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Ehrengarde
Abby träumte schlecht.
Sie jagte durch die Stadt, immer auf der Flucht vor den Zombies, sah erneut Nikitas Waffe in Zeitlupe explodieren - seine Hand zerfetzend bis auf den blutigen Stumpf - sie sah Mike fallen. Hörte die Todesschreie. Alistair warf sich über den Zaun.. sie konnte ihn nicht aufhalten, fiel kraftlos in den Staub. Und sie sah ihre Söhne. Ihre Söhne.
Eine tröstende Stimme drang an ihr Ohr und Abbys Atem beruhigte sich.
Sie schlug die Augen auf, nur um von ihrem Alptraum in die alptraumhafte Realität überzugleiten. Clovers Stimme dämpfte das dumpfe Gefühl in ihrer Magengegend, als Abby erwachend begriff, dass die Zombieapokalypse wirklich geschehen war und ersetzte es durch das tröstende Bewusstsein, nicht alleine zu sein.
Sie setzte sich auf und merkte, dass sie nicht am Lagerfeuer im Staub lag, wie sie eigentlich sollte. "Jemand hat mich auf das Bett gelegt.", dachte sie verwirrt. Doch nicht etwa der Ire? Nein. Unmöglich.
Lächelnd betrachtete sie Clover , die im Büro saß und über die Lautsprechanlage für die Überlebenden sang. Sie musterte Ian und Isabelle, die in ein wichtiges und offenbar emotionales Gespräch vertieft waren, Andris, der schlafend auf dem Bett neben ihr lag und beschloss, dass sie hier fehl am Platz war und außerdem eine Dusche brauchte.
Ihr Pausenbrot vom Vortag verspeisend stapfte Abby zu den Sanitäranlagen. Das Wasser war eiskalt. Laut und einfallsreich fluchend zog Abby die reinigende Prozedur mit einem Stück Kernseife durch, das jemand auf die Ablage gelegt hatte. Ihre Haare würden davon ziemlich stubbelig werden. Ihr hätte nichts egaler sein können.
Die Handwerkerin wusch auch ihre Kleidung und zog sie notgedrungen nass wieder an.
Als Abby schließlich wieder nach draußen trat und grummelnd auf das Lagerfeuer zustapfte, war sie klatschnass, durchgefroren und ziemlich angesäuert. Aber sie fühlte sich wieder einigermaßen menschlich, was ja in der gegenwärtigen Situation bei weitem keine Selbstverständlichkeit war.
Am Lagerfeuer hockte eine verloren aussehende Gestalt, den Rücken ihr zugewandt, und wie gebannt auf die Zombies starrend.
Abby blieb stehen. Der Ire würde es nicht mehr lange machen, wenn das so weiterging. Sie betrachtete seine Waffe, die wie vergessen in seiner Hand lag. Der Griff konnte sich jederzeit festigen, sich um den Abzug legen, abdrücken. Welches Ziel würde er wohl wählen? Die Zombies? Das Gruppenmitglied, das es wagte, sich ihm zu nähern? Sich selbst?
Bedächtig holte Abby ihre Tabaktüte hervor und drehte sich eine Zigarette, während sie ihn betrachtete.
Normalerweise wäre sie herübergegangen, hätte der betreffenden Person einen Hand auf die Schulter gelegt und mit ihr geredet, aber die Situation war fragil. Er machte den Eindruck eines verwundeten Tieres.
Ihn zu berühren, wäre ein Fehler. Ihn zu bedrängen wäre ein Fehler. Ihn alleine zu lassen aber auch.
Sie hatte fertig gedreht, ging nun ruhig auf Alistair zu und setzte sich in einigem Abstand neben ihm, wobei sie darauf achtete, gerade so weit vorzugehen, dass er sein Gesicht verbergen konnte. Ihr Feuerzeug schnappte und einige Sekunden später zog Zigarettenrauch durch die Luft.
Wortlos hielt sie dem Iren die zweite Zigarette hin.
Geändert von Ty Ni (14.08.2012 um 01:51 Uhr)
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