"Hei. Was machen die beiden da? Leute passt auf den Gehsteig... Oh. Zu spät. Aber hei, der Ire ist echt einfach atemberaubend! So nen Koloss auf sich zu haben ist sicher nicht so wirklich... na dann läuten wir doch mal die erste Runde ein Jungs!“ Tess imitierte lachend das Geräusch eines Kampfgongs. „Und beide liegen im Staub, der Ire Mjöllnir haushoch überlegen, lässt unsrem Neuzugang Chickenwing keine Chance. Doch was ist das? Schiedrichter! Das geht eindeutig unter die Gürtellinie! Aber... interessant, in der Tat. Ian liegt also gerne oben, hm? Jedenfalls... grade als der Wettkampf entschieden war, der Gegner festgenagelt - da ... oh my... mit Zunge. Junge, Junge. Was sagen wohl die Zuschauer dazu?“ Tess hielt ein imaginäres Mikro in Richtung von Clover und „kommentierte“ munter weiter. „Aber wies scheint liegt auch Alistair gerne oben. Nun... was sagen die Kontrahenten nach dieser spannenden ersten Runde? Ians Grinsen ist wohl so zu deuten das es ihm gefallen hat... aber unser Champion sieht ganz und gar nicht erfreut aus.“
Dob neben ihr kicherte verhalten in Ellens Hand, die sich fest auf seinen Mund presste. Er lief knallrot an und einzelne Lachtränchen sammelten sich in seinen Augen. Das machte die Situation nur noch lustiger. Auch ohne Drogen. Es war einfach... zu gut.
"Whisky!" Seine Stimme klang auch ganz und gar nicht erfreut.
Tess kringelte sich vor Lachen, als der Ire zurück zur Gruppe stapfte. Für sie war das einer der Höhepunkte dieses abgefahrenen Trips. „Muhahaha... Alistair, hast du nen Frosch geküsst? Der Zungenschlag Mann, irre, einfach nur... baaah. Hihihihi.“ Sie kullterte glückselig am Boden herum, während Lachtränchen über ihre Wangen flossen. "Ihr macht doch sicher noch ne Runde zwei, oder Ire? Na komm, das kannst du doch nicht auf dir sitzen lassen Großer. Tihihi."
Tess kugelt sich immer noch am Boden und rang lachend nach Luft, während Alistair den Whisky öffnete, ansetzte und mit dem ersten Schluck kräftig den Mund ausspülte und dann auszuspeien.
"Ihr macht doch sicher noch ne Runde zwei, oder Ire? Na komm, das kannst du doch nicht auf dir sitzen lassen Großer. Tihihi."
"Darauf kannst du Gift nehmen, in der zweiten Runde zeig ich ihm wo der Hammer hängt."
Auch wenn er noch so ernst schaute, Tess musste nur noch mehr lachen und versuchte dabei so leise wie möglich zu sein.
"Ich kann nicht mehr", presste sie piepsend hervor und wischte sich Freudentränen aus dem Gesicht.
"Wa...?", wollte der Ire Fragen als es ihm dann selbst auffiel, "Jaja, schon gut."
Alistair konnte darüber nicht lachen. und trank grimmig einen Schluck aus der kleinen Flasche, die damit schon zu dreivierteln geleert war.
Dann stapfte er zur Hafenbucht und kippte sich auch den Rest in den Hals, um dann die leere Flasche ins Wasser fallen zu lassen.
"Blöder Penner", murmelte er als jemand an seiner Hose zog.
"Alles ok?", hörte er Noah sagen. [Oh gott, hoffentlich hat das Spektakel keiner von den Jungs gesehen.]
Es schien zumindest so, als interessiere es die beiden nicht.
Joshua stand hinter seinem Bruder und rieb sich müde die Augen. Der Ire räusperte sich und setzte sich dann auf die Kante der Bucht.
"Klar, alles in Ordnung. Ihr seht müde aus."
"Josh schon."
Noah lächelte seinen Bruder an, der schläfrig zurücklächelte.
"Wir habens fast geschafft", ermutigte der Ire die beiden, "ab hier wird uns nichts mehr aufhalten."
Ja, fast war es soweit. Die Rettung der beiden war zum greifen Nahe. Abby konnte unbesorgt sein, wo immer sie jetzt auch sein mochte.
Leos Stimme unterbrach ihn in seinem Gedankengang. Sie kam auf die beiden Jungs zu und fragte sie, ob sie ihr helfen wollten, bei was genau, bekam er nicht mit. Jedoch lächelte Alistair der kleinen zu und sah den dreien dann fröhlich hinterher, als sie abzogen.
Abby. Auch wenn ihr Tod ihn am meisten schmerzte, war sie nicht die einzige, die sie zurücklassen mussten. Die ersten unter ihnen waren ein Weißrusse, Nikita wie er später erfuhr, der Kerl, dem er am Flughafen geholfen hatte, indem er den Amerikaner von ihm runter geholt hatte und Mike, ein weiterer Amerikaner. Er kannte ihn nicht wirklich. Aber er war seine Wahl für einen Anführer gewesen. Auf dem Schrottplatz kamen dann drei weitere auf die Liste. Travis, Ryan, Kekoa. Alle hatten sie sich für die Gruppe geopfert, damit sie überlebt. Dann die Kanalisation und ... Abby. Er wünschte er hätte sie besser kennen lernen können. So eine Frau hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Alistair lächelte. Eine Frau die ihn aus dem Latschen zu hauen vermochte. Im Hotel lief es deutlich glimpflicher für alle ab. Wie ein Paradies, über das eine höhere Macht schützend seine Hand zu halten schien. Immerhin hatte es selbst ein betrunkener Suparman geschafft ohne auch nur einen Kratzer durch die frei umherlaufenden Gruppen von Untoten zu laufen. Der Ire grinste. Vielleicht hatten sie ihn auch einfach nicht als Mensch identifizieren können, so wie Tess, die ins Lagerhaus ging und dort das Geld fand, mit dem sie sich dann dank Ellen die LKWs besorgen konnten.
