Libra, Miller, Leonardo und er. Von den einst 28 Vertrauenspersonen waren nurnoch vier am Leben. Innerhalb von nur zehn Tagen waren alle anderen Personen den Werwölfen, Vampiren und den Bürgern selbst zum Opfer gefallen. Zwar mochte Ava anfangs noch auf der Seite der Vampire gestanden haben, doch seit der Hinrichtung von Talis waren es ausschließlich die Werwölfe gewesen, die die Bürger zu fürchten hatten. Warum hatte sie ihnen damals nicht gesagt, dass alle Vampire tot seien, warum hatte sie noch immer den Verdacht bestehen lassen, dass Maxim und er tatsächlich noch zu den Vampiren gehören konnten? Egal wie lange er darüber nachdachte, es wollte für ihn keinen Sinn ergeben und gewiss würde er nie ihren Gesichtsausdruck vergessen, als er sie am gestrigen Abend eigenhändig zum Galgen geführt hatte.
Es gab noch immer so viele Fragen, auf die Edmond keine Antwort wusste. Doch an diesem Tage endlich würde alles ein Ende nehmen, so viel war sicher. Dabei machte es fast schon keinen Unterschied mehr, auch wenn heute die letzte Bestie sterben würde, so hatten diese Ungeheuer dennoch ihre Machenschaften fast in Gänze verwirklichen können. Die ganze Zeit über musste Edmond dabei an den jungen Maxim denken, welchen er in der letzten Nacht verloren hatte. Seit Caspar von Busch ihn damals zu seinem Nachfolger ernannt hatte, hatte Edmond stets damit gerechnet, den nächsten Tag nicht mehr zu erleben. Die Aussagen von Selene und Havelock hatten auch keinen Zweifel daran gelassen, dass die Werwölfe es zumindest versucht hatten. Doch nun, so kurz vor ihrem Ziel, war es stattdessen ausgerechnet Maxim gewesen, den man ihm einfach so entrissen hatte!
Ein wahrlich grausamer und unnötiger Akt, mit dem sich die letzte Kreatur an dem Grafen rächen wollte. Am vorletzten Tage noch hatten sie den Privatermittler von ihrer Seite gezerrt und es schien, als hätte sie sich dafür nun gerächt. Gestern schon hätte wohl alles vorbei sein können, doch stattdessen mussten erst noch Ava und Maxim sterben. Erneut hatte das Schicksal ihm einen Streich gespielt und längst schon fand Edmond keine Tränen mehr, um all die Toten zu betrauern. Er war dazu verdammt weiterzuleben, während alle Anderen um ihn herum einfach so wegstarben. Würde er diese Schuld, so viele unschuldige Seelen hingerichtet zu haben, jemals begleichen können?

Inzwischen waren die Feuer in der Stadt wieder erloschen und noch immer waren der Generalfeldmarschall und seine Männer dazu bereit, nach dieser kleinen Kostprobe notfalls die gesamte Stadt in Schutt und Asche zu verwandeln. Die neuen Todesfälle nahm er mit einem verschmitzten lächeln zur Kenntnis und man hätte meinen können, dass der übereifrige Soldat es sich bereits vor seinem inneren Auge ausmalt, wie Düsterburg in einem Flammenmeer untergehe würde. Zumindest gab es also noch ein größeres Unglück, welches die letzten Vertrauenspersonen abwenden konnten, und so machte sich Edmond an diesem Tag erneut auf den Weg, um Miller aufzusuchen. Selbst jetzt glich Leonardos Verhalten einem Geisteskranken und auf Libras Anwesenheit legte er keinen Wert, obgleich er sie sicherlich noch ein letztes Mal wiedersehen würde. Schlussends traf Edmond ihn im Wirtshaus an und schon beim Betreten merkte er deutlich, wie viel Leben aus jenen Räumen über die Tage gewichen ist.
"Nun, inzwischen sind wir nurnoch vier Personen, Miller. Es wird Zeit, dass wir das alles endlich zu einem Ende bringen, ehe noch die gesamte Stadt für unsere Unfähigkeit büßen muss! Wir hätten so viele Morde verhindern können, indem wir Libra bereits vor zwei Tagen hingerichtet hätten. Wir können zwar nicht mehr ungeschehen machen, was sich in den letzten Tagen ereignet hat, doch werde ich selbst jetzt nicht einfach aufgeben und diese letzte Bestie entwischen lassen. Ich kann nur hoffen, dass dieser Alptraum heute endlich vorbei sein wird..."