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  1. #11

    Indie-RPGs / Crowdfunding

    Ich denke, ich werde den Gamelog künftig ab und zu mal nutzen, um über themenbezogene Dinge zu schreiben, die mich gerade beschäftigen. Quasi ein bisschen blogartig.

    Life is Strange ist großartig und Ori And The Blind Forest ebenfalls, unabhängig von der Affinität zu den jeweiligen "Genres" kann ich diese Spiele nur jedem ans Herz legen. Beides GotY-Kandidaten für mich und besser als alle Neu-Releases, die ich letztes Jahr gespielt habe (abgesehen von Child of Light).

    Aber darüber will ich heute gar nicht reden, sondern über die unabhängige Spielentwicklung und Crowdfunding im Allgemeinen. Ursprünglich waren es nur eine (lange) Reihe Tweets, doch jetzt habe ich das Bedürfnis, diese Gedanken etwas geordneter auszuformulieren.

    Ich finde, dass die unabhängige Spielenwicklung, oder "Independet Game Development", eine richtig tolle Sache ist. Kleine Entwickler haben die Möglichkeit, das zu tun, was sie tun wollen, und wenn sie gut darin sind, können sie auch Geld damit verdienen. In vielen Fällen ist es wirklich eine Herzensangelegenheit der Entwickler, solche Spiele zu machen. Solch eine Liebe zum Produkt der Arbeit sorgt nicht zwangsläufig für ein gutes Ergebnis, gibt mir aber das sehr wichtige Gefühl, dass die Entwickler bemüht waren, etwas Tolles zu machen und ihre Vision umzusetzen.

    Natürlich ist es für solche Entwickler oft unheimlich schwierig, sich zu finanzieren. Das liegt mitunter auch daran, dass Geld während der Entwicklung her muss, nicht erst am Ende. Publisher gehen solche Risikos oft ungern ein, und überhaupt würde das ja die Unabhängigkeit einschränken. Das ist nicht zwangsläufig schlimm, denn der Publisher kann durchaus dabei helfen, dass am Ende ein besseres Produkt dabei herauskommt, aber er sollte den Entwicklern keine Vorschriften machen, die die ursprüngliche Vision eingrenzen.

    Zwei gute Beispiele sind die oben genannten Spiele Life Is Strange und Ori. Life Is Strange wird von Dontnod entwickelt. Die französischen Entwickler wandten sich an mehrere Publisher, jedoch war Square Enix der einzige, der sie das Spiel auf die Weise umsetzen ließ, wie sie es umsetzen wollten. Andere wollten beispielsweise das Geschlecht der Hauptfigur ändern, etwas, das dem Spiel ein ganz anderes Spielgefühl gegeben hätte. Ob das Episodenformat eine Einschränkung von SE ist, oder auch Dontnods Wohlwollen trifft, weiß ich nicht, jedoch leidet das Spiel nicht groß darunter, da es sich sehr für dieses Format anbietet bzw. sogar darauf ausgelegt ist.

    Bei Ori hat das unabhängige Team Moon Studios Hilfe von Microsoft erhalten. Moon Studios besteht aus talentierten und erfahrenen Entwicklern, die über die ganze Welt verstreut sind. Mit dem richtigen Team ist Arbeiten auch so möglich. Von dem, was man so hört, hat sich Microsoft gegenüber Moon Studios sehr unterstützend gezeigt und das ursprüngliche Budget sogar auf Anfrage vergrößert. Nicht ohne Erfolg: Ori ist innerhalb einer Woche für Entwickler und Publisher profitabel gewesen. In diesem Fall scheint Microsoft einfach von der Vision und der Umsetzung überzeugt gewesen zu sein. Die größte Einschränkung hier ist die Beschränkung auf Microsoft-Systeme, aber darüber wundert sich wohl keiner.

    Wenn es jedoch keinen Publisher gibt oder geben soll, gibt es noch eine andere Möglichkeit, heutzutage ein Spiel zu finanzieren, nämlich durch die Masse. Crowdfunding heißt das Schlagwort, und es wird stets relevanter. Mit CrossCode konnte sogar ein Projekt von Leuten aus diesem Forum Crowdfunding-Erfolge verbuchen, doch die tatsächliche Liste ist viel größer. Man darf natürlich nicht blind an die Sache herangehen: Die Projekte, die nicht überzeugen, scheitern natürlich meist. Das schließt all die billigen Spiele von Leuten, die weder viel Erfahrung in der Erstellung noch in der Vermarktung haben, ein. Aber oftmals auch durchaus ambitionierte Projekte, die einfach nicht medienwirksam genug präsentiert wurden den Massengeschmack zu wenig treffen.

