-
Young Imperial Combo
Clover hatte eine Weile einfach nur dagestanden und stumm aufs Meer hinaugeblickt. Hinter ihnen lag Sydney in Trümmern, aber wenn man in die aufgehende Morgensonne blickte, ein wenig die Luft anhielt um den Gestank nach Verbranntem und Tod auszublenden und die schmerzenden Glieder ignorierte, hätte man meinen können, es wäre ein wunderschöner Morgen. Wie ein Neuanfang.
Aber da waren keine Schiffe mehr und nichts, das ihren weiteren Weg ebnen hätte können. Trotzdem verspürte die Sängerin keine Angst. Sie hatte Ian angesehen und erkannte kein Anzeichen von Sorge in seinen Zügen. Seine Hand war warm und hatte ihre sanft umschlossen - da war kein Zittern, keine Suche nach Halt. Ian war vollkommen ruhig und das gab ihr genug Zuversicht, um frei von Angst zu sein.
Nach einer Weile löste Clover sich von Ian, der immer noch vollkommen in Gedanken versunken schien, und zog die unglaublich kratzige Uniform aus. Achtlos ließ sie diese auf den Boden fallen, aber nicht ohne davor noch die Innentasche auszuräumen. Nach einem kurzen, erleichterten Blick auf die Sonnenbrille, die Léo ihr geschenkt hatte, sah sie sich um. Die Menge war überschaubar geworden. Nicht nur Riley, Helena und der Priester waren nicht mehr da. Die Hippie-Frau fehlte, genauso wie Andris und der Typ, der immer bei Isa rumgehangen war.
Als Tess,die ordentlich mitgenommen aussah, in Sichtweite kam und irgendwas mit Dob und Alistair zu besprechen schien, wurde es fast grausame Gewissheit. Keine der fünf Gruppen fehlte mehr, aber Einzelne blieben verschwunden. So oft sie auch noch durch die Runde blickte, es gab niemanden mehr, der noch hinterherzukommen schien.
Irgendwann fiel Clovers Blick auf Niki, der etwas Abseits von Léo, Noah und Josh stand, die sich offenbar irgendwoher Lollies organisiert hatten. Gut. Die drei sahen mitgenommen aus, schienen für den Moment aber in Ordnung zu sein. Niki hingegen wirkte vollkommen fertig und er zitterte und schüttelte sich, als würde er weinen.
"Alles in Ordnung?" Wieder diese dumme Frage. Natürlich war nicht alles in Ordnung. Niki reagierte erst nicht, als Clover an ihn herantrat und starrte nur auf den Boden. "Hey, kann ich irgendetwas-" "...sein sollen." "Was?" Der Junge schien irgendetwas vor sich hinzumurmeln, aber die Sängerin konnte ihn einfach nicht verstehen. "Magst du das nochmal wiederholen?"
"I-ich..hätte das sein sollen. Warum zum Teufel ist SIE es?" Es war das erste Mal, dass Clover ihn so flüssig und aufgebracht sprechen hörte. "D-Dani... w-warum hat sie...?" Zahlreiche Tränen tropften nun von Nikis Nasenspitze - weil er immer noch nach unten starrte - auf den Boden. Er schluchzte leise noch ein wenig vor sich hin, bis Clover auch wirklich verstanden hatte, worum es ging und schließlich nahm sie den Jungen in den Arm. Er ließ einfach nur schlaff seine Arme hängen und ließ es geschehen.
"Du darfst traurig sein, aber du darfst niemals denken es wäre besser gewesen, wenn es dich erwischt hätte." Es fiel Clover schwer, die richtigen Worte zu wählen, denn sie selbst würde sich auch nicht anders fühlen als Niki. Es war aber der falsche Weg. "Es war Danis Entscheidung, dich zu retten. Sie hat entschieden, dass du es wert bist, beschützt zu werden. Sie wollte, dass du lebst. Und wenn dich das ärgert, machst du Dani damit traurig." Sie strich Niki übers Haar und lächelte ihn an. "Das willst du bestimmt nicht, oder? Du musst jetzt nicht sofort Luftsprünge vor Freude machen, aber du darfst dir nicht einreden, dass du es nicht verdient hättest, zu leben. Die Sache mit Dani soll dir nicht das Gefühl geben, dass es dich erwischen hätte sollen, sie soll dir das Gefühl geben, dass es Menschen gibt, die dich als wertvoll ansehen." Sie drückte den Jungen nun ganz fest, als würde sie damit ihre Worte besonders untermauern. "Du bist wertvoll!" Und niemand soll umsonst gestorben sein.
