeln eingeflößt. Er trug außerdem eine Mundmaske. Sekundenlang war er nicht dazu fähig, klare Gedanken zu fassen, doch mit einem Mal war ihm klar, in was für einer Lage er sich befand. Dann hörte er, wie eine Tür sich langsam öffnete und ein älterer Herr das Zimmer betrat. Er mumelte etwas vor sich hin und sah kurz über sein Klemmbrett. Niki versuchte zu ihm herüber zu blicken, war jedoch nicht dazu fähig. Doch dies war gar nicht nötig, denn in seinem rechten Blickbereich sah er plötzlich einen Mann mit einem Laborkittel neben ihm stehen, der ihn genau in die Augen schaute.

    "Donnerwetter noch eins. Dass ich das noch erleben darf. Und wir wollten schon bald die lebenserhaltenen Maßnahmen abschalten... Sie haben wirklich Glück, wissen Sie das? Sie hätten nur wenige Wochen weiter so bleiben müssen. Gut, dass Ihnen drei Jahre offensichtlich genug waren."

    Geändert von Ligiiihh (10.09.2012 um 21:00 Uhr)

  9. #9
    Das kleine Lokal, das ein beeindruckendes Ambiente dafür, dass es auf einem Schiff war, aufwies, schien gut besucht. Zumindest an diesem Tag gab es wenig freie Plätze und die Sitze an der Bar waren voll belegt. Es gab tatsächlich einen kleinen Bereich, der wohl für Abendunterhaltung zur Verfügung stand, zumindest stand in einer Ecke ein Mikrofonständer neben einem kleinen Lautsprecher.
    Clover zögerte nicht lange, schlängelte sich durch die Gäste und schaltete die Box an. Ein unangenehmes, kurzes Rauschen folgte und die Menschen im Lokal zuckten zusammen. "Was zum-", hörte man den wütenden Ausbruch des Mannes hinter der Bar, aber mitten im Satz schien ihm die Luft wegzubleiben.
    Alle starrten die rothaarige Frau an, die nun nervös eine sehr mitgenommen aussehende Gitarre in die Hand nahm. Erster Auftritt mit sechs Saiten. Na dann mal los.

    Believe in Dreams

    ~~~

    Ian und Clover hatten mehr als zwei Jahre damit verbracht, nach Shelley zu suchen. Lange waren sie rastlos umhergezogen und während den unzähligen Schiffsfahrten hatte Clover eine Gitarre erstehen können. Nachdem sie ihre Ukulele damals liegengelassen hatte, hatte sie fieberhaft nach Ersatz gesucht, aber in Zeiten wie diesen war es nicht einfach, genau das aufzutreiben, was man suchte. So hatte Clover viel Zeit damit verbracht, sich Gitarrengriffe beizubringen. Ian war der einzige, der ihr dabei zuhören durfte. Wenn er einmal mehr nahe dran war, die Hoffnung wegen Shelley beinahe aufzugegeben, hatte sie sich sogar ab und zu überwunden, ihm mit ihren holprigen Gitarrenkünsten komplette Lieder vorzuspielen.
    Am Ende hatte sich die Reise jedenfalls gelohnt - sie hatten Shelley gefunden. Auch wenn die Begegnung Clover mit einem gewissen Schuldgefühl behaftet hatte, war es doch der notwendige Schritt gewesen, um eine gemeinsame Zukunft verbringen zu können. Und diese sollte es auf jeden Fall geben - während der zahlreichen Monate hatte es genug Zeit gegeben, um die Wunden der Vergangenheit zu erläutern und vielleicht sogar zu heilen. Clover wollte ohne Zweifel ihr ganzes restliches Leben mit Ian verbringen.

    "Und wo?" Ian setzte gerade das erste Mal seit Tagen einen Fuß an Land und reichte Clover die Hand, um sie im Getümmel nicht zu verlieren. Die Häfen waren für ihre geringe Größe in letzter Zeit immer recht überlaufen - hauptsächlich von Menschen, die weg wollten. "Am besten weit fort, schätze ich.", antwortete Clover lächelnd. "Du hast gehört, wie düster es aussieht, wir sollten wirklich langsam aus der Gegend hier verschwinden. Jetzt, wo wir auch wirklich hinkönnen, wo wir wollen." Sie strich Ian über die Wange, damit er wusste, dass es nicht so hart gemeint war wie es klang. Aber er wusste es ohnehin. Inzwischen verstand er sie auch ohne Worte.
    "Dann lass uns mal sehen, welches Schiff von hier das entfernteste Ziel hat und wir sind auf und davon!" Ian wollte Clover an der Hand weiterziehen, doch sie schien plötzlich wie versteinert. Er folgte ihrem Blick, der sich auf eine Richtung fixiert hatte und Sekunden später stand ihm der Mund offen. "Ist das..." "Josh."

