Ich spreche hier jetzt natürlich aus einer akademischen Kultur heraus, die per se mit weniger Stundentenzahlen ausgestattet ist und notwendigerweise mehr Kontakt zwischen Studenten und Lehrstuhl erfordert. Aber für mich trägt eine solche Software eher dazu bei, die ohnehin verschulten und anonymisierten Strukturen des Universitätsbetriebs noch zu verstärken. Wenn beispielsweise Verständnisprobleme während der Vorlesung aufkommen, sollte man, meiner Auffassung nach, entweder mit dem Lektor oder aber mit den Kommilitonen Austausch betreiben. Persönliches Feedback mit direkten Rücksprachemöglichkeiten ist wertvoller und meiner Meinung nach für Problemlösung um einiges besser geeignet, als ein Meter oder Kommentar.
Ein großes Problem habe ich persönlich auch mit der Kopräsenz von Feedback und Vorlesung. Es ist ein bekanntes und sehr dringlich zu bekämpfendes Phänomen, dass akademischer Stoff von den Studenten nicht nachbereitet wird; das "Ich habe mir das Buch zur Vorlesung gekauft und niemals einen Blick reingeworfen." folgert genau daraus: Entweder es herrscht allgemeines Verständnis, dann wird weder Feedback noch Nachbereitung benötigt; oder es herrscht Verständnismangel, dann sollte zuerst der so gern übergangene Blick in die Bücher folgen. Eine Vorlesung ist nicht primär dazu da, sämtliche Wissensbestände zu schaffen, sondern die Wissensbestände offen zu legen, zu problematisieren und kritisch zu betrachten. Ich kann nicht genau sagen, ob das im MatNat- bzw. im technologischen Bereich anders aussieht, auch hier wird allerdings meines Wissens Selbstständigkeit vorausgesetzt. Wissen entsteht bekanntermaßen aus Reflektion: Im akademischen Bereich bedeutet das vor allem, dass der Stoff im Nachhinein Behandlung finden muss und während der Vorlesung überhaupt noch nicht mit gesichertem Verständnis gerechnet werden kann.
Will der Lektor außerdem direktes Feedback bzw. direktes Verständnis erreichen, so steht ihm doch auch jetzt schon der Weg über das Medium "Fragen" offen. Natürlich regt der Spielaspekt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine gesteigerte Feedback-Bereitschaft an, die Frage ist aber eben, ob das in diesem Bereich zielführend ist.
Ich will dem Projekt damit umgotteswillen nicht die Relevanz oder die Anwendbarkeit absprechen; ich könnte mir beispielsweise durchaus vorstellen, dass die Software für die derzeit immer stärker aufkommenden Online-Veranstaltungen durchaus von sehr hohem Nutzen sein kann. Ich finde nur, oben erwähntes wäre für dich noch interessant zu bedenken.![]()