Das Militärlager war eine andere Sache. Den Tod von Michail hatte er nicht wirklich mitbekommen, aber er schien sich für das andere Team geopfert zu haben, während Alistair zusammen mit Riley und Axel für ihre Gruppe den Weg freiräumten. Axel, umgebracht von einem Verräter. Alistair hatte Tess seine hilfe versprochen. Als ob es nicht schon genug gewesen wäre forderte die Flucht aus der Militärbasis, die Rettung vor der Bombardierung auf die Boote, ein weiteres Opfer. Isabelle, ihre alte Anführerin, ein noch so junges Mädchen. Und dann diese verdammte Mauer. Ethan, Dani, Andris. Alle drei tot. Der Ire biss die Zähne zusammen. Und dann waren da noch Riley, Cyrillus, Helena und Sanders, die für sie zurückgeblieben waren. Was aus ihnen wurde, wusste er nicht. Jedenfalls schien es vorerst ein Ende zu haben. Fast. Eine Sache gab es noch die getan werden musst ...
Er blickte zu Tess hinüber. Das Funkgerät. Verdammt nochmal, er würde dafür sorgen, dass es keine Toten mehr gibt. Er würde der ADF die Chance geben sich zu revanchieren!
Bevor Ian irgendwie reagieren konnte, war Clover schon wieder gegangen. Na klar - nur sie konnte es schaffen, das Grinsen aus seinem Gesicht zu wischen. Mit einer Ohrfeige und einem - für ihre Verhältnisse - ungewöhnlichen Spruch. "Ich versteh' hier gar nichts mehr.", murmelte er, während er langsam in Richtung des Wassers lief. "Mich selbst am weni... we.. oh shit!" Er war gerade am Kai angelangt, als er sich in hohem Bogen in das Wasser übergab und auf die Knie sank, sich dabei mit den Händen gerade so am Rand abstützte, um nicht hineinzufallen.
Erst nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigte sich sein Magen wieder und ein erschöpftes Grinsen setzte sich auf sein Gesicht. "Selber Schuld, Alter! Nichts essen und 'nen Grizzly küssen." Einige Meter weiter suchte er sich eine Stelle, an der das Wasser einigermaßen sauber schien, schöpfte es, halb über dem Land hängend in die Hände und spülte sich mehrere Male den Mund aus. Als er wieder aufstand, sah er sich um.
Da hinten, irgendwo halb versteckt hinter Niki, stand sie. Und er fühlte sich danach, zu ihr gehen zu müssen, ihr irgendetwas zu sagen. Also stapfte er in ihre Richtung, erblickte dabei einen Alistair, der eine Whiskyflasche ins Wasser warf und danach zu den beiden Kindern vom Dach stapfte, sowie eine Tess, die sich vor Lachen nicht wirklich einkriegen konnte. Warum, wusste er nicht - aber er konnte es sich denken. Schließlich erreichte Ian Clover.
Er begann, etwas dahinzustammeln. "Okay... also... ich weiß... dass das komisch war... aber... ich... was... ich hab ja keine Chance gegen den... und ich wusste auch gar nicht, was er hat... und ich dachte... also... ich habe mir gedacht, dass das vielleicht die einzige Möglichkeit ist... weil... der hätte mich vielleicht... also... es hat ja auch geklappt." Er sah sie fast etwas verzweifelt an. "Bitte sei mir nicht böse... das wäre echt... das ist das Einzige, was ich nicht kann... und..." - für einen Moment dachte er nach. Was wollte sie überhaupt? Er wusste, was er wollte. Aber wie hatte sie sich die Zukunft vorgestellt? Und wäre es nicht fair, wenn sie wüsste, worauf sie sich mit ihm einlassen würde?
"Können wir kurz unter vier Augen reden? Mir liegt was Wichtiges auf dem Herzen! Und ich weiß, wie schnell das hier alles gehen kann... also... würde ich das gerne so früh wie möglich machen."
Joah und Noah hatten sich mit Léo über einen zerflederten Block aus dem Fundus der Brüder gebeugt und kritzelten mit einer spärlichen Sammlung aus Stiften darauf herum. Die kleinen Gesichter waren durchaus ernst und man hörte das gedämpftes Gemurmel der drei, während sie sich eingehend berieten. Drei Köpfe wurden erhoben, die Sache schien entschieden. Léo diktierte Worte, die Joshua mit höchster Konzentration niederschrieb. Er zeigte ihr fragend das Blatt und sie las, nickte ein paar mal, schüttelte dann energisch den Kopf, dass die Locken flogen und ließ ihn einige der Worte verbessern.
Schließlich schienen die drei zufrieden mit ihrem Werk zu sein. Sie stiefelten zur Hafenbucht, wo Alistair, der ebenfalls dort saß, gerade noch einen flüchtigen Blick auf das Werk erhaschen konnte, bevor Noah mit geschickten Fingern ein Papierschiff daraus faltete und es Léo reichte, welche es feierlich den Wellen übergab. Andächtig standen die drei Kinder am Ufer und sahen dem Gebilde nach, wie es auf der Spiegelung des Sonnenaufganges aufs Meer hinausgeschwemmt wurde.