    Josh war am Ende seines Tagwerkes angekommen und glücklich seinem Feierabend entgegengerannt, begleitet vom Klimpern des frisch verdienten Geldes in den Tiefen seiner sonst inzwischen leeren Tasche. Erneut hatte ein Passagierschiff seine bunte Fracht an Land gespuckt und der Hafen war vollkommen überlaufen. Joshua, der gegen den Strom der Menschenmenge gelaufen war, hatte sein bestes getan, den Menschen auszuweichen, doch in einem derartigen Gedränge achtet niemand auf ein mageres, elfjähriges Kind mit einer Irenmütze und so war er nicht umhingekommen, unschöne Bekanntschaften mit Kofferkanten und Ellenbogen zu machen. Unsanft an die Seite gedrängt, spürte er schließlich den Handlauf einer Absperrung im Rücken.
    Aber ja doch...
    Mit einem Satz war er oben gewesen und nun balancierte er seinem Ziel entgegen, den Kopf für alle sichtbar einen guten halben Meter über der Menschenmenge. Da vorne sah er schon die "Little Ireland". Die Neuankömmlinge strömten wie ein Fluss an ihm vorbei. Plötzlich sah er aus den Augenwinkeln heraus etwas, das ihn irritierte. Er hätte es jedoch nicht näher beachtet, wenn er nicht zwei ihm bekannte Stimmen gehört hätte, die seinen Namen aussprachen.

    Er fuhr herum und sah einen roten Schopf in der Menge aufleuchten, darunter ein ihm bekanntes Gesicht. Direkt daneben ein zweites. Seine Kinnlade sackte herunter. Das konnte doch nicht... nein... kein Zweifel. "Clover! Ian!"
    Der Junge sprang von der Brüstung und stolperte geradezu in das junge Pärchen hinein. Lachend und fassungslos umarmte er sie. "Dass ihr ausgerechnet hier seid, zur selben Zeit wie ich... Drei Jahre!" Er war außer sich vor Freude.
    "Josh! Du bist so groß geworden! Es ist so gut, dich zu sehen!", Clover umarmte ihn gleich noch einmal.
    "Wo sind die anderen? Léo, Noah, Alistair, geht es ihnen allen gut?"
    Wie ein Keil standen die drei in dem Strom aus Menschen und wurden unsanft hin und her geschubst. Aber es war ihnen egal.
    "Oh ja! Es geht ihnen gut, wir denken oft an euch. An alle. Kommt mit mir, ihr müsst sie unbedingt wiedersehen. Wir wollen morgen schon wieder ablegen!"
    "Ablegen? Wohin?", fragte Clover etwas atemlos.
    "Na... Überall hin. Wohin ihr wollt." Joshua lächelte. "Wir haben mit einigen anderen eine Zigeuner-Flotte gegründet. Unser eigenes kleines Irland, als das alte... vor die Hunde ging." Er sah die beiden eindringlich an, "Ich kenne nicht eure Pläne und ich weiß nicht, was euch hier her führt, aber ihr wisst, ihr seid jederzeit willkommen."
    Ian und Clover wechselten einen Blick. Es ging alles so schnell. Das Schicksal drehte in diesen Zeiten häufiger als der Wind. Sie sahen einander in die Augen und wussten, dass sie beide dasselbe dachten.
    Schmunzeln.
    "Du bist also Teil dieser Zigeunerflotte, du kennst die Sicherheitsvorkehrungen..."
    "...und bestimmt auch einen Weg, zwei Erwachsene da unbemerkt raufzubringen?"
    "Aber ja.", der Junge klang irritiert.
    Clover kicherte.
    "Wenn das so ist, Josh, dann hätten wir eine Bitte an dich."

