Langsam ließ Dani Michails Hände los, sah ihm aber immer noch in die Augen.
Schief gelaufen.. Was hatte Michail da gerade gesagt? Meinte er, jemand hätte Nikita mit Absicht in den Tod laufen lassen? Verwirrt drehte sie jetzt den Kopf und sah Ian hinterher, der irgendetwas von wegen seine Augen überall haben behauptet hatte, und dann einfach verschwand und sich einen Platz zum schlafen suchte. Das reichte. Ok, Nikita hatte sich vielleicht daneben benommen, und ja, er war gegen die Pläne gewesen, wie sie selbst übrigens auch, aber letzten Endes hatte er geholfen, und er hatte es nicht verdient, dann mit Absicht in den Tod geschickt zu werden. Ohne überhaupt noch jemanden eines Blickes zu würdigen, ging sie ein Stück weg von den Umstehenden, ließ sich mehr auf den Boden fallen als dass sie sich setzte und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Sie war fertig, und das in jedem Sinne. So fertig, dass sie gerade nicht einmal mehr weinte, sie wollte einfach nur dass alles vorbei war.

Michail verfluchte sich in diesem Moment selbst. Was hatte er sich vorgenommen? Nichts sagen.
Aber dieser Ian hatte ihn zur Weißglut getrieben, und nun war es raus.
Nikita verraten, ja so hatte er es formuliert, und nachdem der Anführer abgezogen war, sackte Dani plötzlich auf dem Boden zusammen.
Der Russe blickte Ian nach und spielte mit dem Gedanken, ihn zu verfolgen, denn es war nicht gut, öffentlich nach einem möglichen Verräter zu fahnden.
Letztendlich aber ging er zu ihr und hockte sich vor sie auf den Boden. Seine Hand berührte ihre Schulter, und sie löste die Hände von ihrem Gesicht und starrte Michail perplex an.
Ohne ein Wort zu sagen ließ er sich neben sie nieder, legte seinen Arm um Dani und zog sie an sich.

Warum er dies tat, wusste er nicht. Damals, als er noch klein war, hatte er sich oft eine Schulter gewünscht, an der er sich hätte abstützen können. Bekommen hatte er jedoch nur Schläge und Androhungen von noch mehr Schlägen, wenn er sich einsam fühlte und kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand. Drill und Disziplin prägten seine Kindheit und die Jugend. Er brauchte kein Mitgefühl mehr, dieser Zug war abgefahren. Allerdings war das kein Grund, anderen dieses Bedürfnis zu verweigern. Sicher, er hatte keine Ahnung, wie man so etwas anstellte, aber einfach weggehen oder nichts tun, das brachte er nicht fertig

Dani sah Michail nicht wirklich, aber sie realisierte noch irgendwo mit einem Rest klarem Verstandes, dass er es war. Es war überhaupt ein Wunder, dass sie das alles so lange mitgemacht hatte, sie war in ihrem Leben noch nicht einmal Zeuge eines verdammten Unfalles geworden. Als er sich neben sie setzte und sie in den Arm nahm, lehnte sie sich nur an ihn und vergrub ihr Gesicht in seiner Jacke. Er gab ihr wenigstens noch ein bisschen Kontakt zur Realität und sie war ihm dankbar, auch wenn sie gerade den Wahnsinn fast vorgezogen hätte.

Er drückte Dani an sich, auch wenn das von Weitem seltsam aussehen musste, wie sie so mitten in der Gegend herumsaßen, und versuchte dabei die richtigen Worte zu finden. Im Trösten war er enorm schlecht, das wurde ihm jetzt bewusst, trotzdem wollte er es versuchen, wurde aber durch den Duft ihrer Haare davon abgehalten, welche sich jetzt genau unter seiner Nase befanden.
Irgendwie...süßlich. Er kannte den Geruch, wusste aber nicht woher.
Du machst dir jetzt keine Gedanken über den Geruch ihrer Haare. Nicht wirklich, Michail, oder?

Als Dani die Gegenwart eines anderen Menschen spürte, wurde sie langsam wieder klar. Sie meinte sogar fast, Michails Herz zu hören, wie es beruhigend langsam in seiner Brust klopfte. Sie hob den Kopf und hätte ihm fast die Nase gestoßen, da er sich mit seinem Gesicht so nah an ihrem befand. Für einen kurzen Moment meinte sie einen fast sanften Ausdruck in seinen Augen zu sehen, und fühlte plötzlich den Drang ihn zu küssen, und wenn es nur war um sich zu versichern, dass er hier und das alles real war. So verharrte sie ein, zwei Sekunden, bis sie den Blick senkte und leise "Danke" murmelte.

Ihre Augen trafen sich, als sie sich an ihm abstützte und mit diesem Ausdruck im Gesicht ansah. Einen Ausdruck, den er schon lange nicht mehr gesehen hatte. Das letzte mal in seiner Heimat, kurz bevor er hierher kam. Es waren nur Sekunden, für Michail jedoch eine halbe Ewigkeit.
Nein
Er löste sich von der Holländerin und erhob sich, dann zog er sie sanft auf die Beine, sodass sie vor ihm stand, jedoch immer noch recht nahe.
Alles wieder in Ordnung...", sagte er zu ihr, wobei jedoch nicht wirklich hervorging, ob er nun Dani oder sich selbst meinte, denn er schaute etwas unsicher in der Gegend herum und blickte dann wieder die Frau vor sich an.