Musst schon auf die BMT-Heimkehrer warten.

Ich persönlich finde beides gleich wichtig für ein Produkt. Schlechte Regeln und ein lahmes Setting können ein Rollenspielbuch gleich gut versauen, und ich finde beides ebenso ärgerlich (Lieblingsbeispiel: Chroniken der Engel mit seinen 5-Minuten-d20-Regeln), sofern das Spiel nicht von vorn herein klar macht, dass es um eines von beiden geht, nicht um beides.
Was Praxis und Vorlieben angeht, würde ich gar nicht beantworten können, was mir wichtiger ist - ist das Setting lahm, benutze ich die Regeln vielleicht trotzdem in einem anderen Setting, sind die Regeln lahm, benutze ich das Setting vielleicht mit anderen Regeln. Ich mag es aber auch, über Mechanismen nachzudenken.

Dass vielen Leuten das System wichtiger ist, glaube ich allerdings irgendwie nicht, eher umgedreht. Regeln sind nur einfach besserer Diskussionsstoff, würde ich tippen (objektiver betrachtbar, weniger der Interpretation ausgesetzt, überschaubarer usw). Außerdem werden Regeln gerne von Autoren vernachlässigt, wahrscheinlich WEIL das Setting im Mittelpunkt steht, und WEIL man sich, wenn man denn ein Setting hat, meistens eher auf das dieses konzentriert. Was im Umkehrschluss zu diskussionswürdigeren Regeln führt.
Letztendlich ist es auch einfach wesentlich schwerer, gute Regeln zu machen, als ein gutes Setting. Das Setting machen die Spieler zu einem großen Teil in ihrem Kopf (und haben damit auch irgendwo selbst in der Hand, ob es gut ist), Mechanismen nimmt man erstmal als gegeben an.

Kurz zur Wirtschaftsperspektive: Ich weiß, dass für die Verlage meistens nur Setting ODER Regeln wirklich relevant sind. Bei Los Muertos bspw. war es Ulisses damals vollkommen egal, welche Regeln da drin sind, die hätten es auch ohne (!) irgendwelche Regeln gedruckt, und zwar mit der Argumentation, dass die Spieler in Deutschland tendenziell sowieso konservativ sind und lieber ihr Gewohnheitssystem als irgendwas anderes benutzen (egal mit welchem Setting). Andere Systeme definieren sich praktisch über ihre Regeln (Savage Worlds Grundbuch) und stellen das Setting hinten an.
Bei letztgenanntem Beispiel wird ein weiterer Punkt klar: Man trennt beides gern mal. Generelle, flexible Regelsysteme wie GURPS, SW und Co. gibt's ja schon länger, aber auch alternative Settings oder ganz klar abgetrennte Settings kommen häufig vor. Das beste Beispiel, um das zu verdeutlichen, wäre Pathfinder, das zwar ein deutliches Setting hat (und sogar über dieses entstanden ist), seine grundlegenden Regeln aber komplett unabhängig von Golarion verkauft.
Mir fallen auch nur wenige Spiele ein, bei denen beides im Mittelpunkt steht und aussschlaggebend für den Erfolg war. Gibt es zwar, aber die Norm ist es definitiv nicht.