"Leute, ich will euren depressiven Mist nicht hören!"
Clover hatte den Empfänger des Funkgerätes nicht im Ohr, konnte Ian aber auch ohne noch gut hören, da er ja nicht allzu weit entfernt stand. Offenbar hatte er seine Gedankengänge nun abgeschlossen.
Das hier ist nicht das erste Mal, dass wir in der Klemme stecken. Also reißt euch gefälligst zusammen und lasst uns hier verdammtnochmal rauskommen. Es gibt immer einen Weg!"
Das war es. Einer der Gründe, warum sie ihn liebte. Die Fähigkeit, mit wenigen Worten so viel Hoffnung und Zuversicht zu geben, ohne dabei lächerlich zu wirken.
"Ich liebe euch!" Okay, streich' den letzten Satz.
Clover kicherte leise und drückte Niki noch einmal fest. "Es wird alles gut.", sagte sie nicht nur zu ihm, sondern auch zu sich selbst. Auch wenn hier kein Schiff war und niemand so genau wusste, wie es jetzt weitergehen sollte - sie würden einen Weg finden. Bisher hatte immer jemand einen Weg gefunden und auch diesmal würde es früher oder später dazu kommen. Denn sie alle wussten, dass es nicht umsonst gewesen sein konnte. Alle die ihren Weg bisher begleitet hatten, die für sie gestorben waren und sich geopfert hatten, konnten nicht umsonst umgekommen sein. So grausam konnte nicht einmal das Schicksal sein.
Geändert von Lynx (07.09.2012 um 23:49 Uhr)
-
The Big Guns
Danis Tod traf Yuki wie ein Schlag direkt in die Seele. Aber nach außen hin zeigte sie sich weiterhin so souverän, wie eine Frau in dreckiger Rüstung, mit Schrammen im Gesicht, Schnittwunden an den Armen, abgetrennten Fingern, zerschmetterten Rippen und einer Schusswunde in der Schulter eben souverän aussehen konnte. Sie war noch zu emotional distanziert, um die Sache zu verarbeiten. Sie würde sich Zeit nehmen, sobald sie aus dieser Scheißsituation raus wären.
Doch nun fragte Tess nach Ethan. Fuck. Sie hasste es.
"Ethan ist höchstwahrscheinlich tot."
Sie hassste es, Todesbotschaften zu überbringen. Zu oft getan, zu oft dieselben Floskeln, "Hielt bis zum Ende durch.", "Hat alles getan um seine Kameraden zu retten.", "Hat bis zuletzt nur von Ihnen geredet.", alles Bullshit. Sterben war niemals würdevoll, man konnte nur die Umstände anpassen, damit ein Leichnam mit toten Augen und vollgeschissener Hose nicht mehr ganz so abstoßend wirken würde. Es gab kein "Ich hab' dich immer geliebt.", kein "Sag' meiner Frau dass ich heute abend nicht zum Abendessen kommen werde." wie in schlechten (und guten) Hollywoodstreifen - die Kugel trifft, du stolperst ein zwei Schritte vorwärts, kippst nach vorne über und bist tot, plus ekelige Details. Kein Licht, kein Schatten, nur das abrupte Ende eines nichtmal halbwegs erfüllten Lebens. Ethan war wegen seiner Freundin gestorben. Verständlich auf eine romantische Art und Weise. Aber dumm. Sterben aus einem romantischen Grund war dumm. Und der fucking Irish Boy war ebenfalls dumm genug gewesen, um Ethan gehen zu lassen. Doch sie hielt sich zurück, dieses eine Mal würde sie sich zurückhalten und nicht ausfallend werden. Sie schuldete Alistair und den anderen diesen Anstand.
Tess hatte kurz innegehalten vom In-den-Boden-schlagen, um ihr zuzuhören. "Er hat sich abgeseilt bevor wir das Lager attackiert haben, ging ans Ufer des Flusses zu seiner Freundin.", jetzt warf sie Alistair einen durchdringenden Blick zu. "Ging aus eigenen Stücken. Wir konnten ihn nicht von seinem Vorhaben abhalten.", dann wandt sie sich wieder Tess zu. "Haben ihn danach nicht mehr gesehen. Es tut mir leid, ich... ich übernehme dafür die Verantwortung." Sie blieb ein paar Sekunden lang einfach nur stehen und wartete auf eine Reaktion von Tess. Dob ging herum mit einer Schachtel Zigaretten. Doch jetzt zu schnorren wäre mehr als pietätslos gewesen.
Geändert von T.U.F.K.A.S. (07.09.2012 um 11:56 Uhr)
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln