Nur fünf Tage habe ich an Phantasy Star II gesessen – kurz kam mir das Spiel trotzdem nicht vor. Irgendwie bin ich froh, das ich's nun hinter mir hab, auch wenn man dem Spiel nicht abstreiten kann, gerade für seine Zeit in mehr als nur einer Hinsicht neue Maßstäbe gesetzt zu haben.
Einfluss aufs Genre
Grafisch ist dies kaum abzustreiten. Nicht nur war Phantasy Star II das erste RPG auf dem Sega Mega Drive (bzw. Genesis) – einer Konsole, die technisch zwischen dem NES und dem SNES einzuordnen ist –, sondern auch das erste Spiel überhaupt mit einer solchen Modulgröße. Die Grafik im Spiel erinnert mehr an SNES-Spiele als an die NES-Zeit, obwohl die Lebenszeit des NES noch nicht am Ende angelangt war. Die animierten Gegner, die schon beim ersten Teil beeindruckend waren, sowie die verschiedenen Layer in den Dungeons, die es so bei NES-Spielen noch (soweit ich weiß) nicht gab, sind auf jeden Fall ein großer Schritt nach vorn gewesen. Auch die Hintergründe und Charakterportraits sehen merklich detaillierter aus als bei anderen Spielen dieser Zeit.
Oft wurde das Spiel damals dafür gelobt, eine spannende und charakterorientierte Geschichte zu erzählen. „Charakterorientiert“ ist natürlich ein dehnbarer Begriff. Wäre ich zynisch, könnte ich hier anbringen, dass der Hauptcharakter (und Nei) die einzigen der sechs Charaktere sind, die überhaupt in der Story auch nur erwähnt werden, alle anderen haben nur einen kurzen Auftritt in der letzten Sequenz. Bemerkenswert ist aber, dass der Hauptcharakter ein paar innere Dialoge führt und dass es zwei Charaktertode gibt, von denen einer sogar ziemlich tragisch dargestellt ist.
Einzigartiger ist aber sicherlich die Geschichte. Dass Phantasy Star die so ziemlich einzige RPG-Serie ist, die ein reinrassiges Science-Fiction-Setting nutzt (nicht nur Science Fantasy wie Star Ocean etc.), bietet natürlich eine gute Grundlage für eine in dem Genre unverbrauchte Handlung. Und so geht es darum, gegen das Regime vorzugehen, das im Grunde genommen nur aus einem Supercomputer namens Mother Brain besteht, der die ganze Welt steuert – das Wetter, das Biosystem und auch alles andere. In reicher Zahl vorhanden sind alle möglichen futuristischen Erfindungen und Institutionen. Statt wiederbelebt zu werden, werden die Charaktere geklont, und Teleportation ist problemlos schon von Beginn des Spiels an möglich.
Sicherlich war Phantasy Star II in dieser Hinsicht eines der fortschrittlichsten Spiele seiner Zeit. Ich bin trotzdem der Meinung, dass Final Fantasy II es wesentlich besser schafft, seine Geschichte zu präsentieren. Allein schon deshalb, weil es einfach wesentlich mehr handlungsrelevante Dialoge gibt. Das Setting in Final Fantasy II ist auch mindestens ebenso ernst wie in Phantasy Star II, die Atmosphäre noch etwas dunkler, die Geschichte noch etwas tragischer. Klar, das Setting ist klassischer, aber man sollte Phantasy Star II nicht die alleinige Ehre geben, das Storytelling in dem Genre vorangetrieben zu haben. So wird es nämlich häufig dargestellt.
Was zweifelsohne recht fortgeschritten war, ist das Kampfsystem. Denn hier erlernen die Charaktere sogar mal Fähigkeiten, und man hat sogar die Möglichkeit, die Kämpfe mehr oder weniger automatisch ablaufen zu lassen. Wie auch schon zuvor in Final Fantasy I und II (und davor Wizardry) kann man Items im Kampf zum Angreifen benutzen (auch Ausrüstungsgegenstände). Heute ist das natürlich nicht besonders beeindruckend, und letztlich ist alles immer noch sehr simpel. Final Fantasy III hat die strategische Vielfalt in dem Genre sicherlich auch viel besser zum Ausdruck gebracht, aber Phantasy Star II war für seine Zeit auch in dieser Hinsicht sehr fortschrittlich.
Das Spielerlebnis
Kaum erträglich sind die Kämpfe aus heutiger Sicht allerdings trotzdem. Nicht wegen des Kampfsystems, sondern wegen der hohen Encounter Rate, den riesigen Dungeons und der massiven Notwendigkeit, teilweise stundenlang zu grinden. Zwar hat sich Phantasy Star II von den First-Person Dungeons des Vorgängers gelöst, hat sich aber stattdessen dafür entschieden, fast alle Dungeons gigantisch, verworren (teilweise mit mehr als 60 Teleportern!) und mit vielen Sackgassen zu gestalten. Kein Wunder, das dem Spiel Karten sämtlicher Dungeons (und zwei Weltkarten) beilagen – die sind dringend notwendig, denn ohne die irrt man stundenlang in den Dungeons herum und muss sich ständig herausteleportieren um sich zu heilen. Diese Fähigkeit, ebenso wie ein Skill, der einen in die letzte Stadt zurückbringt, ist zum Glück schon gleich zu Beginn verfügbar – das erspart Backtracking, was man dem Spiel definitiv zu Gute halten sollte.
