Ich persönlich sehe die Vorbildfunktion bei Twilight eben überhaupt nicht; ich kann das aber auch nicht so belegen, dass ich sagen könnte, meine Auffassung würde andere aushebeln. Die Sache ist nur, dass, spräche man Twilight diese Funktion zu, man das auch mit allen anderen Medien gleicher Genese ähnlich machen müsste: Und in diesem Fall sähe ich weitaus größere Probleme bei beispielsweise Actionfilmen und ähnlichem.
Ich denke, wo es um die Flüchtigkeit geht, musst du zwischen synchronischem und diachronischem Lebenswandel unterscheiden: Das Buch erfüllt synchronisch Sehnsüchte der jungen Leserschaft, liegen diese nun in der Bestätigung der eigenen, verqueren Lebenswelt, oder in feuchten Schlüpfern. Diachronisch kann es allerdings wenig Einfluss auf den Lebenswandel nehmen, eben weil es derart kurzweilig ist. Das heißt nicht, dass man aus dem Buch "herauswächst": Es ist ein Konsumgut, auf Lebensumwelten nimmt es gar keine so krasse Wirkung, wenn diese nicht bereits schon vorher angezerrt waren und das Medium hier deshalb als Pflaster herhalten muss.
Klar bleibt immer irgendwas hängen; das heißt aber nicht, dass die Reihe irgendeine Potenz besitzt, offen gesagt besitzt es für meine Begriffe nicht einmal die Mittel dazu, wirklich bewusst Einflüsse auszuüben. Und selbst wenn, müsste man dann schon irgendwie noch belegen, dass diese Einflüsse grundlegend negativ sind -- das halte ich tatsächlich für diskutabel. Fakt ist, dass es sich um eine mackige Kulturerscheinung handelt; genauso wie Casting-Shows oder eben die BRAVO, oder Doku-Soaps. Das sind größtenteils auch Nebenformen von Bauerntheater, Twilight darf sich dabei mit den Federn der Literatur schmücken, aber viel mehr als Bauerntheater ist es auch nicht. Kurzweile mit dem geringstmöglichen Anspruch.
Du darfst natürlich das, was das Buch transportiert, über das Buch kritisieren. Überhaupt wollte ich diese Kritik überhaupt nicht ersticken; es ist nur so, dass sie sehr oft falsche Wege nimmt, weil es ziemlich einfach ist, Twilight doof zu finden. Soll nicht heißen, dass jeder kritische Ansatz automatisch unbegründet ist, aber ich verstehe eben beispielsweise nicht, wieso man das immer mit Polemik anstecken muss. Denn ja, Meyer ist eine grottig schlechte Autorin, aber das macht ihre Denksysteme ja nicht grundsätzlich wertlos -- eben vor allem, weil es eine dermaßen große Leserschaft gibt, die sich damit mehr oder weniger auseinandersetzt. Es scheint aber in der Regel unmöglich zu sein, damit objektiv und unvorbelastet umzugehen. Außerdem geht das oft mit der Grundannahme einher, das alles würde zum Werther-Phänomen führen. Die ist aber prinzipiell stussig gedacht. Überhaupt ist es nicht zielführend, wenn Annahmen in das Buch hineingelegt werden, woraufhin neue Annahmen entstehen, die man dann verurteilen kann. Entweder man geht soziologisch ran, dann müsste man sich einen Überblick über die Leserschaft und ihre Lebensumwelt verschaffen, oder man geht kulturwissenschaftlich ran, dann sollte man erstmal tief genug in die Materie eindringen. Oft wird aber nur die vorgelagerte Sachebene der Geschichte (die Beziehungskonstellation) hergenommen und als Paradebeispiel für die Glorifizierung der Teenie-Liebe verurteilt. Das greift prinzipiell zu kurz.
Im Übrigen hat die Twilight-Reihe durchaus höchst positive Nebeneffekte -- und sei's allein, dass eine mediell verdorbene (kein Kulturpessimismus, nur überspitze Vereinfachung) Teilmenge der jüngeren Generationen mit literarischen Phänomenen konfrontiert wird: Die Polaritäten, die die Geschichte aufmacht, werden durch Meyers Unfähigkeit natürlich völlig kastriert. Aber der stoffliche Zugang über die größtmöglichen Projektionsflächen erscheint mir zumindest durchaus als gutes Mittel, mediell desensibilisierte Jugendliche für mitgedachte Stoffe zu sensibilisieren. Gosh, ich kann mir sogar vorstellen, dass ein Teil der Twilight-Anhänger später irgendwann mal Hesse total super finden wird.





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