Fawyer hob das gesamte Netz mit den Kisten glatt mit dem Kran an und brachte sie als würde er in seinem Leben bisher nur Monsterkräne bedienen, näher zum Strand. Tess konnte vom Strand sehen wie er auf die Schaltknüppel im Kabuff einhieb. Allerdings schien er zu wissen was er tat... die Kisten landeten mit einem Krachen in ihrer Mitte. Die Fußpumpen taten ihr übriges um sie alle vor einer Lungenembolie zu bewahren. "Na toll, jetzt wirst du ja gar nicht mehr zum Blasen kommen. Aber hey, ich werd trotzdem dafür sorgen, dass du feucht wirst." Dob setzte sein dreckigstes Grinsen auf. „Schwafel nicht, sieh zu das wir das erste Teil endlich seetauglich bekommen!“ Dob würde die Zombies definitiv fernhalten. Mit seinem Charme konnte er hoffentlich wenigstens das hinkriegen.
Sie arbeiteten Hand in Hand. Sie funktionierten. Gott waren sie gut. Tess lächelte Isa mehrfach strahlend an. Die Kleine hatte mehr drauf, als man auf den ersten Blick sehen konnte. Sie zitterte nicht, zögerte nicht. Funktionierte. Das erste Boot war startklar. „Isa hier. Das erste Boot ist bereit. Die ersten vier Leute, runter zum Strand. Los!“
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Fußpumpe, Reperatursätze, Aluminiumruder. Alles kam mit ins erste Boot, bevor sie es zu Wasser ließen. „Dani!“ Tess hechtete durch das seichte Wasser zu der angespannt aussehenden Frau. „Tritt ihnen allen ordentlich in den Arsch, die Truppe machts sonst nicht mehr lange. Und vergiss ihn niemals. Vergiss keinen einzigen.“ Unausgesprochen blieben die Namen. Die Helden der vergangenen Tage waren zuviele um sie aufzuzählen. Tess friemelte wieder das zusammengefaltete Papier aus ihrer Hosentasche. „Du kennst das Prozedere. Nimm die Notizen. Bitte.“ Dani blickte sie leicht genervt an, Trauer in den Augen - dann nickte sie nur.
Tess kniete sich neben das Boot und suchte nach Leo um ihr ihre improvisierte Schwimmweste zu geben. „Alistair was...?“ „Sie... ist mit Clover bei den Funkgeräten gewesen. Ich... sie rennt wie der Teufel, sie wird kommen.“ Sie drückte dem Iren das Panzertape in die Hand, mit der anderen drückte sie ihm die Schulter. „Sorg einfach dafür das ihr vier heil drüben ankomm. Und... wenn du eine Wunde am Boot entdeckt und es zischt tust du was?“ Er lachte und seine Augen glommen traurig als er an ihr vorbei zum Lager hochblickte. „Pusten und kleben?“ „Ja. Genau so machst du das. Ich hole Leo und bring sie zu dir zurück. Versprochen."
Da schwankte bereits eine Gruppe von Infizierten zu ihnen heran. „Helena!“ Aber es war Fawyer, der aus der Deckung vom Kran her die Truppe niedermachte. Tess wusste nicht wieso – aber als sie mit Dob und Isa die anderen zwei Boote startklar gemacht hatte und sie wie Sandwichhälften übereinander stapelten um sie gleichzeitig zu Wasser zu lassen, packte sie wieder dieser unsägliche Teufel des Aktionismus. „Isa, wir brauchen Zeit. Je mehr Leute hier unten sind, umso mehr von diesen Biestern kommen uns auf die Spur. Und ich will Leo und alle anderen die da noch runter kommen müssen da oben sicher rausholen - wir müssen die Viecher ablenken, damit sie ne Chance haben. Kannst du rennen?“ „Ja. Ich weich den Bastarden einfach aus, kein Problem.“ „Dann nehmen wir die Signalfackeln und rennen – Dob, du hilft den andren weiter in die Boote! Isa und ich kommen gleich zurück!“ „Tess, was soll der Scheiß? Was wenn... daaa FUCK!“, da knallten wieder Schussalven und keine 5 Meter hinter Dob fiel eine Baywatch-Blondine mit blauer Haut zu Boden. „Wenn ihr unsre Signalfackeln nicht mehr seht... dann seht zu das ihr euch das Boot schnappt und rüber kommt. Wenn nur noch du und Fawyer hier unten sind, kommen wir zurück so schnell wir können. Bastelt uns eine Fangleine ans letzte Boot oder sowas, lasst sie am Ufer liegen, verhakt sie, dann schippert los. Wir sorgen dafür das die Bastarde lange genug von euch allen wegbleiben.“ „Ja. Wir machen das Dob. Also los Kleines, zeigen wirs denen - Hooah!“ Tess geballte Faust traf auf Isas Hand. Beide waren fest entschlossen die Schützen mit einem Ablenkungsmanöver zu unterstützen.
