Zum Schluss ging alles ganz schnell und als sie schließlich nur noch zu viert oben auf den Dächern standen, konnte man zumindest an den Gesichtern von Helena und Lilien ablesen, dass sie sehr froh waren, dass der Trubel, die Unsicherheit einer großen Gruppe und die Wartezeit endlich vorbei war.
Was Cyrillus an stoischer Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte, schien Riley gänzlich abzugehen, denn er flitzte von einer Ecke zur anderen und schien offensichtlich nichts mit sich anfangen zu können.
„Also, Verteidigungsanlagen.“ , beschied Helena McAldrin knapp und Sanders nickte kurz. Es schien, als würden sich die beiden Frauen ohne weitere Worte verstehen – was aber nichts an der gegenseitigen Antipathie zu ändern schien. Aber auch wenn sie sich abstießen wie zwei negative Pole – sie arbeiteten unglaublich schnell und effizient zusammen. Dann warf Sanders McAldrin einen Blick zu, gefolgt von einem verschwörerischen Nicken. Und Helena McAldrin verschwand die Treppe nach unten, offensichtlich unterwegs um aus den weitläufigen Lagerhallen weiteres Material für die Barrikaden zu holen.
In der Zwischenzeit lag Sanders auf den Sandsäcken und beobachtete immer wieder mit kurzen fahrigen Blicken das Vorankommen der einzelnen ausgeschwärmten Teams, nicht ohne noch einmal Yukari zu verfluchen, die der Gruppe jeden Überraschungsmoment durch ihre Dummheit genommen hatte und das Los der Vier auf dem Dach auch deutlich verschlechtert hatte.
„Wo warst du?“ , fragte Riley schüchtern, als Helena wieder nach oben kam und sie bedachte ihn mit einem Blick der pure Missbilligung versprach. "Unten.“ , blaffte sie ihn kurz an und ließ ihn stehen, gesellte sich dann zu Sanders und zeigte die seit Stunden festgefrorene Fratze schlechter Laune auf ihrem Gesicht. „Und? Kommen Sie durch?“
„Schwer zu sagen. Die Garde ist wachsam und die Kampfgruppe wird es entsprechend hart haben.“, seufzte die Späherin und ließ sich an den Sandsäcken nach unten gleiten. „Die Kampfgruppe ist hart. Sie haben…Yuki“, beschied sie mit einem Unterton in der Stimme, der keinen Widerspruch duldete und unhörbar für Sanders schwang der eigentliche Name mit, den sie hatte wirklich nennen wollen: „-wenn Axel unter ihnen wäre.“
„Werden wir sehen. Ich weiß nur dass mein Großvater Yukis Großvater den Arsch aufgerissen hat.“
„Und wie stehen unsere Chancen, Admiral?“
Die Art wie Helena das „Admiral“ spöttisch betonte und in die Länge zog, ließ Sanders innehalten und die beiden Frauen blickten sich lange ohne einen Funken Sympathie an.“
„Noch nie habe ich gleichzeitig so viel und so wenig von einem McAldrin in einer Person gesehen.“
Helena verdrehte die Augen.
Sie saßen dann alle vier schweigend nebeneinander gegen die alte, stinkende Sandsackbarriere gelehnt und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Lilien Sanders hatte die Augen geschlossen und ein seltsames Hochgefühl erfüllte sie. Eine Mischung aus peitschender Angst und brennender Vorfreude schob sich wie ein Wurm aus rotglühendem Metall durch ihre Eingeweide und ihre Wünsche und Hoffnungen sandte sie zu allen Kriegsgöttern dieser Erde, damit sie die Flüchtenden beschützen würden. Denn nur ein Erfolg der Flüchtenden würde ihre unausweichliche Niederlage dann in einen Sieg verwandeln…
Sie blickte auf ihre Uhr und dann schien die Welt stillzustehen. Aufblickend sah sie Cyrillus ruhig und friedlich betend, ein Berg aus Ruhe und Gelassenheit. Riley, kalkweiß und mit zitternden Lippen, eine Signalfackel umklammernd und dann Helena, Helena McAldrin, Tochter eines großen Mannes des Wappens, welches sie selbst anstelle eines Herzens trug. All der Hass und die Abscheu den eine Frau für diese Welt empfinden konnte, war ihr ins Gesicht geschrieben und stand Pate für das Flackern in ihren Augen die man nur hatte, wenn das Herz vom Messer persönlicher Verluste geritzt worden war. Sanders hatte schon mit schlechteren Leuten gekämpft, beschied sie und in einer fließenden Bewegung stand sie auf, zog ihre Pistole mit Leuchtmunition und schoss die erste Patrone in die größte Ansammlung von Untoten an der Mauer die fernab der 5 Landungspunkte lag und mit grimmigem Blick sah sie, wie sich das Magnesium durch die verfaulte Haut fraß und Bewegung in die Männer an der Mauer kam. Grell flackerte das rote Licht und warf Schatten auf das Gesicht von McAldrin, die sich als nächstes erhob und zwei selbstgebastelte Rohrbomben warf. Laut knallte es hinter den beiden Frauen als diese schon längst wieder in Deckung gehechtet waren, das Sirren von Kugeln in ihren Rücken.
