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Legende
Endlich wieder Licht! Diese Dunkelheit hatte eindeutig zu viele Überraschungen in sich gehabt...
Die deutlich ausgedünnte Gruppe der Überlebenden sammelte sich in der kleinen Einbuchtung des Wartungsschachtes, an deren Kopfseite sich die Leiter zur Oberfläche befand. Tess Beine kribbelten durch die verfluchte Kälte als sie sich vornüber stützte um nach diesem Kraftmarsch nach Luft zu schnappen.
Nach Nikis Ausruf, den sie allerdings nicht verstanden hatte, wandte sie sich an Ian. "Ian? Kannst du dich mal um Niki kümmern – ich weiß nicht was der alleine dahinten sucht aber wir sollten zusammenbleiben. Versuch ihn dazu zu bringen leise zu sein, wer weiß was in diesen offenen Schächten noch alles ist. Und nimm die Brechstange (ot: die mit dem MTC123) hier, das ist besser als nichts." Ian war nach ihrem ersten Satz bereits nickend losgestapft und als Tess sich nach ihm umdrehte und er bereits fort war, steckte sie verdutzt die Stange zurück in ihren Rucksack.
Tess Körper spannte sich überreizt wie eine Bogensehne, als das Funkgerät in ihrem Ohr knackte. Nach den den Kämpfen gegen die Untoten die aus der Dunkelheit vor ihnen aufgetaucht waren lagen die Nerven bei ihr im Moment blank. "Robert, wir stehen alle um dich herum. Wie wärs wenn wir die Funkgeräte für echte Notfälle aufheben? Vor allem jetzt, wo wir vor allem Ruhe brauchen - und keine Leute die uns die Ohren zumüllen. Ansonsten nehm ich dir das Funkgerät ab. Robert, verflucht?" Doch der Anwalt war bereits eingeschlafen. Sie warf frustriert ein Stück verrottetes Holz in das nahe Kanalwasser.
"Bestimmt schmeckt es kalt nicht besonders gut"... bei den Worten von dem kleinen Mädchen horchte Tess auf. Wärme. Sie brauchten Wärme. Und vielleicht konnten sie sogar ihre übrigen Vorräte aufwärmen... irgendwer hatte sicher die Ravioli eingepackt... "Meint ihr es ist eine gute Idee, wenn wir uns wieder ein Feuer gegen die Kälte machen?" Sie sprach zu niemandem bestimmtes und suchte selbst kurz den Boden nach trockenem Holz oder einer flachen Schale ab, die bereits einmal für ein Feuer gedient hatte.
Ich kümmre mich einfach um Nötigste. Also zu dir... sie unterdrückte ihre eigene Angst, als sie sich dem Mann (Ryan) zuwandte der sich auf ihrer Flucht den blutenden Arm gegen die Brust gedrückt hatte. Der Mann, bei dessen Anblick sie bei ihrer ersten Begegnung beinahe in lautes Lachen ausgebrochen war. Nach ihrer Flucht vom Schrottplatz würde wohl niemand, der ihn hatte kämpfen sehen, jemals wieder auch nur ein Schmunzeln auf dem Gesicht tragen können wenn er ihn ansah.
„Ryan?“ Sie kniete sich neben ihn auf ein Stück Pappe. Der Blutverlust hatte ihn unter seinem breitkrempigen Hut bleich werden lassen. Oder war es das flackernde gelbe Licht der Tunnelbeleuchtung? „Ryan, ich seh mir mal deine Wunde an.“ Sie zog vorsichtig den verkrusteten Stoff weg, nachdem sie ihn mit ein wenig Wasser leicht angefeuchtet hatte und lautlos begann ihr Herz beim Anblick der verstümmelten Hand zu rasen. Die Finger waren … abgebissen worden. Sofort drückte sie den Stoff wieder auf die blutenden Stummel. Ihre Hand wanderte zur Machete. Doch wenn sie Ryan wäre... würde sie wollen das man sie einfach so erschlug?
„Ryan, wie fühlst du dich? Tut deine Hand weh? Oder fühlt sie sich eher taub an? Warte ich desinfiziere sie erstmal..." Auch wenn das jetzt wohl kaum noch einen Erreger wegspülen wird, Schätzchen - zu spät. Zu spät. Viel zu spät. "Alistair, könnte ich bitte deinen Whiskey haben? Oder hat sonst jemand was hochprozentiges dabei?“ Gott, bitte sag das sie höllisch schmerzt... bei einer Tollwut fühlte sich die Wundstelle nämlich taub an...
Sie sprach leise, fast flüsternd, weiter auf ihn ein. Nur die, die ihr sehr nahe standen konnten ihre Worte hören. „Ryan, wenn es für dich okay ist möchte ich, das du jetzt für den Fall eines Falles die Handschellen um die Füße trägst. Ich weiß, das ist alles andere als praktisch – aber... durch den Biss bist du möglicherweise infiziert. Und wir wissen nicht sicher wie lange ... es dauert. Ich versprech dir, das wir dich nicht hier zurücklassen." Nicht solange er noch ein Mensch war und die Hoffnung auf Heilung bestand. Er war ihr Patient solange sein Gehirn noch nicht durch die Viren beschädigt war - solange er sich nicht seinerseits anschickte sie zu töten - und sie würde ihn verteidigen, wenn es sein musste. Mit den zwei fehlenden Fingern wäre für den Mann nie wieder alles so wie früher aber Tess würde ihn nicht sterben lassen – ihn ermorden - denn vielleicht war sie morgen schon an seiner Stelle.
Sie betrachtete Ryan und seine blutige, aufgewickelte Peitsche, die neben ihm lag wie eine stumme Anschuldigung. Wenn er für euch stirbt, wirst du nicht wie Fawyer an der Front stehen und kämpfen, nicht kleine Tess? Du wirst dich verkriechen und wieder andere vorschicken - und sie sterben lassen. Ihr Blick blieb konzentriert, als sie Axels Handschellen aus ihrer Brusttasche zog und in ihrem Rucksack nach etwas anderem Ausschau hielt, das sie zusätzlich zum fesseln der Beine benutzen konnte - eventuell eigneten sich die improvisierten Verbände aus Stoff dafür. Mit ihrem Ärmel wischte sie sich über den Augenwinkel. War es Schweiß oder Tränen? Sie wusste es selber nicht.
Sie bereitete still einen Druckverband vor und wartete ab, was Ryan zu sagen hatte. Die Kälte und der beißende Gestank machte ihr zu schaffen - auf ihren Unterarmen breitete sich leichte Gänsehaut aus, die für einige Zeit nicht mehr verschwinden sollte.
Geändert von Viviane (16.08.2012 um 01:00 Uhr)
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