Im Nachhinein war Ellen erstaunt, dass sie tatsächlich so lange durchgehalten hatte. Stundenlang war sie mit den anderen durch die düsteren, engen Kanäle geirrt.

Noch schlimmer als der Gestank - ein umgebundenes feuchtes Tuch (Wasser aus der Flasche, Gott sei Dank - nicht die Dreckbrühe) hatte dagegen einigermaßen geholfen - war das flackernde Zwielicht gewesen. Die träge dahinfließende Flüssigkeit spiegelte das Licht ihrer Taschenlampen und die von weit oben aus den Abflüssen hereinscheinenden Sonnenstrahlen bei weitem nicht so gut wie Wasser, aber eben doch gut genug um einen ständigen, unsteten Widerschein an die Tunnelwände zu werfen. Alles schien in beständiger, subtiler Bewegung, und mehr als einmal hätten sie es deswegen die Bewegungen eines Zombies dicht unter der Oberfläche fast zu spät bemerkt.

Noch schlimmer als das... nein, sie erlaubte sich nicht daran zu denken. [Disziplin - wage es ja nicht, dran zu denken. Da, hilf deinem Nebenmann auf, stütz ihn bis er sich wieder fängt. Willenskraft und Disziplin, damit kennst du dich doch aus.] Oh, und es funktionierte - solange zumindest, bis sie durch einen letzten Tunneleingang taumelten, und sich unversehens in einem wesentlich größeren Raum wiederfanden. Sackgasse. Endstation. Vorerst zumindest.

Was ihr unterwegs schon klar geworden war, traf sie jetzt dennoch wie ein Schock - ja, sie hatten schon wieder Leute verloren. [Es waren schon wieder Leute gestorben, von diesen Dingern zu Boden gerissen und zerfetzt worden... ]

Mühsam beherrscht taumelte sie ein Stück von den anderen Weg, und hatte noch genug Selbstbeherrschung übrig um sich vom Kanal wegzubewegen, sich eine stabile Wand zu suchen, gegen die sie sich stützen konnte, bevor sie den Gedanken zu Ende dachte.

[... zerfetzt worden wie der arme Kerl, dessen braungebrannte Beine dort unten im dämmrigen Zwielicht sanft in der grünlichen Brühe an uns vorbeigeschwappt waren, während wir noch dem Krach von oben lauschten und verzweifelt hofften, dass doch noch jemand es herunter schaffte.]

Würgend stützte sie sich mit einer Hand an der Wand ab, die andere auf ihrem Knie, während ihr Leib verzweifelt versuchte, sich dieses Wissens wie einer verdorbenen Mahlzeit zu erledigen. Nichts als bittere Galle kam ihr über die Lippen, während ein kleiner Teil von ihr ihr beruhigend zusprach. [Gut gemacht, sehr gut - braves Mädchen, war doch gar nicht so schwer. Du kannst Befehle befolgen, wenn du nur willst... nur weiter so, dann kommst du tatsächlich lebend hier raus.]

Als sich Ellen nach einigen Minuten wieder soweit gefangen hatte, dass wenigstens ihr Magen aufhörte zu rebellieren, richtete sie sich wieder auf, und fischte ihre Wasserflasche aus dem Rucksack, um mit einem kleinen Schluck den bitteren Geschmack aus dem Mund zu spülen. [Wenigstens hab ich mich nicht vollgekotzt...] Sie strich die Haare zurück und sah sich nach den anderen um, die sich in dem größeren Raum verteilt hatten.

In einer schummrigen Ecke konnte sie Tess erkennen, die sich anscheinend gerade mit jemandem - der mit dem Rücken zu Ellen stand - über einen am Boden Liegenden zu unterhalten schien [Ihr ... Patient? Ist jemand zusammengeklappt? Sie ist Ärztin, sie kümmert sich um ihn].

Da, plötzlich aus der anderen Richtung: "Finger weg von dem Mädchen, Sie Ferkel!!" [Was zum...?] Sie setzte sich in Bewegung.