Noah unterbrach die Schweigeminute als erster. Er umarmte überschwendlich Léo und seinen Bruder und begab sich dann an Alistairs Seite, wo er seinen kleinen Kopf an ihn lehnte und lächelnd aus großen blaugrünen Augen zu ihm aufsah. Joshua sah Léo erst fragend an, nahm dann ihre Hand und führte sie stumm an Alistairs andere Seite, wo er sich wie ein Gargoyle niederließ. Der Junge war ausgezehrt vom Fieber und den Strapazen der vergangenen Tage, sah aber schon bedeutend besser aus. Das Fiebermittel von Tess hatte offensichtlich angeschlagen und der fiebrige Glanz seiner Augen war einem wachen, intelligenten Blick gewichen.
Alistair blickte schmuzelnd erst an seine linke, dann an seine Rechte Seite. Es war erstaunlich, wie unterschiedlich die beiden Bruder waren. Joshua strahlte etwas Ruhiges, Beherrschtes, fast schon Berechnendes aus und trug Abbys Zuversicht und Stoizismus in sich, während Noah vor Energie und Leben nur so überquoll, die Welt mitsamt allen Menschen zu lieben schien und gedanklich nie lange an einem Ort blieb. Er hatte Andris zurücklassen müssen, hatte ihm noch vor wenigen Sekunden gedacht und jetzt lächelte er bereits wieder.
Joshua regte sich und riss den Iren damit aus seinen Gedanken.
"Alistair. Wenn wir in Irland sind, bring mir das Kämpfen bei." Es klang nicht direkt wie eine Bitte. Eher wie die Erinnerung an den Absatz eines ungeschriebenen Vertrages. Alistair drehte stirnrunzelnd den Kopf und begegnete wie erwartet Joshuas durchdringendem Blick, der ihm direkt in die Augen sah.
Der Ire betrachtete den älteren Bruder eingehend. Es gab keinen Zweifel daran, dass Noah einmal den größeren, kräftigeren und robusteren Körper besitzen würde. Joshua würde immer schmal, schlank und sehnig bleiben. Andererseits war er flink und fokussiert und vom Wesen her viel eher eine Kämpfernatur, als sein Bruder es war. Und es schien ihm wirklich ernst zu sein.
Oh Mist. Es hatte wohl nicht viel gebracht, sich möglichst unsichtbar zu fühlen. Ian war auf sie zugetreten und stammelte irgendetwas vor sich hin, doch Clovers Blick konzentrierte sich irgendwie mehr auf seine Lippen, die gerade noch vorhin...
Sie schüttelte den Kopf. Schluss damit.
"Können wir kurz unter vier Augen reden? Mir liegt was Wichtiges auf dem Herzen! Und ich weiß, wie schnell das hier alles gehen kann... also... würde ich das gerne so früh wie möglich machen."
Die Sängerin nickte stumm und sah sich um. War schwierig hier einen Ort zu finden, an dem man wirklich unter vier Augen war. Die beiden entfernten sich langsam von dem Rest der Gruppe und Clovers Herz pochte ungewöhnlich schnell. Unter vier Augen reden. Das bedeutete wahrscheinlich nichts Gutes. Es war die Ohrfeige. Oder nein, der dumme Spruch. Ganz bestimmt war es der Spruch. Sie hatte damit bestimmt alles versaut.
"Also, worüber möchtest du reden?", fragte sie mit nicht zu überhörender Nervosität in der Stimme.
"Ich möchte über uns reden", sagte Ian und auch er konnte die Nervosität kaum verbergen, die ihn in den letzten Sekunden übermannt hatte. "Können wir uns setzen? Mir geht's... im Stehen ist mein Magen gerade...", murmelte er und setzte sich. Ein kleiner Stein fiel von seinem Herzen, als auch Clover sich setzte, wobei die Nervösität nicht verschwand. Aber das hatte wohl auch gute Gründe.
"Ich... hab' mich gefragt, wie die Zukunft aussehen kann... oder wird. Ich weiß ja nicht, was noch kommt und wo wir hingehen werden, aber... also... was ich weiß ist, dass - egal wo das sein wird - ich dich in meiner Nähe haben will... immer! Das muss total bescheuert klingen, weil wir uns doch erst eine Woche oder so kennen... aber ich wünsche mir einfach Nichts mehr als das... du bist der Mensch, den ich niemals verlieren will... und... ich frage mich eben, ob du das genau so siehst oder...?!" Er holte einmal tief Luft und spürte, dass das seinem Magen ganz gut tat.
"Aber bevor du deine Entscheidung fällst, möchte ich, dass du weißt, wer ich bin. Weil du verdient hast, das zu wissen und ich keine Antwort von dir erwarten kann, wenn es irgendein Geheimnis gibt." Er streckte seinen Arm langsam aus und schloss seine Hand um ihre, akribisch darauf achtend, ob sie das überhaupt wollte. Wieder entspannte er sich ein kleines bisschen, als er bemerkte, dass sie nichts dagegen zu haben schien.