Cyrillus und Riley waren von Sanders ganz an die Seiten befohlen worden wo die Heckenschützen sie nur schwer würden erfassen können und beide feuerten ebenfalls in die Dunkelheit , wissend, dass es mehr auf Lärm und Chaos denn auf wirkliche Treffer ankam.
„3 Minuten?“, vergewisserte sich McAldrin und Sanders nickte, während sie sich vom Bauch auf den Rücken rollte und ihr Sturmgewehr entsicherte. Beide Frauen warfen sich dann wie gegen eine unsichtbare Welle ankämpfend gegen die Sandsackbarriere, verharrten dort kurz und erhoben sich im Wechsel immer wieder um auf die Männer an der Mauer zu schießen, dabei konzentrierten sie sich auf die Bereiche wo kein Überlebender ihrer eigenen Truppe hätte sein sollen.
Schließlich waren drei Minuten verstrichen und ihr Feind hatte sich buchstäblich auf sie „eingeschossen“. Helena hatte einen Streifschuss an der Wange, Sanders hielt sich ächzend die Seite und sah in ihrer Kampfmontur aus wie eine tarngrüne Schildkröte die auf dem Rücken gelandet war, während ihre Ausrüstung sie durch die Verletzung mehr behindern als beschützen würde. „Scheint als müssten Sie das übernehmen, McAldrin.“, knurrte Sanders leise stöhnend und Riley fragte mit leise Stimme dazwischen: „Was übernehmen?“
„Halt den Mund.“, spie Helena dazwischen und Sanders blickte Cyrillus und Riley ernst an. „Wir haben hier zu wenig Munition. Ihr Beide müsst sofort nach unten und uns ordentlich Nachschub holen, sonst werden wir hier oben noch schneller tot sein als die fünf Gruppen da unten. Habt ihr verstanden?“ Sanders kniff die Augen zusammen um sich gegen die herumsausenden Sandkörner und Leinenfetzen zu schützen, die mittlerweile wie trauriger Schnee auf die Vier herunterregnete und vom wütenden Hornissenschwarm der Kugeln ihrer Feinde Zeugnis gaben. „Wo genau?“, sprach der Priester mit gottgebener Ruhe und Helena antwortete an Sanders Stelle, die gerade leise ächzte, als sie ihre Kevlarweste aufschnürte und die Wunde an ihrer Seite begutachtete um dann frustriert den Kopf gegen den kühlenden Sandsack zu schmiegen.
Als die Beiden die Leiter nach unten verschwunden waren ließ sich Helena neben die Soldatin fallen und knurrte. „Und Sie denken die beiden fallen drauf rein?“
„Wenn Sie…schnell sind…“
„Natürlich. Mit einer Wunde funktioniert Schnelligkeit immer noch am besten.“, spottete Helena zynisch und nahm ihr die abgeknüpfte Weste aus der kraftlosen Hand. „ICH mache das.“ Abermals sank Sanders hilflos und wütend gegen die Sandsackbarriere und blickte in den Nachthimmel in dem Leuchtspurgeschosse wie Sternschnuppen ihre Bahn zogen. „Wie romantisch.“, fluchte sie trocken.
Riley und Cyrillus waren mittlerweile im Kellergewölbe der Lagerhalle angekommen und der flackernde Schein ihrer kleinen Taschenlampen konnten nur nackte, salpetergeschwängerte Betonwände entblößen. Direkt hinter ihnen schlich Helena, hier unten war die Geräuschkulisse nur noch wie ein sachter Regenfilm zu vernehmen, das unablässige Stöhnen der Untoten war genauso in den Hintergrund gerückt wie das Maschinengewehrfeuer der verfeindeten Parteien. Die Zollbeamtin konnte sehen, wie der Priester und der junge Mann hektisch den Boden absuchten, jedoch außer alter Pappe und einigem anderen Müll nichts finden konnten.
Und dann tat sie es...
