[Michail]
Michail war mehr oder weniger nur geistesabwesend der Gruppe gefolgt, nachdem ihm irgendwer auf die Beine geholfen hatte und er sich hektischen Fragen nach dem Verbleib von Nikita und Mike stellen musste. Er beantwortete alles wahrheitsgemäß und wie in Trance, aber wirklich bei der Sache war er nicht. Einzig den Gnadenschuss für seinen Kameraden behielt er für sich, er wusste, dass die Mehrzahl der Personen hier es sowieso nicht verstehen würden.
Den ganzen Weg über hatte er den Knall im Ohr. Nikitas halb zerfetztes Gesicht vor Augen. Das Gefühl im Finger, als er den Abzug zog um den Weißrussen zu erlösen.
Irgendwas stimmte nicht.
Diese Explosion hatte er schon einmal miterlebt. Das war die Reaktion eines Gewehrs auf eine fehlerhafte Kugel im Lauf. Allerdings fiel die Reaktion niemals so heftig aus, dass es das gesamte Gewehr zerriss.
Irgendwas stimmte ganz und gar nicht.
Ablenkung fand er ein wenig in Dani, welche seit den Geschehnissen im Flughafen schweigend neben ihm herlief; leider war Michail momentan gar nicht nach einer Unterhaltung, und er nahm wohlwollend zur Kenntnis, dass die Frau dafür Verständnis zu zeigen schien.
Als es die Überlebenden zum Schrottplatz verschlug, war dem Russen noch immer nicht nach Reden zumute, dafür konnte er nun etwas klarer denken und besah sich die Szenerie. Sofort in's Augen fiel ihm die Harley vor der Wellblechhütte. Als Kind hatte er auch solch ein Motorrad haben wollen, aber er hätte gar nicht die Zeit für solch eine Maschine gehabt.
Seine Augen wanderten weiter und der Blick blieb an dem Panzer hängen.
Leopard 1, deutsches Fabrikat, Rückgrad der australischen Armee. Allerdings nur noch Schrottwert. Stellte er nüchtern fest, tigerte dann aber zu dem Kriegsgerät herüber und besah es sich mehr aus Ablenkung, als dass er sich wirklich dafür interessierte.
Dani unterdessen war ihm gefolgt, wartete nun aber in ein paar Metern Entfernung, den Russen mit unsicherem Blick anschauend.
Hast du schonmal jemanden getötet?, fragte Michail plötzlich mit ruhiger Stimme auf Englisch mit seinem typischen Akzent. Die Augen blieben an dem Panzer hängen, aber die Worte waren an Dani gerichtet. Vielmehr schien es aber eine rethorische Frage zu sein, denn er sprach sogleich weiter.
Что я делаю. Бесчисленные. (Chto ya delayu. Beschislennye./Ich schon. Unzählige.)", er schaute auf und drehte sich zu der Holländerin, welche ihn verwirrt mit ihrem tränenverschmierten Gesicht anblickte. Michail zögerte und fügte dann wieder auf Englisch hinzu:
"Tut mir leid, vergiss die Frage", dabei hielt er das Sturmgewehr locker in einer Hand und betrachtete sich dann das Magazin. Eine einzige Kugel war noch darin. Die Vorletzte hatte Nikita bekommen.
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[Dani]
Die Flucht aus dem Flughafen und den Weg zu dem Schrottplatz hatte Dani wie in Trance erlebt. Nikita hatte es nicht geschafft, und das hatte ihr den Rest gegeben, obwohl sie ihn ja kaum gekannt hatte. Obwohl er gegen den Plan war, D53 zu helfen hatte er seinen Kopf für die Gruppe hingehalten und war dabei gestorben. Als sie den Schrottplatz erreicht hatten war ihr Gesicht von Tränen und Schlamm verschmiert, ausserdem schienen sie die Insekten zu lieben. Sie hielt sich immer noch in Michails Nähe, der einzige mit dem sie näher etwas zu tun gehabt hatte, sah man mal von Dob ab. Und Nikita., bei diesem Gedanken sah sie wieder seine Augen vor sich, die so faszinierend auf sie gewirkt hatten. Aber Michails schweigsame Gesellschaft war ihr dann doch lieber im Gegensatz zu Dob, auch wenn sie normal um Typen wie ihn einen großen Bogen gemacht hätte. Zumindest in dunklen Straßen. Sie folgte ihm zu dem Panzer.
Hast du schonmal jemanden getötet?, riss sie die Frage des Russen aus ihren wirren Gedanken. Das nächste konnte sie nicht verstehen, erst wieder: "Tut mir leid, vergiss die Frage" Sie trat neben ihm und sah ihn an, als er das Gewehr in der Hand wog. Nein, sie hatte noch nie getötet, aber irgendetwas war in ihr vorgegangen, seit dieser ganze Wahnsinn begonnen hatte, was sich auch in ihren Augen zeigte, eine Art von Horror die der normale Mensch eigentlich nicht sehen sollte. Den überhaupt niemand sehen sollte. Sie legte ihm die Hand auf den Arm der das Gewehr hielt und sah ihm fest ins Gesicht. "Nikita?", fragte sie nur.