"Ich bin in Houston, Texas geboren." Wie belanglos, Ian. Warum sollte sie das wissen wollen? "Als ich zwölf war, ist meine Mutter ermordet worden." Na, viel besser. Gleich mit der Tür ins Haus fallen. "Das hat mein Leben verändert... ich bin damit zuerst nicht klar gekommen. Aber... nach einer Weile wurde ich selbstständiger und unabhängiger, auch weil mein Vater eigentlich nie großes Interesse an mir hatte." Er versuchte, keine zu große Emotionalität in seine Worte zu legen. Er wollte kein Mitleid oder irgendetwas in die Richtung. Er wollte nur, dass sie möglichst viel über ihn wusste.
"Als ich die High School beendet hatte, wusste ich nicht genau, in welche Richtung ich gehen möchte. Aber ich hatte die Vermutung, dass ich Kinder mag und sie mich. Also hab' ich für eine ganze Zeit in einem Kindergarten gearbeitet - und es war toll." Kommst du jetzt endlich zum Wesentlichen?
"Aber das hier ist das, was ich dir eigentlich erzählen möchte. Damit du weißt, wer ich bin und die Chance hast, ohne mich weiterzuleben, wenn es dich zu sehr schockiert... und ich verstehe, wenn du mit so einem Menschen nichts zu tun haben willst." Er sah sie an und bemerkte, dass ihr Gesichtsausdruck immer fragender und neugieriger wurde.
"Ich war mit den Kindern und Kollegen für ein paar Tage in einem Camp. An... einem Abend saß ich als letzter am Lagerfeuer und hab' darauf gewartet, dass die Flammen ausgehen und einfach noch ein bisschen dagesessen und die Ruhe genossen. Als ich Schreie hörte, bin ich ihnen gefolgt... und... am Ende sah ich Megan - eines der Mädchen aus meiner Gruppe - mit einem Kerl da stehen. Ich... wusste, was er vorhatte. So, wie er sie ansah und... naja. Ich hab' ihn überwältigt und sie weggeschickt. Und dann... dann war da dieser Hass. Ich konnte nicht verstehen, wie jemand einem kleinen Mädchen... ich... ich hatte mich nicht unter Kontrolle und hab' ihn umgebracht!" Eine stumme Träne trat aus seinen Augen und rannte seine Wangen hinunter. Er sah zur Seite, blickte Clover nicht mehr an. Er wollte keine Angst sehen, keine Abscheu vor ihm und seiner Tat. Nicht in ihren Augen.
"Ich war die letzten dreieinhalb Jahre im Gefängnis. Das war meine Strafe. Und jetzt bin ich hier und lerne dich kennen... und alles ist anders. Es kann... es kann irgendwie kein Schicksal geben... oder Karma... wenn sich irgendjemand ausdenkt, dass ein Mensch wie ich... jemand der sowas getan hat... mit DIR zusammenkommt... und DU mich liebst. Ich versteh' nicht, wie das geht. Ich kann dir nichts geben, außer das Versprechen, dich zu lieben und das Wissen, dass diese Liebe bleiben wird, so lange ich lebe. Und wenn du mich nicht mehr willst, dann hoffe ich nur, dass du jemanden findest, der dich so sehr liebt wie ich und der dich im Gegensatz zu mir verdient hat."
Mit purpurenen Wangen war Léo neben Josh zu den Anderen gelaufen In ihrem Leben hatte sie schon viele Küsse an Männer verteilt: an Papa, an ihre Onkel, an hilfsbereite Fremde, auch Riley hatte einen bekommen. Aber noch nie, niemals hatte sie einen Jungen in ihrem Alter geküsst, weil das ja mal etwas vollkommen Anderes war. Nach ihrer unglaublichen Tat hatte sie Josh er ein paar Momente strahlend angelächelt, dann schockiert, und war dann rasend schnell aufgesprungen, weil sie ja zum Hafen laufen wollten. Sie konnte ihn einfach nicht mehr ansehen, warum genau, wusste sie selbst nicht, es ging einfach nicht. Josh hatte sich stumm bei ihr eingehakt und war mit ihr losgegangen.
Als erstes rannte Noah zu ihnen und fiel seinem Bruder und dann dem Mädchen um den Hals. Léo wirbelte mit dem kleinen Jungen um die eigene Achse und zufällig trafen sich Joshs und ihr Blick. Sofort hörte das Wirbeln auf, ein paar ewige Momente schaute sie in sein leicht gerötetes, hübsches Gesicht und lächelte ihm dann zu. Da war nichts zum Nicht-angucken, sie hatte ihm vollkommen verständlich auf die Wange geküsst, er war ja auch ein lieber Junge. Und sie hatte ihn ja gar nicht auf dem Mund geschmatzt, also war alles in Butter.
Zusammen erreichten sie sehr schnell, unter Rücksichtnahme der Behinderung durch der herumliegenden Sachen und Menschen, den Hafen, der in das warme Licht des Sonnenaufgangs gehüllt war. Nur wo war das Schiff, mit dem sie fahren wollten? Der Gedanke wurde auf später verschoben, denn Onkel Alistair rannte auf die drei zu und sie taten es ihm gleich. Überschwenglich fiel die Begrüßung aus. Nach einem dicken Stirnschmatzer für jedes der drei Kinder sprach Noah das aus, was ihnen allen wohl nun am meisten auffiel:
"Wo ist denn das Boot?"
Léo blickte sich um. Am Hafen war definitiv keines, das hätte man ja schnell gesehen. Viele der großen schauten zum Sonnenaufgang über dem Meer, also tat sie es ihnen gleich und schirmte das Licht etwas mit Rileys tollem Schal ab. Da war etwas…mit zusammengekniffenen Augen machte die Kleine mit ziemlicher Sicherheit ein Schiff aus. Si deutete mit ausgestrecktem Arm auf ihren Fund.
