Für den weiteren Verlauf meiner Rückreise in die SNES-Zeit habe ich mir gleich mal den ziemlich neusten Titel herausgepickt: Star Ocean. Auslöser dafür war natürlich die Ankündigung von Star Ocean 5, gepaart mit der Tatsache, dass ich noch nie wirklich ein Star Ocean gespielt hatte – abgesehen vom Anfang des PSP-Remakes Star Ocean: First Departure.

Man merkt gleich, dass Star Ocean ein spätes SNES-Spiel ist, denn es ist möglicherweise der grafisch schönste Genrevertreter dieser Zeit. Schöne Farben, detaillierte Umgebungen, jede Menge einzigartiger Grafiken, verspielte Bewegungseffekte, beeindruckende Hintergründe – Star Ocean hat alles.

Was auch sofort auffällt: Die Gemeinsamkeiten zu Tales of Phantasia sind gigantisch. Man merkt sofort, dass das gleiche Team bzw. Teile des Teams hinter dem Spiel sitzen. Neben der Grafik und Musik merkt man das besonders im Menü, doch auch das Kampfsystem und selbst die Geschichte haben große Ähnlichkeiten zum ersten Tales of.


Im Kern ist Star Ocean ein durch und durch sympathisches 16-Bit-JRPG, das spielerisch ein paar frische Ideen reinbringt. Allen voran das Kampfsystem, das zwar kommandobasiert ist, jedoch die Distanz zwischen zu den Gegnern berücksichtigt. Im Grunde genommen ist es ein Echtzeit- oder Action-Kampfsystem, in dem man selbst nicht herumlaufen kann, sondern nur seine Gegner auswählt. Die Idee ist nett und macht anfangs Spaß, allerdings fallen zwei Faktoren stark negativ ins Gewicht:
- Dadurch, dass man sich nicht frei bewegen kann, ist es oft schwierig, Gegner in der hinteren Reihe anzugreifen. Denn statt um andere Gegner herumzulaufen, wählt die KI stets den direkten Weg. Oft läuft man also in andere Gegner hinein, und die eigene Aktion wird abgebrochen.
- Die Kämpfe sind oft entweder extrem leicht oder extrem gefährlich. Starke Gegner können sehr bedrohlich sein, da man oft fast kampfunfähig ist, bevor man es überhaupt merkt. In den ersten zwei Dritteln des Spiels reicht jedoch oft ein Dauerdrücken des A-Knopfs. Lediglich die Magier in den hinteren Reihen muss man manchmal priorisieren.

Leider hat Star Ocean auch eine enorm hohe Encounter Rate. Das ist umso schlimmer, weil man im Spiel sehr viel herumläuft. Neben einer Auswahl langer Dungeons gibt es nämlich auch noch zig Zwischengebiete, durch die man laufen muss und im Rahmen der Handlung ist viel Backtracking angesagt. Deshalb habe ich mich nicht schwer mit der Entscheidung getan, zwischenzeitlich durch einen Cheat die Zufallskämpfe auszuschalten. Im Spiel selbst gibt es tatsächlich auch so einen Skill, der muss jedoch erst einmal auf eine hohe Stufe gebracht werden, um effizient zu sein.

Damit wären wir beim nächsten Punkt: die Skills. Star Ocean hat ein sehr interessantes Fähigkeitensystem, das Level Ups und das Einkaufen neuer Fähigkeitenarten mischt und daraus ein System ableitet, das sowohl aktive als auch passive Skills bestimmt. Außerhalb der Kämpfe kann man beispielsweise kochen, Items verbinden oder neue Waffen schmieden. Leider muss ich gestehen, keine dieser Optionen wirklich genutzt zu haben. Die Skills in den Kämpfen funktionieren quasi wie in den Tales-Spielen. Leider fand ich aber auch die nicht wirklich nützlich, da man die nicht in einen normalen Angriff integrieren kann.


Auf Handlungs- und Charakterebene geht Star Ocean einen sehr bewährten Weg. Trotz des Titels gibt es nicht viele SciFi-Elemente, den größten Teil des Spiels verbringt man in einer Standard-JRPG-Mittelalter-Fantasy-Welt. Es gibt viele Städte und ein paar Dungeons, doch gerade deshalb hat es mich beinahe schockiert, wie ereignislos die Handlung des Spiels ist. Abgesehen vom Anfang und vom Ende passiert nämlich fast nichts: Man läuft nur herum, rekrutiert neue Charaktere und erfährt ein bisschen von der Rahmenhandlung. Gegen Ende darf man noch vier Könige besuchen, und dann kommt auch schon das Finale.

Bis dahin spielte sich das Spiel recht angenehm, aber die letzten drei Dungeons sind eine absolute Qual, denn hier treffen drei Faktoren aufeinander, die man nie (!) miteinander verbinden sollte: starke Gegner, eine hohe Encounter Rate und riesige, verworrene Dungeons mit Rätseln. Hier wird das Spielerlebnis auf einmal schlagartig sehr nervtötend, und ohne einen Emulator und Lösungshilfen hätte mich dieser Teil des Spiels sicherlich enorm frustriert. Allein, dass die Gegner plötzlich in der Lage waren, meine Gruppe ohne Mühe zu besiegen, und die Kämpfe alle sehr lange dauerten, war schlimm genug. Besonders, da man nicht überall speichern kann.

Die Charaktere sind an sich eine halbwegs lebendige Gruppe, die aber im Endeffekt viel zu wenig Profil haben. Die optionalen Charaktere bekommen leider nur sehr wenig Rampenlicht, aber auch der Protagonist hat im Endeffekt keinen substanziellen, memorablen Charakter. Es gibt zwar in Städten die nette Option, seinen Gruppenmitgliedern freien Auslauf zu gewähren, aber das war's auch schon fast. Tales of Phantasia hat das seinerzeit besser gemacht, weil dort den Charakteren im Rahmen der Handlung erheblich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wurde – und übrigens auch der Handlung selbst.

Musikalisch ist es leider wieder einmal ein typischer Fall von Sakuraba. Star Ocean hat durchaus ein paar nette Stücke zu bieten, aber leider auch viel typisches Gedudel. Leider wiederholt sich gerade dieses Gedudel sehr oft, und das Spiel lässt selbst in wichtigen Szenen manchmal die normale Umgebungsmusik im Hintergrund laufen, was schade ist.


Fazit: Star Ocean ist ein optisch wunderschönes SNES-RPG mit ein paar frischen Ideen, das letztlich aber leider ziemlich mittelmäßig bleibt: Spielerisch gibt es einige interessante Ansätze, die nicht alle so recht gelingen wollen, musikalisch handelt es sich um typische Sakuraba-Kost und Handlung und Charaktere bleiben (vielleicht abgesehen vom Anfang und Ende) klassisch und wenig aufregend.

Story 4.5 Charaktere 4.0
Gameplay 6.5 Kämpfe 5.0
Optik 9.0 Musik 5.5
Atmosphäre 7.0 Spielzeit +-15h
Gesamt 6.0