Ich bin gerade ziemlich motiviert, auch die letzten der 8-Bit-Spiele zeitnah zu Ende zu bringen und habe gestern auch schon Mother durchgespielt. Das Spiel war trotz der gigantischen Oberwelt von der Hauptstory her tatsächlich gar nicht so lang und deshalb saß ich (mit Speed-Funktion in Kämpfen) nur ca. 8 Stunden dran.

Mother hat einen sehr einzigartigen Humor und dadurch zeichnet sich das Spiel auch hauptsächlich aus. Man kämpft gegen Elefanten, Hippies, Gangmitglieder, merkwürdige Apparaturen, wütende Bürger und Zombies und muss sich mit einer Vielzahl verrückter NPCs rumzuschlagen. Einen der drei Protagonisten findet man in einer Mülltonne (sein Vater steckt übrigens später ebenfalls in einer), der letzte Boss ist ein Alien und man muss mit vielen Tieren reden. Das Spiel nimmt sich selbst wenig ernst, parodiert schon damals sehr viele RPG-Standardelemente (es gibt NPCs, die sich ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit für das Spiel bewusst sind etc.) und betreibt sogar gehörig Breaking the 4th Wall – im Spiel wird der Spieler sogar nach seinem richtigen Namen gefragt, der am Ende dann in den Credits erscheint.


Protagonist des Spiels ist ein Junge namens Ninten, der mit seiner Mutter und seiner Schwester zusammenlebt. Durch einen Anruf von seinem Vater erfährt er, dass er zu einem Abenteuer aufbrechen muss, um die Probleme der Welt zu lösen: Überall verschwinden Menschen, Tiere werden wild, Monster greifen an und die Menschen sind in Aufruhr. Viel mehr Story gibt es auch nicht, tätsächlich weiß man meistens nicht einmal, was man als nächstes tun muss. Dafür macht es aber Spaß, in jeder Stadt mit allen NPCs zu reden, denn meistens sind die Monologe sehr interessant.

Der Humor ist sicherlich nicht für jeden, aber auf seine Weise so einzigartig, dass man ihn in dieser Form sicherlich in keinem anderen Spiel findet. Dass es ein interessantes und lustiges Spiel war, kann ich nicht abstreiten – aus technischer Sicht ist das Spiel aber ein absoluter Graus. Die Grafik sieht dank des unverbrauchten Settings zwar einzigartig, aber manchmal doch überaus furchtbar aus (Charaktermodelle, leere Räume). Die Musik ist stellenweise ganz nett, aber oft auch einfach absolut nervig. Am schlimmsten sind aber die Kämpfe, und davon gibt es viele. Mother ist vom Gameplay ein ziemlicher Dragon-Quest-Klon. Das Kampfsystem spielt sich fast eins zu eins wie das einer Dragon Quest. Zwar ist auch in den Kämpfen der charakteristische Humor vorhanden (man kann Gegner z.B. analysieren, was zu netten Texten führt), aber die Kämpfe sind einfach verdammt langsam und im späteren Verlauf auch sehr schwer bis unfair (z.B. durch Gegner, die 1-Hit-Attacken beherrschen). Man kommt ohne viel Grinding durch den Anfang des Spiels, aber später wird man durch Horden von fordernden Zufallskämpfen überschwemmt, das ist nicht mehr feierlich. Die Encounter Rate ist auch absolut erratisch – manchmal kommt es innerhalb von zwanzig Schritten zu fünf Kämpfen, und dann kann man fünfzig Schritte ohne einen Kampf laufen.


Leider gibt es auch einige schlimme Dungeons im Spiel, die darauf ausgelegt sind, dass man sich möglichst häufig verirrt. Es ist nicht so schlimm wie bei Phantasy Star II, aber schlimmer als in Dragon Quest oder Final Fantasy. Anfangs ist das Spiel noch recht spielbar, aber je weiter man kommt umso schlimmer wird es. Das ist schade, denn dadurch kann man die positiven Aspekte des Spiels nicht so stark genießen.

Andererseits: In den Städten gibt es i.d.R. keine Zufallskämpfe, und dort ist das Spiel auch am interessantesten. Mother hat wie oben bereits erwähnt eine komplett verbundene Oberwelt, quasi eine Mischung als Weltkarte und Städten, nur die Dungeons und das Innenleben der Häuser sind einzelne Maps. Die großen Städte sind etwas, das es so noch nie vorher in einem RPG gab, auch wenn man viele der Häuser nicht betreten kann, aber leider bedeutet eine große Welt auch lange Reisewege und erst sehr spät erhält man eine Teleportationsfähigkeit. Nach etwa 40% des Spiels kann man aber Züge nutzen, um zwischen verschiedenen Städten hin- und herzureisen.


Fazit: Ohne Emulator ist Mother heute definitiv NICHT mehr spielbar, da ändert leider auch das einzigartige moderne Setting mit dem ebenso einzigartigen Humor nichts dran. Dass das Spiel damals in Japan so beliebt war, ist durchaus nicht unverständlich, aber es ist furchtbar gealtert und zählt selbst unter den NES-Spielen zu den trägsten Genrevertretern: Lahmes Texttempo, lahme Kämpfe, viele Zufallskämpfe, riesige Gebiete, umständliches Menü, sehr begrenzte Inventarkapazität, wenig Hilfestellung – da hat Nintendo sich wohl eher aufs Szenario als auf die Spielerfreundlichkeit konzentriert. Kurz: Zäh wie Kaugummi – sehr alter Kaugummi –, auch wenn die Geschmacksrichtung stimmt.


Story - Charaktere -
Gameplay 2.5 Kämpfe 2.0
Musik 3.0 Atmosphäre 6.0
Spielzeit 7:50h Gesamt 3.5