Da vorne, es ist ohne uns los…
Noch einmal glitt ihr Blick umher über das Gelände. Nirgendwo sah sie einen Militärtruck oder einen Mexikaner, der fieberhaft nach seiner kleinen Tochter suchte. War er vielleicht da vorne auf dem Schiff? Aber er würde nie hier wegwollen, wenn sie nicht dabei wäre. Aber vielleicht hatte er auch gedacht, dass sie bereits auf dem Schiff ist und sucht sie jetzt gerade auf ihm. Léo seufzte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass es noch eine ganze Weile dauern würde, bis sie Papa wiederfinden würde. Aber es wird irgendwann klappen, da war sie sich sicher, denn sie hatte ja großartige liebe Leute hier, die ihr bestimmt helfen würde. Auch wenn Onkel Alistair eben gesagt hatte, dass Irland kommen könne für ihn und die Brüder, wo Papa bestimmt nicht war. Außerdem machte sie der Gedanke daran, dass die drei dann für immer von ihr weg waren, unglaublich traurig. Sie schüttelte sich. Nicht mehr traurig sein, das hatte sie sich doch geschworen!
"Hey seht mal was ich hier habe" zog Onkel Alistair sie wieder in die Wirklichkeit. Der Ire gab Noah, Josh und ihr jeweils einen Lollie und Léos Augen begannen zu leuchten, als sie sich die süße Kugel am Stiel in den Mund schob. Noah wirkte jetzt ganz traurig, und während sich das Mädchen umschaute nach dem Rest ihrer Gruppe, hörte sie ihn schniefend sagen:
"Andris, er hat gesagt ... er würde einen anderen Weg finden. E...her passte nichte durch das Loch. Do...hob ha...hatte noch nach ih...him gerufen aber er hat nicht geantwortet."
Ihre Augen weiteten sich. Er hatte Recht, der alte nette Mann war nirgends zu sehen. War Andris jetzt etwa…? So wie Travis und Ryan und Axel? Der Lollie fiel ihr aus dem Mund und landete auf dem Boden. Wie automatisch kam ein Ich bin gleich wieder da aus ihr heraus.
Mit Álvaro und Campanilla dazwischengeklemmt auf dem Rücken ging sie über das weite Hafengelände, auf der Suche nach einem schönen, unbemüllten Platz. Vorne am Hafen erstreckte sich ein kleiner, aber sehr hübscher Strand, sie stolperte fast über einen großen, ovalen, vollkommen glatt geschliffenen hellgrauen Stein und wusste, dass das der perfekte Ort war. Nicht mal verabschiedet hatte sie sich von dem Alten, weil sie sich so sicher gewesen war, dass sie ihn hier wiedersehen würde. Die Kleine sah sich nach weiteren hübschen Steinen um, die man dazulegen könnte und fand in der Tat noch zwei weitere, die sie auf dem großen zu einer Art kleinen Turm aufbaute. Außerdem fand sie eine wunderschöne, große Muschelschale, die sie auch mitnahm. Der oberste Stein war sehr flach, und so legte sie behutsam die Muschel darauf. Dann nahm sie Álvaro vom Rücken, öffnete seinen Bauch und kramte ein wenig in ihm herum, bis sie gefunden hatte, wonach sie suchte.
Die Calavera de dulce grinste sie mit ihren überaus weißen Zähnen und aus leeren Augenhöhlen an. Bedächtig kratzte sie das „Leocadia“ vom Totenkopf und ritzte dann mit ihren Fingernägeln voller Hingabe an der Stelle „Andris“ ein. Den Zuckerschädel, die Speise für die Toten in México, platzierte sie hinter der Muschel auf dem Stein. Eigentlich war es sehr makaber, dass sie ihren eigenen immer dabeigehabt hatte, aber jetzt erfüllte er einen besseren Zweck als in einem Plüschaffen zu versauern. Während sie bedächtig die Cempasúchil-Blütenkette auf dem selbstgebautem Grab des Letten drapierte, begann sie leise mit ihrer klaren Stimme zu singen.
Tränen bildeten sich in ihren Augen.
Abuela hatte dieses Lied zur Beerdigung von Onkel Rámon Eduardo gesungen. Léo mit Drei Jahren hatte das Versprechen ihrem Papa gegenüber gehalten und Niemandem davon erzählt, dass sie gesehen hatte, wie und von wem ihr lieber Onkel umgebracht wurde, es einfach vergessen, wie versprochen. Ihr jüngster Sohn saß direkt links neben der klagend singenden Mutter, ihre Enkelin zu ihrer Rechten. Léos Mama musste ganz hinten sitzen, aber das war Angela auch sehr recht gewesen. Dem Kleinkind war das Wasser aus den Augen gequollen, doch Abuela wischte diese unbeirrt weiter singend weg und deutete an, dass Léo das lassen sollte. In México sollten die Toten bei der Beerdigung und danach nicht mehr beweint werden, das würde ihre Reise auf die andere Seite nur unnötig schwer machen und sie würden zum Dia de los Muertos nicht mehr gerne zu ihren lebenden Lieben zurückkehren. Augenblicklich stoppte das Bächlein und die kleine lächelte zu ihrer Großmutter hoch. Natürlich wollte sie, dass Onkel Rámon ordentlich tot sein konnte…
Und auch Andris sollte das können. Sie durfte nicht traurig sein. Die Tränen wurden schnell weggewischt, und als sie mit ihrem Lied geendet hatte, strich das Kind behütsam über den das Grab umgebenden Sand, ein hübsches Muster streichend. Im orangenen Licht der aufgehenden Sonne, den Geruch des Meeres in der Nase und das Rauschen der Wellen im Ohr war es ein wundervoller Anblick. Sanft lächelte sie, umfasste dann ihr Rosenkranzarmband und betete für Helena, Cyrillus und vor allem Riley, dass alles bei ihnen gut laufen würde und sie sich baldmöglichst wiedersehen konnten.
