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Legende
Askar kam es vor wie eine Ewigkeit seit er in Reykjavik in ein kleines Flugzeug gestiegen war. Von Island aus gab es keine zu weiten Flüge und als er das Flugzeug von außen gesehen hatte, wusste er auch direkt warum. Jedenfalls war er einige Stunden später in Frankfurt am Main, von dort aus ging es mit einem schier überdimensionalen Flieger weiter nach Hong Kong und von dort aus nach Sydney.
Der Nordmann hatte zwar ein Fernsehgerät zu Hause stehen, aber so wirklich viel hätte man darüber nicht von der Welt mitbekommen. Meistens musste man alle halbe Stunde einmal aufstehen und die etwas verlotterte Antenne wieder zurechtbiegen um wenigstens Reykjaviks öffentlichen Nachrichtensender und einen kleinen Regionalsender zu empfangen. Auf dem ganzen Rest der gefühlt 100 Signale kam nur ein ziemlich grobes Rauschen mit einem Bild, welches Askar schon von klein auf direkt an die herben Schneestürme Islands im nördlichen Glätschergebiet erinnert hatte. So war bereits die Silhouette Frankfurts, das er aus dem TV nur als Europas Börsenzentrum kennengelernt hatte, bereits beeindruckend und fremdartig zugleich. Einzig die generelle Farbgebung der ganzen riesenhaften und übertrieben wuchtigen Bauten konnte er nicht ganz nachvollziehen. Alles war irgendwie grau oder mehlig weiß gehalten. Zu Hause waren die Häuser farbenfroh und irgendwie wirkten sie auch einladender, während Deutschland eher einen ziemlich nüchternen und bis weilen sogar abweisenden Eindruck hinterlassen hatte. Zumindest was die wenigen Eindrücke anging, die er davon mitnahm. China hingegen war schlichtweg seltsam. Hatte Europa auch in entfernteren Ländern noch irgendwie etwas Bekanntes, so war Hong Kong eher etwas, das man vielleicht in einem Märchen schildern würde. Die Pagoden mit den geschwungenen Dächern und vor allem so unmöglich viele Leute auf einem Haufen machten dem gestanden Mann beinahe ein wenig Angst, auch wenn seine Neugierde ihn immer wieder zum Hinsehen zwang.
Aber jetzt war er endlich in Sydney. Und das erste, was er spürte, als er auf dem großen Flughafen aus dem Flieger stieg war die Temperatur. Natürlich war ihm auch schon in Deutschland und China zu warm gewesen, aber hier, am Ende der Welt war es direkt unerträglich, trotz Klimaanlagen. Er war deutlich weniger Grade gewohnt. Aber auch hier hatte er ersteinmal andere Probleme. Askar vermied es zu viel zu sprechen, er beherrschte die englische Sprache zwar recht gut, allerdings verstand man ihn aufgrund eines ziemlich wuchtigen nordischen Akzents oft einfach kaum, sodass er erst alles mindestens zweimal recht langsam sagen musste, bevor irgendwer überhaupt einordnen konnte, was er denn jetzt grob wissen wollte. Dafür aber hatte Askar in einer dreistündigen Suche nach dem richtigen Terminal in Frankfurt direkt einiges an Übung gesammelt, was das Zurechtfinden auf einem großen Flughafen anging. Seine beiden Berufe spielten ihm dabei deutlich in die Hände. Von Vorteil war hierbei auch, dass er mit seiner Statur gut 80% der anderen Fluggäste und Bediensteten überragte und sich so einen ordentlichen Überblick verschaffen konnte. Instinktiv suchte er nach den schildern, die irgendwie den Ausgang beschrieben.
Er folgte der absteigenden Nummer der Abfertigungshallen und es dauert nicht lange, bis er in Halle D52 landete. Vor dem Durchgang zur nächsten Halle staute sich allerdings eine ziemlich große Traube von Fluggästen. Askar war in der letzten Halle schon aufgefallen, dass hier irgendwo eine heftige Grippe grassieren musste, ein paar Gesichter sahen alles andere als gesund aus. Er beschloss abzuwarten, bis sich das Gedränge von selbst auflösen würde und stellte sich mehr zufällig vor eine - wie ihm im selben Moment auffiel - erst kürzlich ausgetauschte Scheibe in der Panoramawand. Mit einer Hand hob er die ziemlich abgenutzte und mittlerweile mehr ziemlich dunkel gefleckte als weiße Baseballkappe vom Kopf und fuhr sich mit der anderen Hand durch das kurze, leicht gelockte, dunkelbraune Haar. Er würde bald mal ein ein wenig luftigere Kleidung anziehen müssen, ehe er hier noch einging. Momentan trug er einen typisch skandinavischen Strickpullover mit einer kleinen Musterung auf Brusthöhe und eine solide wirkende Jeans in grau. Während er über die eigentlich viel zu warme Kleidung in seinem restlichen Gepäck nachdachte, wanderte sein Blick über die Scheibe und blieb kurz an einer Frau, die nicht wirklich wie eine Frau wirkte, hängen. Eine Frau mit Werkzeugkasten?
Geändert von weuze (06.08.2012 um 13:29 Uhr)
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