Andrej weiß nicht wie lange er vor dem großen Monitor gestanden und sich das Bild mit dem fremdartigen Gebäude angeschaut hat. Irgendwo in seinem Hinterkopf spielt der Terraner mit dem Gedanken, seine Bücher aus der Kabine zu holen und in ihnen zu dem Gebilde auf dem Foto zu recherchieren, aber im Grunde kennt er die Druckwerke auswendig, und in keinem kommt etwas Derartiges vor. Hätte ich doch nur eine größere Sammlung, denkt er deprimiert als er mit den Fingern über die glatte Oberfläche des Bildschirms die Konturen des Gebäudes nachfährt.
"Naja, da ist jetzt nichts zu machen. Vielleicht bekomme ich mehr Erkenntnisse, wenn ich diese Überbleibsel in Natura bestaunen kann", murmelt er vor sich hin, geht zur Eingabekonsole des Hauptcomputers und schließt den Bilderordner, sodass nun nur noch der dreidimensionale Planet zu sehen ist, wie er sich langsam im weiten All dreht. Gerade als sich Andrej wieder zu dem Hologrammtisch begeben will um an der Ausrüstung weiter zu arbeiten, hat er plötzlich dazu keine Lust mehr. Im Grunde ist das hier alles sowieso nur Beschäftigungstherapie, was er hier fabriziert, da konnte er sich ebenso in seine Kabine setzen und den Ausblick aus dem Fenster genießen. Vorher muss er jedoch noch ein paar Informationen unter das Volk bringen. Nochmals ruft der Ingenieur die Satellitenbilder des Planeten in der Äquatorregion auf und sucht den Punkt 0, welcher den Schnittpunkt zwischen Äquator und der vertikalen Nulllinie darstellt. Genau hier ist die vorangegangene Expedition gelandet und hat ihre Vermessungen vorgenommen, daher wäre es unschlau, genau wieder da zu landen, wer weiß, was dieses Team zurückgelassen hat. Ein wenig sucht Andrej auf der Oberfläche des Planeten herum, bis er endlich fündig wird und eine freie Fläche findet, auf der es augenscheinlich keine Hindernisse gibt. Mit dem Markierungspfeil steckt er virtuell die Eckpunkte der Landezone ab und notiert sich die Koordinaten auf seinem Notizblock.

1. Eckpunkt:
0° 12' 44" Nord, 2° 40' 55" Ost
2. Eckpunkt:
0° 05' 46" Nord, 3° 00' 51" Ost
3. Eckpunkt:
0° 01' 10" Süd, 2° 58' 37" Ost
4. Eckpunkt:
1° 09' 33" Süd, 2° 40' 20" Ost
5. Eckpunkt:
0° 00' 03" Süd, 2° 20' 00" Ost


Nochmals kontrolliert er die Grenzen, damit auch wirklich nichts dem Schiff im Weg ist, denn in dieser Konservendose zu sterben hat er nicht geplant. Nachdem Andrej nichts entdeckt, ruft er die Positronik auf und loggt sich in die Eingabemaske ein, welche die Bezeichnung "Landezone" trägt. Nach und nach füllt er die verschiedenen Felder mit den Koordinaten aus und trägt unter "Sonstige Bemerkungen" noch etwas ein:

Achtung, nochmalige Überprüfung der Landezone mithilfe Satellit oder Erkundungsdrohne empfohlen, da kein aktuelles Kartenmaterial zur Verfügung

Schließlich unterschreibt Andrej mit seinem Nachnamen und drückt auf Senden. Das Dokument dürfte nun in der Positronik abgespeichert und für jeden sichtbar sein, insbesondere für den Navigator und dem Kommandanten ist es von Bedeutung. Zufrieden lehnt sich der Wissenschaftler zurück. Moderne Technik erspart die verbale Kommunikation; mir soll's recht sein. Zufrieden mit sich sichert er den Computer vor unbefugter Benutzung, schaltet alle sonstigen Geräte aus und verlässt das Labor.

Zuerst die Kabine im Sinn, entscheidet sich Andrej spontan um und beschließt, im Aufenthaltsraum Platz zu nehmen. Auf dem Weg dahin ist ihm niemand entgegengekommen, was in Anbetracht der Größe des Schiffes und der Crew nicht allzu verwunderlich ist, und so erreicht er unbehelligt den mit einigen Tischen ausgestatteten Raum, welchen er sogleich betritt und zielsicher auf einen futuristisch aussehenden Apparat, welcher in der Wand eingelassen ist, zugeht. Ein paar Tastendrücke später, wobei sich Andrej nochmal versichert hat, dass er allein ist, hört man ein leises Surren, ein Zischen, Plätschern von Wasser und ein klirrendes Glas. Kurz darauf fährt geräuschlos eine kleine Platte zur Seite und dahinter steht ein Glas Wodka mit Eiswürfeln. Super, dass immerhin DAS funktioniert. Er nimmt das Glas aus dem Fach, woraufhin dieses sich wieder schließt, und nippt daran. Zu früh gefreut, schlecht, ganz schlecht, und der Wissenschaftler verzieht das Gesicht und betrachtet das beschlagene, kühle Glas, in welchem die Eiswürfel fröhlich gegen die Wandung klimpern. Letztendlich setzt er sich dennoch damit an einen der Tische in der Mitte und starrt ins Leere. Wenn ich nichts Anderes hier bekomme, werde ich mir diese Macke wohl abgewöhnen müssen. Tatsächlich trinkt der Terraner ganz gerne mal ein Glas, allerdings zeigt dies bei ihm so gut wie keine Wirkung. Mit einem Lächeln denkt er an seine Jugend zurück, an die Zeit, zu der ihn sein Vater an dieses "Zeug" herangeführt hatte. Der Wodka, der in den Minen serviert wurde, brannte einem ungeübten Trinker die Organe weg, so zumindest fühlte sich das Ganze an. Aber man gewöhnt sich an alles, und somit hat Andrej für dieses Gebräu hier nur noch ein müdes Lächeln übrig und denkt gar nicht mehr daran, dass er soeben erwog, es ganz bleiben zu lassen. Vielmehr ist sein Fokus jetzt abermals bei seinem Vater, von dem er schon seit Jahren nichts mehr gehört hat, und noch länger nicht gesehen. Ihm kommt der Gedanke, dass er vielleicht schon gestorben ist, die harte Arbeit verspricht nicht gerade eine hohe Lebenserwartung. Seltsamerweise denkt Andrej weder mit Trauer, noch mit sonstwelcher Sentimentalität daran, sondern legt dabei eine gewissen Gleichgültigkeit an den Tag. Er nippt an dem Glas und lässt das eiskalte Getränk über seine Zunge tanzen und dann, angewärmt, seine Speiseröhre hinunter rinnen. Richtig kalt ist das Gesöff auch nicht, wie Wasser, denkt er angesäuert, blickt weiter ohne Ziel durch den Raum und genießt die Ruhe.