Ich denke allerdings eben, dass die Auseinandersetzung auch auf einem nicht sonderlich fruchtbaren Niveau betrieben wird. Damit beziehe ich mich jetzt nicht auf diesen Thread oder dieses Forum (und überhaupt bin ich auch der erste, der beim Twilight-Bashen dabei ist), sondern auf die allgemeine Diskussion darum, die immer wieder Schleife um einzelne Punkte fährt -- vor allem um die Art und Weise der Beziehungen und um Bellas Wesen. Schon hier erscheint mir, werden elementare Dinge einfach ausgeblendet: Zum Beispiel, dass es hier zwischen Bild- und Sachebene schon eine größere Schere gibt; in der Wahl zwischen Leben und Tod wählt Bella immer wieder den Tod -- das ist symptomatisch für die Lesergeneration der Zielgruppe; Bella ist passives Stummkind, das nur einmal hinfallen muss, um in übelste Gefahr zu kommen, weil sie Mensch in einer fatalistischen Umwelt ist; bei Meyer glitzern Vampire in der Sonne, weil sie andernfalls die menschliche Gesellschaft nicht infiltrieren könnten, was ein durchaus legitimer Kniff ist.
Twilight ist für meine Begriffe vor allem deshalb so erfolgreich, weil es bestimmte Lesersehnsüchte auf martialische Art und Weise ausschlachtet. Die Gefühlswelt im Buch ändert sich nie, sein Duktur schlägt nicht einmal um. Es ist die heftige Aneinanderreihung von pathetischen Schilderungen davon, wie perfekt der perfekte Mann ist, wie stark die starke Liebe ist, wie schlimm Sicherheit sich anfühlt, wie doof alle normalen Menschen sind, Schmerz und Tod werden stilisiert, irrationale Entscheidungen glorifiziert ... Die Reihe ist gelebte Pubertät in einer Erwachsenenwelt. Es suggeriert, dass es kein Aufwachsen braucht, dass es keine Veränderung geben muss. (Bella liebt den Tod, den unlebendigen Vampir; sie liebt die ultimative Metapher für Starre.) Außerdem werden ja alle Konfliktsituationen entweder völlig falsch konstruiert (Konflikte ohne Eskalation) oder Konfliktpotentiale aus Faulheit ausgespart (Konfliktexpositionen ohne Komplikation); das ist ein ziemlich perfides Heile-Welt-Schema, das suggeriert, es wäre völlig in Ordnung, die Welt um sich herum so wahrzunehmen, daraus entsteht keinerlei Problematik -- zumindest nicht für Bella. Die Handlung passiert furchtbar zentralistisch: Alles, was passiert, geschieht um Bellas willen; jeder mag oder will sie, obwohl außer ihrem Blut an ihr nichts besonders ist, jeder kümmert sich um ihr Wohlergehen, jeder räumt hinter ihr auf, im Grunde ist sie nur zweimal überhaupt realen Gefährdungen ausgesetzt. (Und das Konfliktpotential, das der Vampirliebe eigentlich innewohnt, nämlich dass der Vampir sich nicht zurückhalten könnte, wie Edward es ein paar Male beschwört, wird ja völlig im Wind zerschossen) Perfide heile Welt für Bella als totale Canvas. Die Reihe wird dadurch zu einer perfekten Mischung aus dunklem Buffy-Flair und LazyTown-Erzählmodellen. Bzw. halte ich Vergleiche mit dem Sailor-Moon-Anime für nicht unbedingt zu weit hergeholt.
Es gibt eine Menge an Büchern, die ausschließlich von den Lesersehnsüchten her gedacht sind: Allerdings existieren die vor allem in höheren Altersbereichen als Groschenromane. Die Zielgruppe, die Stephenie Meyer anvisiert, wird vor allem mit edukativen Lesewelten umgeben. Meyers Romane hingegen sind so wenig edukativ wie nur möglich und so sehr das Selbstbild eines Teenagers der Zielgruppe bestätigend wie nur möglich. Eine ziemlich clever angewendete Form von Verantwortungslosigkeit.
Letztendlich muss ich auch zugeben, dass ich keine überdeutlichen Annahmen oder Botschaften darin finde, die nicht als reines exemplum gelten könnten. Was ist denn das genaue Problem an ihren Annahmen? Sie spiegelt reale Lebenswelten wieder in überfiktionalisierten Erzählwelten. Damit sagt sie nicht "Wartet bis nach der Ehe mit dem Sex und lasst euch dann bei der erstbesten Gelegenheit schwängern."; das ist eben, was in ihrem Buch passiert. Was subtextlich vor allem an sexualisierter Botschaft drinsteht, wird übrigens größtenteils hineingelegt: Das "Vegetarismus"-Gelübde der Cullens führt nicht zur Kastration Edwards und zur Ablehnung von Promiskuität, sondern zum Spiegel der rationalen Seite (entgegen der Wildheit des Lebens in re Jacob, der Bella bei der erstbesten Gelegenheit besteigen würde, wenn da klare Zuwendung passierte). Auch an den dargestellten Beziehungsmodellen ist nichts wirklich bedenklich, sie werden eben nur nicht mehrseitig perspektiviert, deshalb bleibt eine Wertung aus -- was für die $$$-Intention auch eher hinderlich wäre.
Twilight hat keinen edukativen Rahmen. Und ich bin mir auch sicher, dass nur die wenigsten Leser darin Botschaften für ihr Leben suchen. Klar passiert da mal etwas Fandom und vermutlich gibt es da häufiger dieses Schwärmer-Phänomen, wo man so sein will wie Bella oder wo der Typ so gentle sein muss wie Eddi. Das sind allerdings flüchtige Erscheinungen, die es ebenfalls nicht erst seit Twilight gibt. Ich persönlich halte auch nichts davon für verwerflich.