Ich möchte auch den Bedrohungs- und Endzeitcharakter gar nicht herausnehmen oder vollständig psychologisieren; um ehrlich zu sein habe ich mit dem tiefenpsychologischen Ansatz selbst einiges an Problemen, sein Vokabularium bietet sich hier nur sehr gut an (zumindest für mich, der noch kein adäquateres entwickelt hat).

Ich denke, es ist schwer verständlich zu machen, welche Dialektik da für mich drinsteckt, zumal sie vermutlich auch nicht nachweisbar ist. Ich finde es nur fast zu simpel, bei der bösen Verdammnis als Reiz an der Sache stehen zu bleiben. Denn warum ist dieser Reiz denn da, wie natürlich ist es für uns, diese Endzeitszenarien mit so einer merkwürdig anziehenden Faszination wahrzunehmen?

Ich meine, genau da steckt die Dialektik: Die Dystopie, die gleichzeitig Utopie ist. Der Schutz der Gesellschaft, der gleichzeitig ungemein schwächt und das Individuum verschluckt. Der gesellschaftliche Schutz bedeutet gleichzeitig eine Freiheitseinschränkung (genau das führt ja zu so Sachen wie der Überwachungsdebatte -- wäre der Mensch zufrieden mit der gesellschaftlichen Teilhabe am eigenen Leben, hätte keiner ein Problem damit, sich Ortungschips implantieren zu lassen), der ewige Kampf und die gleichzeitig gegenseitige Bedingung zwischen Individuum und Gesellschaft kulminieren in einer fast wahnhaften Vorstellung der völligen Freiheit. Und dieses Freiheitsgefühl ist abgebunden in jenen Urerfahrungen; damals, als ein Mensch der Bestie (lies: dem anderen, dem Anderen, dem Unbekannten, dem Bösen) noch barhändig gegenüber stehen konnte. "Es ist immer beides." sagt man oft, und das halte ich hier sogar für eine zugrundeliegende Wahrheit. Natürlich ist es pessimistisch und dystopisch und auswegslos und eigentlich so unwünschenswert wie nur möglich -- aber dieser Reiz und diese Faszination, die dahinter steckt, begründet sich meiner Meinung nach nicht nur in der Was-wäre-wenn-Figur. Wir haben es hier im Grunde auch mit einer Zielgruppe zu tun, die sich scherzhaft oder sehr ernsthaft auf die Zombieapokalypse vorbereitet: Das Szenario ist klar abgesteckt und mehrfach in gleicherweise umerzählt, es sind Zeiten des Mangels und der Unsicherheit -- aber auch der maximalen Freiheit und Selbstbehauptung. Es ist ein Reset, der nicht zwangsläufig auch einen gesellschaftlichen Neustart au fur et à mesure nach sich zieht. In DayZ stellen sich allerdings einige interessante Phänomene ein, etwa neue (aber durchaus bekannte) soziale Strukturen, meist in Form der Rekreation der Sippengemeinschaft. Der Weg dahin ist noch genauso Urerfahrung wie die Wolfshierarchie.


Es gibt eine ziemlich populäre Polarisierung in der Bewertung von gesellschaftlichen Handlungen, die glaube ich vor allem in den USA der 80er-Jahre sehr oft von Seelsorgern und Therapeuten bemüht wurde, die zwischen Liebe und Furcht. Was uns Kultur, Zivilisation, Gesellschaft, Ethik, Moral und wer nicht alles vermitteln, ist eindeutig die Übermacht und Rechtmäßigkeit des Konzeptes "Liebe" über das Konzept "Furcht". Aber was heißt das eigentlich? In einem westlichen Verständnis ist Liebe viel weiter gedacht als nur die Liebe zwischen zwei Menschen, es ist das gesellschaftliche Phänomen und fast die gesellschaftliche Pflicht der Selbstaufgabe und Prästion gegenüber anderen Menschen. Furcht hingegen ist so negativ belegt wie nur möglich, sie ist unehrenhaft, untugendhaft, unmännlich, schwach, gering etc.ppai. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die Selbstaufgabe der Liebe ein unheimlich unnatürliches und das Individuum bedrohendes Konzept ist, die Selbsterhaltung der Furcht hingegen natürlich und absichernd. Die Gesellschaft will ersetzen, was das Individuum die Furcht zu Diensten macht, fordert dafür aber die stückweise Selbstaufgabe. Der Mensch ist nun aber genetisch nicht auf gesellschaftliche Sicherheit "vorprogrammiert" und so unterdrückt er lediglich den Furchtkomplex, den er in der Folge in fiktiven Welten ausleben will; dort wo er wieder ganz bei sich ist, im NatUr-Zustand.