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Sie selbst war immer noch hier, weil es nur darum ging zu leben. Oder zu sterben. Mehr nicht. Und wenn es um nichts anderes ging als Leben oder Sterben – wer war sie, die eigentlich bereits 2 Mal hatte sterben sollen, die sich dem Schicksal entgegen stellte? „Dein Wille geschehe. Ich bin dein Werkzeug. Tue an mir, nach deinem Willen. Ich bin bereit.“Sie küsste das blassgoldene Kreuz an ihrem Rosenkranz, hängte es sich um den Hals – und rannte mit 3 Signalfackeln in jeder Hand los, schreiend, rufend, winkend – in der Hoffnung der köstliche Duft nach Menschenfleisch würde die Bastarde auf ihre Spur bringen.
Tess rannte mit den Signalfackeln unter lautem Rufen und Hüpfen am Strand entlang nach Norden, während Isa den Strand nach Süden entlang lief. Es gibt keine Zufälle, hatte ihre Großmutter immer gesagt. Alles ist miteinander verwoben. Nichts passiert ohne Grund. Kein Mensch stirbt, ohne eine Nachricht, eine Spur im Leben der andren Menschen zu hinterlassen. Sei dankbar, für die die du treffen durftest. Für die kurze Zeit, in denen ihr euch Zeit und eure Anwesenheit schenken durftet. In der ihr voneinander gelernt habt. Blick nach vorne und trag sie in deinem Herzen wie ein kostbares Geschenk. Trag ihre Spuren und Nachrichten, ihre Gefühle weiter – und sie werden unsterblich sein. Nikita, Mike, Travis, Kekoa, Ryan, Abby, Michail, Axel... „Wir werden... leben.“ Es war nie darum gegangen Macht oder Stolz oder Sühne zu erlangen. Es ging nur ums verdammte, wunderbare, nackte Leben.
Sie kam am Nordende der Bucht an, die Bluttrinkenden Zombies im Nacken. Sie musste... weiterlaufen... damit die übrige Truppe weit, weit, weit weg war von den Biestern. Tess hörte bereits um sich herum das Schlurfen, Stöhnen, Knochen knacken, Zähne klappern. Sie roch den Fleischbrei der aus ihren Gedärmen hervorquoll. Überall war der Tod. Tod. Tod. Überall war der Geruch nach Tod. Sie konnte nicht weiterrennen - also umdrehen und …Ausdauer! Ausdauer! Alle 4 knallgelben Boote schaukelten auf dem Wasser. Unübersehbar. Fawyer ballerte wie ein Wahnsinniger und sogar von den Booten her erklangen Schüsse um die Streunenden Zombies umzunieten und im Schlamm zu begraben. Tess warf die Signalfackeln an die Steilwand und sprang zwischen den Klippen wieder hinab zum Strand. Sie benutzte ihren Kopf um das Gelände sinnvoll zu ihren Gunsten zu nutzen. Ich will sehen wie diese Fressen hier runter kommen wollen. Ausdauer! Ausdauer! „Na los, macht das ihr vom Strand wegkommt!“ hinter ihr fielen Infizierte wie Lemminge von den Klippen, immer noch auf ihrer Spur. Sogar mit zertrümmerten Beinen krochen sie weiter auf sie zu. Dann fielen sie neben ihr. Vor ihr. Stießen sich gegenseitig vor Hunger hinab zum Strand. „MACHT DAS IHR WEGKOMMT!“ Die Boote trieben davon. Und vom letzten schimmerte schwach die Fangleine im aufkommenden Sternenlicht.
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Sie schlidderte zu Boden, Dob und Fawyer betrachteten sie missmutig. Aber Tess Plan hatte funktioniert. Die 3 Boote schipperten bereits in sicherer Entfernung. Gott sei Dank. Wenige Momente später lag sie nach Luft schnappend im sicheren Boot. „Durch Ausdauer... werden Kriege gewonnen...“ sie lachte lauthals. Und wieder war sie dem Tod um Haaresbreite entkommen. Gab es für sowas einen Eintrag ins Guinness Buch? Mhmmm Guinness...
"Ist die Kleine immer noch nicht da?" Kopfschütteln. Sie blickte sich um... und in der Ferne sah sie wie Signalfackeln aus der Sicht der Bootsinsassen hinter einer Sanddüne verschwanden – wie kleine Sternschnuppen, die immer noch glommen. Ihre Fangleine war immer noch am Ufer verankert... sie würden warten. Warten. Auf Isabelle. Auf Leo. Warten, solange es eben dauerte.