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Thema: [Vampire von Düsterburg] Tag 9

  1. #1

    [Vampire von Düsterburg] Tag 9

    Wir schreiben den 9. Tag nach Beginn der Mordserie im Städtchen Düsterwald. Und auch heute soll das Drama noch kein Ende finden. Der alte Antiquar Havelock wurde in der Nacht von den Werwölfen angegriffen.

    Der Tag geht bis Freitag Abend.

  2. #2
    Das Feuer des Scheiterhaufens wirbelte seine Funken, mithilfe des kalten Westwindes, über die geschundene Stadt, als der Körper Adryans von den Flammen verschlungen wurde.
    Hoffnungslosigkeit umfasst das Herz, als den Menschen klar wird, dass die Finsternis wieder einmal ein Stück näher gerückt ist.

    Der Mond stand bereits am Firmament, als Havelock den Weg nach Hause antrat. Schatten folgten ihm, wohin er ging. Keine Hoffnung mehr, wie Papier, das langsam aber sicher dem Feuer entgegen gleitet.
    Silbergraues Fell, fängt das Mondlicht ein, spiegelt es in allen Farben. Ein Kratzen auf dem Pflasterstein. Finsternis.

    Schief und Grau, im fehlenden Licht, ragte das Antiquariat vor der gedrungenen Gestalt Havelocks hervor, als dieser, gefolgt vom Klappern des Gehstocks, auf das Gebäude zuhielt. Der alte Mann blieb stehen. Er atmete durch und schloss die Augen.
    Das Pfeifen des Windes erfüllte die Wahrnehmung, Fensterläden werden wie Spielbälle des Wetter umhergeschubst und knallen an alte Holz- und Ziegelwände. Schritte. Hallend in den Schatten.
    Das Wehklagen der eigenen Seele kehrte zurück, erinnernd, reflektierend. Wieder versagt...
    Havelock öffnete die Augen.

    Es schien als wäre die Welt um ihn herum zum Stillstand gekommen. Als würde die Zeit nicht mehr in sie hinein fließen und alles für immer so bleiben wie es war.
    Doch die Zeit findet stets einen Weg zu fließen und die Dinge zu verändern.
    Grollen. Fänge. Altes, hartes Blut.

    Die Leere wogte dem Antiquar entgegen, als dieser seinen staubigen Laden betrat. Ihm war es nie darum gegangen Geschäfte zu machen, der Laden war immer nur ein Vorwand für weit wichtigere Dinge gewesen.
    Er legte seinen Dreispitz, wie immer, am Abstelltisch in der Mitte des Raumes ab, als er in Richtung Schreibtisch ging, um sich für die heutige Nacht vorzubereiten und die Unwissenheit der Zukunft zu verdrängen.
    Wittern. Jagen. Reißen.

    Das leise Poltern des geheimen Mechanismus, folgte den hallenden Schritten des Antiquars, als dieser die gewundene Wendeltreppe in den Keller hinab stieg. Der Stockdegen stützte seinen Gang, als Havelock plötzlich ein seltsames Gefühl überkam.
    Das Gefühl verdichtete sich, als er dem Buch näher kam. Er musste es nicht einmal berühren... Es war so klar wie noch nie zuvor.
    Er selbst würde...

    Havelock.
    Habe keine Angst.
    Trauere nicht um das was war.
    Sorge dich nicht um das was wird.
    Ich sagte dir doch ich würde dir das Ende zeigen...


    "Ein Leben voll Wunder hast du mir geschenkt, mehr durfte ich erfahren als die meisten meiner Zeit und doch war dies nicht genug für mich. Stets habe ich nach mehr gestrebt, doch hätte ich früher erkennen sollen, das alles was ich brauchte bereits vor mir lag. Ich wünschte ich könnte von vorne anfangen und was Geschehen ist verändern... Doch ist dies nicht in meiner Macht."

    Du weißt was jetzt zu tun ist...

    Kein Ton drang aus dem, wie erstarrt wirkenden Havelock. Dann kratzt Metall über Metall, als ein kraftvoller Hieb das magische Buch zerteilt und ein Echo-haftes Brummen den Boden erzittern lässt.
    Knurren.
    Havelock fuhr herum, den Blick auf die Wendeltreppe gerichtet. Schatten an den Wänden, Finsternis verdichtet sich, ergreift auch das Herz des Tapfersten. Bestien aus der Dunkelheit.
    Entsetzt, verflucht, dem Tod entgegenblickend, zur letzten Gegenwehr bereit, den Blick starr auf den heran nahenden Tod gerichtet.