    ~~~

    Das Lied war vorbei und Clover legte die Gitarre nach den letzten Akkorden behutsam neben den Lautsprecher und das Mikrofon. Danach richtete sie sich auf und blickte zur Bar. Ohne ein weiteres Zögern stürmte sie zu dem Mann, der sie immer noch verwirrt anstarrte und fiel ihm um den Hals. Alistair hatte sich kaum verändert, seine Bartstoppel kratzten an Clovers Wange und ein leichter Geruch nach Alkohol ging von ihm aus. "Das hat mir irgendwie gefehlt.", hauchte die Sängerin und Tränen waren ihr in die Augen gestiegen. "Verdammt Mädchen, ich dachte schon, heute hätte ich es eindeutig übertrieben.", murrte Alistair, als er offenbar erkannt hatte, dass er nicht an Halluzinationen litt und Clover nun auch drückte. "Wie bist du denn hierher gekommen?" "Mit Glück.", antwortete Clover, als sie sich von ihm löste und klopfte ihm auf die Brust. "Mit wirklich viel Glück." Sie lächelte ihn an und wischte sich eine kleine Freudenträne aus dem Gesicht.
    "Bist du alleine?", fragte der Ire dann mit hochgezogenen Augenbrauen. Die Sängerin schüttelte den Kopf und deutete zum Eingang des Pubs, wo Ian gewartet hatte. Er stand dort allerdings nicht mehr alleine. Er hatte ein Mädchen auf dem Arm, das sich seelig an ihn kuschelte, während Josh und Noah um die beiden herumtänzelten und aufgeregt auf sie einredeten.
    Alistair machte einen knurrenden Laut, der allerdings nicht bedrohlich oder enttäuscht, sondern eher zufrieden klang. "Willst du sie nicht auch begrüßen?", fragte er und schob sie sanft in die Richtung der fröhlichen Truppe.

    Ian setzte Léo wieder auf dem Boden ab, als er Alistair und Clover erblickte. Clover brachte kein Wort heraus, als sie Léo musterte. Sie war ziemlich gewachsen und hatte auch ein kleines bisschen den unschuldigen Ausdruck in ihren Augen verloren. Als ihr Blick die Sängerin traf, fühlte sie sich all die Jahre zurückversetzt zu dem Moment, in dem das kleine Mädchen ihr das Wichtigste geworden war. Der Mensch, für den es sich zu kämpfen gelohnt hatte und der nun nach langer Zeit wieder vor ihr stand und ihr das strahlendste Lächeln schenkte, das man sich nur vorstellen konnte.
    Clover musste sich nicht einmal mehr richtig bücken, um Léo in die Arme zu schließen. Augenblicklich schossen die Freudentränen zurück in ihre Augen und bahnten sich unaufhaltsam den Weg über ihre Wangen. Sie drückte das Mädchen so fest sie konnte und in dem Moment fühlte sie sich, als müsste sie jemand schon gewaltsam fortreißen, um Léo jemals wieder loszulassen.

    Nachdem Ian Lèo abgesetzt hatte und eine Weile mit einem Grinsen das emotionale Wiedersehen von ihr und Clover betrachtete, fiel sein Blick auf den Iren, der die rothaarige Sängerin eben noch zu ihnen geschoben hatte. Ian war sich stets bewusst gewesen, dass er sich auch - und ganz besonders - auf ein Wiedersehen mit Alistair freute, seit sie durch Zufall von Josh aufgegriffen wurden. Der grobe, auf den ersten Blick unsensible Kerl hatte damals dafür gesorgt, dass Ian an sich selbst zweifelte - und das war der Grundstein für die Kraft gewesen, die er in den letzten 3 Jahren entwickeln musste. Deshalb wandte er sich jetzt auch an ihn. "Hey!"

    Alistair blickte auf Ian. Er schien sich verändert zu haben, zumindest äußerlich. Er nickte zum Gruß nur knapp und verschränkte dann die Arme vor der Brust, als er ein Ziehen an seinem Hemd spührte und Noah neben ihm stand und erwartungsvoll zu ihm aufblickte. “Bleiben die zwei jetzt bei uns?
    Der Ire schaute zu Clover, und dann wieder zu Ian. Besonders Leo freute sich über das Wiedersehen.
    Auch Ians Blick wurde neugierig. "Jaa - bleiben wir zwei jetzt hier?", fragte er und lächelte, um keinen Zweifel daran zu lassen, dass das zumindest sein Wunsch wäre.