    Im RPG-Bereich sind es in letzter Zeit fast öfter solche Projekte, die mein Interesse auf sich ziehen, als tatsächlich japanische Titel. Die, die mich wirklich ansprechen, interessieren mich natürlich nach wie vor sehr, aber ich habe oftmals das Gefühl, dass mir kleine Spiele von ambitionierten und leidenschaftlichen Entwicklerteams mehr bieten können als ein weiterer Griff in die Anime-Klischee-Kiste mit nicht ganz ausgereiften Gameplay-Drumherum wie Tales of ABC oder Shining Resonance.

    Tatsächlich sind mit der Zeit einige für mich interessante Indie-RPGs verschiedener Größenordnung aufgetaucht. Mir fallen gerade ein:
    • Cosmic Star Heroine: Fantasy-SciFi-Agenten-RPG mit schöner SNES-Grafik und klassischem, aber modernisiertem und gut funktionierendem Gameplay
    • CrossCode: ein sehr rund wirkendes Action-RPG mit viel Retro-Charme und sehr vielversprechenden Mechaniken (Ballwurf, Rätsel)
    • Soul Saga: ein 3D-Spiel, vielleicht etwas ungeschliffen, aber von Idee, Stil und Ausmaß ansprechend und leicht nostalgisch
    • Shiness: ein ambitioniertes RPG mit interessantem Beat-'em-Up-Hybrid-Kampfsystem und einer klassischen und liebenswerten Geschichte, das das Herz am rechten Fleck hat
    • Unraveled: Tale of the Shipbreaker's Daughter: Zwar technisch ein RM-Spiel, das sich aber optisch gelungen abgrenzt, eine schöne Grundidee und ein unverbrauchtes, spannendes Setting hat
    • Pier Solar HD: Solides Retro-16-Bit-Spiel in neuer Grafik. Bereits erschienen.


    Abgesehen vom "kleineren" Unraveled sind das übrigens alles Spiele mit einem Budget von etwa 100.000 USD. Das ist sehr wenig Geld, und die Spiele können deshalb so günstig entwickelt werden, weil die Entwickler sehr genügsam sind, es keine hohen Verwaltungskosten gibt, bereits viel der Arbeit vorher erledigt ist und es sich nicht nur um einen Beruf, sondern eben auch immer noch um ein Hobby und eine Leidenschaft handelt. Von Leidenschaft allein kann natürlich keiner leben, aber es sollte klar sein: Das Geld, das die meisten dieser Spiele bekommen, würde nie und nimmer ausreichen, um ein Spiel gleichen Ausmaßes zu finanzieren, das in einer richtigen Firma entsteht (abgesehen von evtl. Pier Solar).

    Ich persönlich bin trotz all der Risiken und Unsicherheiten ein großer Fan von Crowdfunding. Die Spiele, die am Ende dabei herauskommen, mögen zumeist vielleicht etwas ungeschliffen sein, aber bieten mir auf anderer Ebene doch so viel mehr als viele der aktuellen japanischen Erscheinungen. Und mehr noch: Sie bieten mir viel von dem, was ich wirklich suche, im Gegensatz zu einem beträchtlichen Teil heutiger JRPGs, die sich erfolgreich an meinem Geschmack vorbeizuentwickeln scheinen.

    Wir sind noch in einer sehr frühen Phase der Finanzierung durch die Masse. Crowdfunding garantiert keinen finanziellen Erfolg. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall: Selbst erfolgreich finanzierte Projekte verkaufen sich im Anschluss nicht sehr gut. Das ist natürlich insofern problematisch, dass die Entwickler langfristig in einem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis zu potentiellen Unterstützern stehen. Das ist okay, aber besser wäre es noch, wenn ein erfolgreich finanziertes Spiel nach der Fertigstellung genug Gewinne für die Entwickler abwirft, um ein neues Projekt zu finanzieren, für das im Optimalfall dann sogar mehr Budget zur Verfügung steht.

    Fakt ist für mich, dass sich der tatsächliche japanische Nischen- und Mainstream-Markt in eine Richtung entwickelt, die mir nicht sonderlich gefällt. Ja, es gibt Ausnahmen (die gibt es immer und wird es immer geben), aber in der Masse tendieren die Spiele eher dazu, mich nicht zu begeistern. Ob diese Indie-Spiele das können, muss sich erst noch zeigen, aber sie können mich zumindest konzeptionell überzeugen. Das schaffen nur sehr wenige aktuelle JRPGs.

    In jedem Fall steht für mich fest, dass ich auch in Zukunft sehr dicht am Geschehen sein will und Projekte, die mir interessant genug erscheinen, gerne unterstütze. Der Markt wird weiterwachsen, und auch, wenn es für Entwickler ohne bekannten immer eine Herausforderung sein wird, erfolgreich die Augen der Masse auf sich zu ziehen, so gibt es doch immerhin Möglichkeiten. Ich bin gespannt, wo wir in zwei, drei, fünf Jahren stehen werden.
    Geändert von Narcissu (28.05.2015 um 00:44 Uhr)


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