    ~Wusstet Ihr, das Düsterburg praktisch auf Düsterburg errichtet wurde? Man hat mit der Zeit, einfach die neuen Häuser auf die Alten drauf gebaut...~

    Knurren. Grollen, direkt hinter ihm. Werwölfe waren so einiges, aber sie waren nicht Dumm. Er hätte es niemals erwähnen dürfen, denn was sich herum sprach, das wussten auch die Bestien.
    Mit einem Satz sprang es den Antiquar an, welcher dem Hieb der langen, scharfen Klauen nur um ein Harr entgehen konnte, indem er sich auf den Rücken warf und wiederum einen Hieb gegen den Werwolf führte. Das Wesen prallte an einem gut gefüllten Regal ab, welches sich anschickte auf der Bestie zusammen zu stürzen. In Panik rannte der Antiquar in Richtung der Wendeltreppe, stolpernd und keuchend, ohne Licht, nur der Oberfläche entgegen. Das Grauen lauerte im Rücken und hetzte mit unermüdlicher Hast nach seinem Opfer. Oben ergriff Havelock die alte Öllampe, welche an dem Regal hing, und schleuderte sie direkt hinter ihm auf den Boden, als er mit letzter Kraft versuchte die Straße zu erreichen. Oh, er hatte noch einen Trumpf im Ärmel, als ob er an so etwas wie Schicksal glauben würde.

    Auf der Straße blieb er stehen und drehte sich in Richtung des brennenden Antiquariats um. Mit geschmeidigen Bewegungen kam der Werwolf heraus und umkreiste sein Opfer, nach Blut und Fleisch gierend.
    "Die Asche, Lykanos des Verschlingers wird dich bannen, Ausgeburt der Finsternis..." Er griff in den Lederbeutel, doch...

    Ein klaffender Riss zog sich durch die oberen Schichten seiner Kleidung... der Hieb der Bestie hatte den Beutel mit dem magischen Staub getroffen...

    Der Schrei Havelocks hallte durch die nächtlichen Gassen, als dieser dem Werwolf nichts mehr entgegen zu setzen hatte. Blut tropfte in den Rinnstein, die Finsternis verdichtete sich.
    Der Magier von Düsterburg war gestorben und mit ihm die Hoffnung, dass das Licht wieder einkehren würde...

    Geändert von Mr.Räbbit (15.12.2011 um 01:52 Uhr)

  3. #3
    [Örtliche Krankenpflegungsstätte; Vormittagszeit; zwei Stunden, nachdem Havelock tot aufgefunden wurde]

    Jemand klopfte an die Tür und rief nach Edmond: "Herr Dantés, es wird nach Eurer Anwesenheit verlangt."
    "Sagt diesen Leuten, dass ich kommen werde, doch lasst mich erstmal ruhige Gewissheit erlangen."
    Der Bote ging mit Kopfschütteln von der Tür fort und dachte sich nur: "Wegen eines kleinen Jungen macht er so einen Wirbel... man glaubt es ja kaum, die Leute fangen schon an, über ihn zu tuscheln."

    Edmond saß neben Maxim, welcher noch bewusstlos auf dem Bett lag. Er hatte nur ein Verband an, welcher die Blutung schnell stoppen konnte. Still schaute er aus dem Fenster und wartete. Ihm kam es wie eine Ewigkeit vor, vielleicht nur, weil er anfing die Minuten zu zählen. Erst eine... dann zwei... dann drei... und irgendwann schlief er ein und wusste nicht mehr, wie lange er schon wartete. Nach einer Weile klopfte wieder jemand gegen die Tür.

    "Herr Dantés, ein Mann namens Miller fragt nach Euch."
    Er seufzte: "Sieht so aus, als müsste ich-"
    Doch ein Rascheln von der Seite unterbrach ihn beim Sprechen. Er wollte gerade aufstehen, als er zur Seite schaute und plötzlich sah, wie Maxim sich aufrichtete.
    "Wartet, ich komme sofort, Maxim ist gerade aufgestanden!"
    "Nun... einverstanden, ich werde es dem Herrn Miller ausrichten."