Wenn ich davon spreche, dass man viel grinden muss, dann meine ich wirklich viel. Und zwar geradezu abartig viel. Und selbst dann sind die Gegner im nächsten Dungeon wieder eine Bedrohung. Um sich neue Ausrüstung zu kaufen, kann es schon mal vorkommen, dass man mehr als nur hundert oder zweihundert Kämpfe bestreiten muss. Im gesamten Spiel kämpft man sicherlich mehr als zweitausend Kämpfe. Eine gigantische Zahl. Ich habe das Spiel auf dem Emulator gespielt und beim Grinden das Spiel auf die zehnfache Geschwindigkeit hochgeschraubt – selbst dann saß ich aber öfter mal 15-20 Minuten dabei. In dieser Zeit habe ich bestimmt jedes Mal 300-500 Kämpfe gekämpft.
Dann muss noch gesagt werden: Das Spiel ist grafisch zwar toll, betreibt aber massives Recycling. Es gibt endlos viele Recolors von Charaktermodellen, Gegnern und sogar Dungeon-Texturen. Im ersten Teil hat man das Gefühl, nur eine einzige Art von Dungeon zu sehen. In vielleicht ein paar kleinen Variationen. Das wird auch irgendwann langweilig. Im zweiten Teil ist es eigentlich nicht anders, auch wenn es sich da etwas abwechslungsreicher anfühlt. Es ist im Übrigen auch nicht hilfreich, wenn die Rohe oder der Nebel, der als Top-Layer einen beeindruckenden grafischen Effekt haben sollte, so viel vom Bildschirm einnimmt, dass er bisweilen Wände, Wege und Charaktere verdeckt.
Die Roboter-Modelle der Gegner sehen ziemlich massiv aus. Beeindruckend fand ich definitiv auch die riesigen Tiere. Einige Sachen waren dann aber doch sehr gruselig, wie etwas die Hasen, die im Kampf permanent ihr ständig rausfallenden Gedärme wieder in ihren Bauch gestopft haben. Na ja. Dafür kann das Spiel immerhin von sich behaupten, die bisher wohl besten Anime-Grafiken in den Bildern der Zwischensequenzen zu haben.
Die Musik passt recht gut zum Setting. Manchmal ist das nur belangloses, auf Dauer nerviges Gedudel, aber ein paar Stücke haben mir wirklich gut gefallen, wie etwa die Weltkartenmusik auf Dezolis und eines der späteren Dungeon Themes.
Eindruck
Ich weiß nicht genau, was nun mein abschließender Eindruck vom Spiel ist. Durch den Emulator fand ich es gar nicht so unerträglich. Gerade die Grind-Sessions haben mich dazu eingeladen, im Hintergrund schöne Musik anzumachen (so habe ich die Musik von Dragon Quest X ein bisschen kennengelernt). Wirklich schlimm waren eigentlich nur manche Dungeons. Selbst mit einer genauen Anleitung war es müßig, ständig wieder das gleiche zu erdulden. Und das waren ja alles keine 5-Minuten-Dungeons, sondern gigantische Fabrikhallen, endlos hohe Türme oder riesige Höhlensysteme.
Ich bin auch immer noch nicht so ein Fan von dem Setting. Ich kann ehrlich sagen, dass es hier ziemlich gut umgesetzt wurde und auch entsprechend auf die Atmosphäre gewirkt hat. Als ich das erste Mal gesehen hab, dass man seine Charaktere klont, statt sie wiederzubeleben, war das schon ein besonderer Moment. Und an Ideen mangelt es dem Spiel nicht. Dass das Spiel ganz am Ende noch mit einer spannenden, unvorhersehbaren Wendung und einem offenen, möglicherweise zutiefst negativem Ende aufwartet, hat mir auch gut gefallen. Ich bleibe aber dabei, dass ich Setting mit futuristischen Elemente, oder Science Fantasy, oder Steampunk solchen Setting wie in Phantasy Star vorziehe.
Fazit: Phantasy Star II hat eine interessante Handlung und ein gut umgesetztes Setting und setzt für das Genre in grafischer, aber teilweise auch in spielerischer Hinsicht neue Maßstäbe. Aus heutiger Sicht ist das Grinden aber sehr ermüdend, und die gigantischen Dungeons mehr als nur ein bisschen nervig. Dazu ist leider auch die Story recht dünn auf die Spielzeit verteilt. Ein interessantes Spiel allemal, aber keines, dass ich heute noch irgendjemandem empfehlen würde.
Spielzeit: 13:40h Wertung: 3,5/10
Übermorgen geht es dann mit Xillia los! Von den Uralt-Spielen steht als nächstes bei mir SaGa an, gefolgt von Dragon Quest IV, auf das ich schon gespannt bin.