Langsam kehrte sie zurück zu den Anderen, immernoch ganz bendebelt von der wunderschönen Idylle des Ortes der letzten Ruhe für den alten Letten, den sie so gern gehabt hatte.
Sie hörte Tess rufen, dass doch Jemand anderes Sherlock spielen soll, wenn er das wollte und plötzliche Begeisterung machte sich in ihr breit. Das war jetzt genau das Richtige. Mit Josh und Noah würde das bestimmt ein Riesenspaß werden! Gerade lenkten sie ihre Schritte zu den Jungs, als sie entfernt Onkel Alistair sah, der Ian wieder am Kragen packte und die beiden dann umfielen und sich irgendwie rangelten. Völlig perplex stand sie da. Was hatten denn die beiden für ein Problem miteinander? Es ging ihr absolut nicht in den Kopf. Onkel Alistair war absolut lieb und Ian doch eigentlich auch…obwohl, er hatte schon lange nichts mehr mit ihr gemacht, woher wollte Léo wissen, dass Ian jetzt nicht böse geworden war? Aber Clover hatte ihn doch so lieb und würde ihn heiraten, also konnte er nicht böse sein! Der Ire war aufgeprungen, trank den Apfelsaft für Fortgeschrittene und stapfte dann zu Abbys Söhnen. Ian dafür…bekam gerade eine Ohrfeige von Clover, die doch noch nie auch nur irgendwie jemanden etwas hätte tun können! Ian war also doch definitiv böse geworden. Deswegen wollte er auch nicht mehr bei ihr sein und Léo hatte gedacht, sie hätte einen Fehler gemacht. Schnell lief sie den Jungs und ihrem Irenonkel, das schlimme Gefühl, dass in ihrem bauch hochkommen wollte, gar nicht zulassend. Sie musste glücklich sein für die Anderen, das musste sie, weil die anderen doch so viel für sie machten, sie konnte nicht einfach traurig sein.
Bei den dreien angekommen, fragte sie ohne Umschweife die Brüder:
Wollt ihr was ganz Tolles für alle Lieben machen, die in unserer Gruppe waren?
Die Detektivarbeit müsste warten, sie wollte eigentlich mit Ian anfangen, doch nun war da irgendwie nicht mehr richtig.
Begeistert stimmten die Jungs zu.
Schweigend dachte Léo daran, wie wenige sie nun noch waren und dass da auch locker Clover und Onkel Alistair oder Tess oder der gute Dob dazugehören konnten, dem sie ja noch Papas Süßigkeiten geben wollte. Kurz schniefte sie, doch verbitt sich, traurig zu werden. Für die Anderen, das hatte ssie geschworen.
Plötzlich umarmte sie Noah und kurz darauf nahm Josh sie still bei der Hand und sie setzten sich neben Onkel Alistair. Die Frage Joshs an ihn bekam sie nicht mit, auch nicht, was Alistair ihm antworte. Sie dachte darüber nach, was sie jetzt machen sollte, wenn sich die Gruppe trennen würde und sie Papa noch nicht gefunden hatte. Eigentlich wollte sie bei Clover bleiben, weil sie einfach immer so lieb zu ihr war und das Mädchen die Sängerin einfach unglaublich gern hatte. Und weil Ian bei ihr war und sie ihn auch gerngehabt hatte. Doch jetzt, wo Ian offensichtlich böse war, konnte sie das ja nicht mehr machen und irgendwie hatte sie keine Ahnung, was sie sonst machen sollte. Onkel Alistair wollte mit Noah und Josh nach Irland, das wusste Léo, und den Iren hatte sie auch unglaublich lieb. Seit dem Hotel war er wie ein Eratzpapa für sie gewesen, immer da, wenn sie es nötig hatte und er hatte ihr ja auch gezeigt, dass sie ein Kobold war! Und dann Noah und Josh, die beiden hatte sie eben erst kennengelernt, doch schon in den wenigen Stunden so lieb gewonnen, dass sie eigentlich gar nicht mehr von ihnen wegwollte. Doch war ihr nicht klar, ob Onkel Alistair auch einen mexikanischen Kobold mit zu seiner Heimat nehmen wollten.
Sie wurde unglaublich traurig. Aber sie durf- ach was soll das denn? Léo war traurig, wegen allem, was sie in den letzten Tagen traurig gemacht hatte und sie einfach runtergeschluckt hatte und vor allem traurig von der Unsicherheit darüber, was aus ihr werden sollte.
Sie hob ihren Kopf, ihre Lippen zuckten und vor dem Wasser in ihren Augen konnte sie Onkel Alistair nur unscharf sehen, als sie ihn kleinlaut und fast schon flehend fragte:
Darf ich mit euch nach Irland kommen?