Helena kam schweißgebadet vom Sprint wieder oben an und warf sich neben Sanders in Deckung. Ein Blick zwischen den ungleichen Frauen reichte zur Kommunikation, ein Wort – weder ein freundliches, noch ein unfreundliches – schien nicht notwendig. Sie kommunizierten durch die Aufgabe die vor ihnen lag und sie schossen weiter auf die Mauer ohne treffen zu wollen.
Und dann – viel zu früh – ließ der Beschuss nach. Jetzt sahen sich Helena und Lilien doch alarmiert an, denn auf keinen Fall konnten die Trupps schon durch sein…
„Weiterfeuern, General?“, fragte der untersetzte kleine Mann dem die Uniform der Garde ein wenig zu klein schien und der Angesprochene ließ ihn warten, während er sich in aller Seelenruhe eine Pfeife anzündete. „Unsinn, Sie Schwachkopf. Das ist ein Ablenkungsmanöver, kapieren Sie das etwa nicht?“ Er bellte lachend und stieß eine Wolke Rauch aus. „Suchen Sie lieber nach denen die durchschlüpfen wollen und erledigen Sie jeden Einzelnen. Aber lassen Sie den Person die wir eingeschleust haben in jedem Fall unversehrt, verstanden?“
Der Gardist nickte und lief mit dem geschulterten Scharfschützengewehr zu einer der vielen Schießscharten.
„Scheisse, warum feuern die nicht weiter?“, dachte sich Lilien Sanders und ihre Gedanken rasten, ein Blick auf Helena offenbarte, dass sie dasselbe dachte.
„Sie halten uns für tot.“, stellte die Zollbeamte dann lakonisch fest und mit schmerzverzerrtem Grunzen rollte sich Sanders zur Seite, sie hatte mittlerweile nur noch ein grünes Tanktop an und ihre Wunde blutete stark. Fast schon dümmlich grinsend riss sie aus ihrem Rucksack ein in sündhaft teures blaues Tuch eingeschlagenes Paket hervor und als Helena es erkannte, stöhnte sie nur leise und griff kopfschüttelnd nach einem herumliegenden Besen.
„Was zur Hölle… ist das?“ entfuhr es dem Gardisten und der General blickte von seinen Unterlagen auf. Er kniff die Augen zusammen und Wut braute sich in seinem Bauch zusammen. Mit schnellen Schritten ging er auf das Fenster zu und starrte durch das Panzerglas nach draußen. Und während ihm sein eigenes Spiegelbild im Glas seinen Zorn und seine zuckendes Augenlid offenbarten, konnte er erkennen, wie mehrere Gestalten auf dem Dach tanzten und dabei mit weit ausholenden Bewegungen das Banner der Australian Defense Force schwenkten. Bengalos und Signalflacken brannten und hüllten das hohe Gebäude in hellem Schein. Der General kaute auf dem Stiel seiner Pfeife und Hass sprühte in seinen Augen. Die Flagge zeigte einen Adler, gekrönt von Schwertern und wie der Schein des brennenden Sydneys hinter hinten durch den blauen Stoff flackerte, verlieh der Flagge etwas Martialisches.
„Die verdammte ADF. Irrsinnig und stolz bis zuletzt.“, brüllte des Generals Adjutant, doch der alte General, den seine Leute nur „den Hai“ nannten, würdigte ihn keinen Blickes.
„Idiot. Viel schlimmer ist dass sie mit diesem Spektakel jeden verdammten Überlebenden, jeden Reporter und jeden verdammten Samariter anlocken. Schießt die beiden da runter. SOFORT.“
„Mit allem was wir haben?“
„Mit allem, Sohn, mit allem was sie haben.“
„Was ist mit dem Stoßtrupp Sir, Sie sagten, es könnte ein Ablenkungsmanö…“
„Darauf geschissen. Der Infiltrator wird sich darum kümmern. Und jetzt, wo dieser Gutmensch Leeland Maddox weg ist und Phase II gestartet wurde, ist es sowieso unerheblich was sie sehen. Ich will dass Sie Ihre Leute zusammenrufen und die ADF da runterschießen!“ Wieder glimmte die Pfeife kurz auf, dann setzte er bellend nach:
„Und dann bringen Sie mir den gefangenen Texaner her. Ich muss mit diesem Mister Arellano über sein Angebot sprechen.“
„Zu Befehl.“ Schnell salutierte der Artillerist und rannte nach draußen, alle umstehenden Gardisten einsammelnd, die bereits auf dem Weg gewesen waren um Geister und Gespenster des „Hais“ zu jagen.
Der Gardist grinste böse, als er die schweren Mörsergeschütze sah, die seine Männer gerade in Position brachten und auf das Lager Sanders' ausrichteten…
Geändert von Daen vom Clan (04.09.2012 um 21:48 Uhr)