Es gab so viel, auf das Ian hätte antworten wollen.
Ein kurzes, gezwungenes Grinsen legte sich auf sein Gesicht, als Clover ihren Kopf an seiner Schulter abstützte. Er war nicht unberechenbar. Er war das ziemliche Gegenteil. Er wusste genau, wann er wieder werden würde wie damals. Wenn einem unschuldigen Menschen etwas passiert... Weil das alles war, was Versager wie er tun konnten, um den wirklich wertvollen Menschen auf dieser Welt ein lebenswertes Leben zu ermöglichen. Er machte sich nichts vor - er hatte ein lebenswertes Leben, das hatte er immer gehabt, trotz all der Härte und Schmerzen. Aber warum? Warum durfte ein gesichtsloser Niemand wie er leben, während die wichtigen Menschen ein zu frühes Ende fanden oder zu lange Zeit in einem Käfig blieben. Er hatte sich seinen Käfig selbst gebaut.
Die Luft schmeckte jetzt bitterer als noch zuvor. Bitter, aber doch immer noch süß. Eine süße Intensität, die er nicht verdient hatte.
Warum ich nicht mit Lèo geredet habe? Blöde Zufälle und die Angst, sie wieder in Gefahr zu bringen. Wie im Hotel, als sie verstecken gespielt haben und er für einen Moment das Gefühl hatte, sie zu verlieren. Durch seine Unachtsamkeit. Dadurch, dass er ein Versager war, der immer ach so tolle Pläne hatte, die nie aufgingen. Im Truck hatte Tess mit ihm reden wollen, weswegen er nicht zu Clover und Lèo gestiegen war. Weil er ein Versager war, der sich nicht durchsetzen konnte. Dann im Royal Botanic Garden ging alles so schnell. Er hatte den Kran untersucht, Clover von seinen Gefühlen erzählen wollen und war von Helenas Geständnis abgelenkt worden, hatte keine Zeit für Lèo. Nichts - außer diesem kleinen, unpersönlichen Funkspruch. Weil er ein Versager war, der große Erwartungen weckte und diesen nie gerecht werden konnte. Ein Versager, der immer gute Absichten hatte, diese aber nie umsetzen konnte.
Wenn du Erwartungen in Menschen weckst und diese enttäuschst, machst du sie niedergeschlagener als zuvor.
Ians Augen brannten schmerzhaft, aber sie waren nicht in der Lage dazu, Tränen entweichen zu lassen. Er hatte jetzt verstanden, was Alistair meinte.
Ich bin falsch. Ein falscher, egoistischer Versager, der Hoffnungen weckt und sich selbst belügt, obwohl er inzwischen wissen sollte, dass nie etwas klappt. Seine Absichten waren nicht gut. Sie versteckten sich nur hinter einer guten Fassade, von der er sich selbst täuschen ließ. Eine Fassade, die schon vor langer Zeit bröckelte und in der letzten Woche endgültig in sich zusammengefallen war.
Warum Papa nie für dich da war? Weil du es nicht wert warst und er das erkannt hatte. Shelley war in blinder Loyalität an seiner Seite geblieben, weil sie der Fassade geglaubt hatte. Weil sie glaubte, dass in ihm der Junge steckte, der Kindern und Schwachen half. Robin Hood, der sich um die Schwachen kümmerte und sich zwischen sie und die Starken stellte, sich vormachte, das Übel der Welt von all den Schwachen fernhalten zu können, die graue Welt im Angesicht der Kinder weiß zu färben, um ihnen die Illusion zu präsentieren, an die er selbst nicht mehr glauben konnte.
Er hatte stets mehr kaputt gemacht, als er reparieren konnte. Weil er zu viel reparieren wollte. Ehrlich wäre gewesen, sich nur um das zu kümmern, was er ändern konnte. Ehrlich wäre gewesen, sich keine Fassade aufzubauen, die nur ihm half, die alles um ihn herum, all die guten Menschen, nur tiefer in das Verderben stürzte. Ehrlich wäre gewesen, sich nicht auf Absichten zu verlassen, sondern wirklich etwas zu erreichen.
Es gab so viel, auf das Ian hätte antworten wollen. Aber er blieb stumm.
Vielleicht würde sie aus ihm einen guten Menschen machen. Einen Menschen, der wirklich half und dies nicht nur wollte.
Sie war die einzige, die das schaffen könnte. Die einzige, die die Liebe in ihm weckte, die ihn selbstlos werden lassen könnte.
Sie. Der reinste Mensch der Welt. Der Engel von D52.