Als Ian offensichtlich alles Wichtige gesagt hatte und nun zur Seite starrte, zog Clover ihre Hand langsam aus seinem sanften Griff. Dann erhob sie sich, ging ein paar Schritte, nur um wieder umzudrehen und in die andere Richtung zu laufen. Bei diesem Hin und Her kam sie sich ein bisschen wie ein Tiger in einem Käfig vor, nur dass sie gerade bestimmt nicht bedrohlich, sondern eher komplett lächerlich aussah.
Aber sie konnte jetzt nicht still sitzen.
Erst nach einer Weile, nachdem sie nur stumm hin und her gelaufen war und ihre Unterlippe fast blutig gebissen hatte, blieb sie genau vor Ian stehen und starrte ihn so lange an, bis er endlich auch sie wieder ansah. Clover lächelte nicht, aber da war auch kein Ärger in ihrer Stimme - sie konnte eigentlich vollkommen ruhig sprechen. Wahrscheinlich der Schock.
"Weißt du eigentlich warum ich überhaupt Gefühle für dich entwickelt habe?" Ian schüttelte den Kopf als könnte er es sich nicht einmal ansatzweise erklären.
"Es war wegen Léo.", sagte Clover schlicht und zuckte mit den Schultern. "Léo hat die Gabe durch ihre schiere Anwesenheit oder nur ein kurzes Gespräch die Menschen zu verändern und Situationen zum Guten zu wenden. Und du warst derjenige, der dafür gesorgt hat, dass es ihr selbst gut gehen konnte." Sie lächelte kurz bei dem Gedanken daran. "Als du 'Hey there Delilah' für Léo gesungen hast war ich fasziniert und überwältigt und... ich habe mir eingebildet, dass du der beste Mensch der Welt sein musst. Alles was ich von dir mitbekommen hatte, waren gute Taten, die vielleicht nichts Großartiges waren, aber mir die Welt bedeutet haben. Weil sie meine Idealvorstellungen bestätigt haben. Also ich denke, ich mochte vor allem das Bild, das ich von dir hatte, und nicht dich."
Clover sah zu Boden und und lächelte bitter. "Aber ich bin nicht bescheuert. Zumindest meistens nicht. Ich wusste immer, dass du nicht perfekt sein kannst. Und ich wusste, dass der Moment kommen würde, an dem ich das nicht mehr ignorieren kann."
Sie setzte sich nun wieder neben ihn, da sie nicht wirken wollte, als würde sie auf ihn hinabsehen.
"Hast du seit wir in die LKWs gestiegen sind auch nur ein einziges Wort mit Léo persönlich gewechselt?", fragte sie nun und lächelte dabei, denn sie kannte die Antwort natürlich. "Schon damals ist mein Hauptgrund, warum ich überhaupt an dir interessiert war, gestorben. Ich hatte erwartet, dass mich so etwas so enttäuschen würde, dass ich erkenne, dass meine Gefühle eine Lüge waren. Aber nichts dergleichen geschah. Weil es da plötzlich noch tausend andere Gründe gab."
Ian sah die Sängerin nun zum ersten Mal wieder an, ohne dass sie das Gefühl hatte, er würde ihrem Blick ausweichen wollen. Sie sah ihm eine Weile in die Augen ohne etwas zu sagen und musste an das einzige Lied denken, das ihr als passend für den Moment einfallen wollte.
When I look into your eyes
It's like watching the night sky
Or a beautiful sunrise
There's so much they hold
"Ich muss nicht alles was du tust oder getan hast gut finden. Manches davon enttäuscht oder erschreckt mich. Vieles davon habe ich nicht mal mitbekommen. Aber das ändert nichts an den Momenten, die ich mit dir verbringen konnte und nichts an den kleinen Taten, mit denen du die letzten Tage für mich erträglich gemacht oder mir Hoffnung gegeben hast. Es ändert nichts daran, wer du für mich bist und macht alles Erlebte nicht weniger wahr. Ganz im Gegenteil."
And just like them old stars
I see that you've come so far
To be right where you are
How old is your soul?
"Gerade wenn du all das noch geschafft hast nach allem, was dir widerfahren ist dann finde ich es umso bewundernswerter. Ich möchte nicht wissen, was eine Vergangenheit wie deine aus mir gemacht hätte... Aber ich möchte wissen, was sie aus dir gemacht hat."
Clover nahm nun wieder Ians Hand. "Was ich zu dir auf dem Dach gesagt habe, war ernst gemeint und ich werde bestimmt nicht einfach weglaufen, nur weil es Dinge gibt, von denen ich nichts wusste."
I don't wanna be someone who walks away so easily
I'm here to stay and make the difference that I can make
"Ich werde dir nicht verheimlichen, dass mir deine Vergangenheit natürlich auch Angst macht. Offenbar bist du unberechenbar." Der leichte Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. "Aber ich vertraue dir. Dass du mir die Wahrheit sagst, bestärkt mich darin nur noch mehr."
Our differences they do a lot to teach us how to use
The tools and gifts we got yeah, we got a lot at stake
Clover lehnte ihren Kopf nun an Ians Schulter und sah etwas träumerisch aufs Meer hinaus. "Nach dieser Sache möchte ich, dass du mir mehr von dir erzählst. Ich will alles wissen, alle ekligen Details. Ich möchte alle Seiten von dir kennen. Aber für jetzt können wir es erst einmal dabei belassen. Wir haben später noch genug Zeit dafür. Ich möchte auf jeden Fall bei dir bleiben."