    Alistair schaute in die leuchtenden Kinderaugen, zog sich die Mütze vom Schädel und kratzte sich am Kopf. Dann knurrte er kurz und verschränkte wieder die Arme vor der Brust.
    Meinetwegen”, brummte er und wandte sich dann wieder an Ian, “Hast es ja immerhin bis hierher geschafft und dafür gesorgt, dass auch Clover bis jetzt überlebt hat.” Er entspannte sich und ließ die Arme locker runter hängen. “Aber jeder der uns begleiten will, muss auch zum Wohl der Gemeinschaft beitragen, deshalb solltet ihr euch geeignete Jobs suchen.

    Breit grinsend nickte Ian. "“Klar! Hast du da was für uns im Kopf?”
    Alistair sah sich um.
    Nimm’s mir nicht übel, Ian, aber mir wär es lieber, wenn ich dich vorerst noch im Auge behalten könnte. Deshalb kannst du mir erstmal hier im Pub aushelfen. Tische putzen, Getränke ausschenken und so nen Kram. Meinst du, du kommst damit klar?
    Der Ire grinste ihn ein wenig schadenfroh an.

    Das Grinsen verschwand nicht aus Ians Gesicht, wurde sogar noch etwas breiter. Vor ein paar Minuten hätte er nicht darauf wetten wollen, überhaupt hier bleiben zu dürfen.
    "Alles, was du willst!", antwortete er und reichte dem Iren seine Hand. "Und Clover?"
    Alistar schüttelte die ihm dargebotene Hand und deutete mit der freien in Richtung Bühne.
    Wir haben ne Musikertruppe hier, die am Abend und zu besonderen Anlässen für Stimmung sorgt. Ansonsten gibt es bestimmt noch andere Kleinigkeiten, bei denen sie ab und an mal aushelfen kann.
    Clover, die Léo nun doch noch losgelassen hatte, strahlte Alistair und Ian an, unfähig zu entscheiden, wem sie zuerst um den Hals fallen sollte. Schließlich entschied sie sich für Alistair und hauchte ihm ein "Danke!" ins Ohr. Danach küsste sie Ian überschwänglich und blieb schließlich eine Weile in seiner Umarmung stehen. Ihr fiel kein Moment ein, in dem sie glücklicher gewesen war. Die Zukunft konnte kommen.

    ~~~

    Es waren einige Wochen vergangen, als Clover ein weiteres Mal in Alistairs Pub vor dem Mikrofon stand. Inzwischen hatten Ian und sie sich gut eingelebt - er machte ohne Widerworte alles, was Alistair ihm auftrug und der Ire schien wirklich zufrieden mit seinem Helfer zu sein. Die Sängerin hatte indessen viel Zeit mit den Musikern auf dem Schiff verbracht und war dort auf richtige Virtuosen gestoßen. Gerade im Gitarrenspiel konnte sie richtige Fortschritte machen und nun war der Zeitpunkt gekommen, etwas zu wagen, das schon drei Jahre lang in ihrem Kopf herumgeisterte.
    Nachdem die rote Ukulele damals auf dem Dach zurückgelassen werden hatte müssen, war es Clover nicht mehr möglich gewesen, ein Versprechen einzuhalten. Zwar war es nur ein Satz im Crown Hotel gewesen, doch die Sängerin hatte nicht vergessen, worum Tess sie dort gebeten hatte.
    In den vier Tagen nach der Rettung auf dem Schiff hatte Clover es nicht hinbekommen, ohne Instrument "Dust in the Wind" zu performen, aber einige Zeit später erkannte sie auch, dass es selbst mit der Ukulele schwierig gewesen wäre.

    Jetzt, nach einiger harter Arbeit, wollte Clover das Versprechen endlich einlösen. Sie wusste natürlich, dass Tess niemals davon erfahren würde, aber ihr unerschütterlicher Optimismus ließ sie in dem Glauben, dass sie es trotzdem irgendwie spüren würde - wo immer sie auch war.
    Es ging jetzt auch nicht darum, einer einzigen Person ein Lied vorzuspielen, sondern dieses Lied für jeden zu singen, der sie auf ihrem Weg aus Sydney begleitet und gerettet hatte. Egal wo sie alle nun waren, ob tot oder meilenweit entfernt, man durfte sie und alles was sie getan hatten niemals vergessen.
    Niemals hatte sie all denen danken können, die es überhaupt ermöglicht hatten, dass sie nun am Leben war und hoffnungsvoll in die Zukunft blicken konnte - mit Menschen, die sie liebte.

    Dust in the Wind

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