Kleine Anmerkung: Die Diskussion wird frühestens nächstes Jahr wirklich losgehen; momentan ist das halbe P&P-Forum auf dem BMT, einem Forentreff in Bremen (zu dem ich später heute aufbreche).

Ich denke, es liegt daran, daß gute Settings zwar toll sind, letztenendes aber die Regeln darüber entscheiden, ob das Spiel auch Spaß macht. Nehmen wir Sailor Moon. Das habe ich mir mal aus Jux gekauft, als ich es im Rollenspielladen gesehen habe. Stellte sich doch heraus, dass die Regeln dermaßen allgemein geschrieben sind, dass man sich im Wesentlichen beliebige Charaktere mit beliebigen Kräften bauen kann. Mittlerweile ist Sailor Moon unter manchen Leuten auf dem BMT Kult, was daran liegt, daß wir in einem Paralleluniversum mit einem Rudel moralisch bankrotter Chaoten mit merkwürdigen Kräften Amok laufen. Die Regeln geben es her.

Oder nehmen wir ein anderes kultiges System: Maid. Das Grundsetting ist nicht unbedingt das kreativste: Die Charaktere sind (mit wenigen Ausnahmen) Dienstmädchen in einem Anwesen. Allerdings kommt das Spiel aus Japan und hat ein Regelsystem, das zu gleichen Teilen auf Zufall und völligem Wahnsinn basiert. Wenn eine Runde nicht Dinge wie einen Atomkrieg, einen plötzlichen Sprung in ein Science Fiction-Setting oder ähnliches beinhaltet, dann haben die Spieler was falsch gemacht. ugegeben, Maid hat noch ein paar sehr kreative Zusatzsettings (die alle Varianten der Grundidee sind), aber letztenendes wir aus einem sehr einfachen Setting eine Menge rausgeholt.

Dann gibt es aber eben auch Systeme wie The World of Synnibarr, die zwar ein interessantes Setting haben, aber dermaßen unübersichtlich und lausig gebalanct sind, daß es sich nicht lohnt, seine Zeit mit ihnen zu verschwenden. Die Regeln ruinieren ein Spiel, das ansonsten hätte schön sein können. Aus ähnlichen Gründen sind diverse Versionen 4 von Systemen wie Das Schwarze Auge oder Dungeons and Dragons bei vielen Spielern der Vorgängerversionen unbeliebt: Die Regeln tun nicht das, was man sich von ihnen erwartet. (DSA 4 ist erheblich komplizierter als DSA 3; D&D 4 spielt sich vollkommen anders als D&D 3.)

Dazu kommt noch, dass man oft das Setting teilweise oder ganz austauschen kann, ohne die Regeln allzu stark verändern zu müssen. DFYX hat sich mal daran gemacht ein Cyberpunk-Setting für DSA zu basteln. Das hat auch geklappt und die meisten Regeln konnten 1:1 übernommen werden. Andererseits kann man zwar Hausregeln einführen, aber sehr starke Modifikationen der Regeln erfordern, dass man jetzt auch das Balancing übernimmt – und das ist nicht immer einfach.


Fazit: Ein gutes Setting kann ein Spiel erheblich bereichern, aber ohne solide Regeln steht es ohne Fundament da. Andererseits können gute Regeln selbst ein fragwürdiges Setting retten. Die Regeln sind aber eindeutig das, was das größere Nervpotenzial hat – und alle nervigen oder unglücklich gemachten Regeln durch bessere zu ersetzen kann einen Haufen Arbeit machen oder unerwartete Nebenwirkungen mit sich bringen. Das würde ich dafür verantwortlich machen, dass die mechanischen Aspekte des Rollenspiels öfter diskutiert werden.


Zu deinen anderen Fragen: Was ein System für mich interessant macht, kann vielfältig sein. Das Setting ist tatsächlich oft der ausschlaggebende Faktor, aber die Regeln sind auch wichtig. Eines ohne das andere ist für mich eher von akademischem Interesse.
Momentan gehe ich ziemlich auf Exalted ab, welches nicht nur ein verdammt episches Setting hat, sondern auch Regeln, die ebenfalls verdammt episch sind. Man spielt da halt eine Kreuzung aus Halbgöttern und Superhelden und dann muß eben mal drin sein, daß man über einen Berg springen kann. Aber es wäre nur halb so cool ohne die dutzenden von Seiten von gut geschriebener Backstory auf dem gleichen Niveau.