I won't give up on us
Even if the skies get rough
I'm giving you all my love
I'm still looking up
Still looking up.
Dob hatte sich schon erhoben, um Alistair einen Kinnhaken zu verpassen, den dieser nicht vergessen würde. Irgendwann reichte es auch, immer auf dem schwächsten Glied herumzutrampeln, nur weil man es konnte. Ian war ein cooler Typ und Alistair konnte es auch sein, wenn er die Laune dazu hatte... aber diese dämlichen Raufereien gingen Dob verdammt nochmal auf den Keks.
Aber dann machte Ian etwas, das ihn innehalten ließ. Und dann lachte er auf. Blitzschnell reagierte Ellen und hielt ihm die Hand vor den Mund, damit sie keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen würden, doch auch ihr war den Kinnladen herunter gefallen.
"Whiskey!", rief der Ire immer wieder, als er schließlich davonstolperte. Dobs Gesicht lief rot an und er kämpfte mit den Tränen.
~
Tess trat schließlich wieder zu Yuki. Es gab da noch diese eine Sache. "Also, Ethan und Dani... haben es nicht geschafft. Ich würde sie gerne auf deine Uniform schreiben. Einfach, damit die Liste vollständig ist." In Gedanken fügte sie hinzu: Und weil es mir irgendwie wichtig ist, sie da zu sehen, obwohl es nur eine Uniform mit ein paar Namen darauf ist.
Yuki verstand. Sie zog den Stift hervor und reichte ihn Tess. "Ich fürchte zwar, die Uniform wird's nicht mehr lange machen, so ramponiert wie sie ist, aber bis dahin..."
Tess beugte sich hinunter zu Yukis Oberkörper.
Mit verschränkten Armen und schiefem Grinsen beobachtete Dob das Schauspiel. Ah, Frauen, die einander befummelten. Was brauchte man mehr. Naja, vielleicht noch mehr Frauen. Wenn da noch Ellen und Clover hinzukämen...
"Du siehst ja echt kaputt aus, Süße. Die Verletzungen kommen sicher davon, als du vom Himmel gefallen bist, oder?" Grinsend ging Dob auf Yuki zu.
Tess seufzte leise und verdrehte die Augen flehend nach oben. "Dob, das macht nicht einmal Sinn als Kompliment."
"Stimmt, es war auch nur'n dummer Spruch. Aber dass ich gerade da drüben stand und mich an dem Anblick kaum sattsehen konnte, das ist kein dummer Spruch, das ist einfach die Wahrheit." Er zwinkerte den beiden zu, immer noch grinsend.
Die beiden Frauen sahen ihn nur stumm und mit missbilligendem Blick an.
"Okay, also... ich hab auch einen Namen, den ich hier gern draufsetzen würde", stammelte Dob schließlich an Yuki gewandt, um die Pause zu überbrücken. Diese nickte mit hochgezogenen Augenbrauen. "Alles klar, Dob. Was immer du sagst."
Tess reichte ihm den Stift, während er mit der linken Hand Anstalten machte, über Yukis Brust zu fahren. "Ehehe... also, hier hin? Ich muss das nur ein bisschen festhalten..."
Yuki starrte ihn nur bedrohlich an und schob die Hand mit Nachdruck von sich. Wenn der Kerl sie nicht ein wenig an Willy erinnern würde, hätte er sich gerade einen Tritt in die Eier eingefahren, der da unten nur Ödland hinterlassen hätte.
Sollte er irgendetwas machen, das sie noch mehr an Willy erinnerte, würde ihn das gleiche Schicksal ereilen.
Dob verstand die Geste und schüttelte traurig den Kopf. Doch schließlich begann er zu schreiben, und sein ganzes Gebaren veränderte sich schlagartig. Er wirkte nun ernst und sorgfältig. Er schrieb mit angestrengtem Blick und hatte den Mund leicht geöffnet. Ein paar Mal blinzelte er schnell hintereinander, als er den Namen "Andris" auf die Uniform setzte.
Tess sah ihn verwundert an. Er sah mitgenommen aus. Wie viel von seinem Verhalten wohl nur Fassade war? Manchmal war sie sich nicht ganz sicher. Dass Andris nicht durchgekommen war, hatte sie sich bereits gedacht, doch Dob hatte bisher immer ausweichend reagiert, wenn sie das Thema angesprochen hatte.
Sanft und traurig fragte sie nun: "Was ist geschehen?"
Dob blinzelte wieder ein paar Mal, seine Stimme zitterte ein wenig. "Nichts ist geschehen. Er... er hat einfach nur nicht durch das Ende des Schachtes gepasst."
"Also ist er zurückgegangen?"
Dob atmete laut aus und blinzelte wieder, dann sagte er: "Nein."
Tess wusste, dass sie nicht weiter fragen sollte. Es war ungerecht, nachzuhaken und weiterzufragen. Aber sie musste es einfach wissen. "Warum nicht?"
Er starrte eine Weile nur auf den Namen auf Yukis Brust. Dann antwortete er:
"Weil der Schacht hinter ihm eingestürzt war. Und ich bin wahrscheinlich mit meiner gottverdammten Actionnummer Schuld daran gewesen."
Er wandte sich ab. Yuki und Tess standen noch eine Weile stumm da und gedachten der drei Menschen, die nun auch auf Yukis Uniform verewigt worden waren:
Ethan, ein australischer Schüler.
Dani, eine deutsche Coffeeshop-Inhaberin.
Andris, ein lettischer Ingenieur.