    Maxim schaute mit einem leeren Blick nach unten. Er achtete zuerst auf seinen Verband, der ein einer Stelle rot angelaufen war. Außerdem schlief er nicht in seiner Herberge, die er erst vor kurzem verloren hat. Er kam sich vor wie ein verlorenes Kind... und bemerkte dann, dass er eins war. Ihm war ein wenig kalt und schwindelig. Er rüttelte kurz mit seinem Kopf und richtete seinen Kopf zur Seite, wo Edmond ihn anschaute.

    "Ist dir kalt? Warte, hier hängt ein Patientenumhang an dem Kleiderhaken", sagte er zu ihm und holte den Patientenumhang. Er roch nach Medizin und sah unbenutzt aus.
    "Hmhm...", meinte Maxim und zog sich den Umhang an, "der Geruch ist merkwürdig..."
    "Findest du?", fragte Edmond verwundert, "das ist doch ganz normaler Geruch von Arneimitteln, die gibt es hier zuhauf."
    "Sehe ich so aus, als würde ich regelmäßig Medizin zu mir nehmen? Ich kann die Male von der Hand abzählen..."
    "Ach ja... tut mir Leid..."
    "Ist... schon gut... wo befinde ich mich?"
    "Du bist in einer Krankenpflegestation. Mach dir keine Sorgen, ich übernehme die Kosten für dich."
    "Das dachte ich mir schon", sagte er lächelnd, "jemand wie ich kann sich keine 3000 Taler pro Monat leisten..."
    "Ach, so viel ist das gar nicht..."
    , meinte Edmond lässig, "Übrigens, du kannst dir sicher denken, dass trotz deiner Verletzung wir die Versammlung heute abhalten müssen. Kannst du aufstehen?"
    "Nein, kann ich nicht. Es tut noch zu sehr weh..."

    "Diese verdammte Schießerei. Den Schützen habe ich eigenhändig einsperren lassen!"

    "Ist schon gut... das ändert auch nicht viel..."
    , meinte er, "lass ihn bitte frei und mit einer Geldstrafe davonkommen lassen... damit kann ich sicher etwas anfangen."
    "Quatsch doch nicht so einen Schwachsinn"
    , antwortete er, "du wirst selbstverständlich solange bei mir wohnen, bis die Plage beseitigt ist und wir wissen, wie es mit dir weitergeht!"
    "Nein, nein... ist schon gut... lass ihn einfach frei..."

    Er schaute traurig aus dem Fenster in den Himmel. Ein Vogel flog vorbei ins Sonnenlicht, wo er ihn aus den Augen verlor.

    "...nun... gut, wie du meinst, aber erst nachdem wir alle Bestien beseitigt haben. Ansonsten laufen sie wieder außer Rand und Band durch die Gegend und sowas brauchen wir erst einmal nicht."
    "Soll ich heute von der Versammlung ausgeschlossen werden? Ich komme wohl heute nicht aus dem Bett."

    "Das brauchst du nicht und du hast dich schon zweimal zu oft enthalten! Wir halten sie einfach hier ab, einverstanden?"

    Wieder klopfte jemand an die Tür, doch dieses Mal war es nicht der Bote.

    "Herr Dantés? Herr Dantés! Was macht Ihr denn bitte da drin so lange? Wir haben wichtige Dinge zu besprechen."
    "Oh, das tut mir Leid. Ich komme jetzt, Miller."

  4. #4
    Noch bevor die Stadtwache zur Stelle gewesen war, hatte sich Miller den Weg durch die Schaulustigen gebahnt. Die Matratzen seiner Herberge waren hart und unbequem, und die Rufe der Bürger einige Straßen weiter weckten ihn sofort.
    Havelock war kämpfend gestorben. Neben seiner fahlen Hand lag sein Gehstock-Degen, auf der linken Seite ein kleiner Beutel, der zweifellos einmal eine magische Substanz beinhaltet hatte. Das Gesicht des alten Magiers war verzerrt. Die Augen und den Mund zum nun verstummten Schrei geöffnet. Das Hemd war blutverschmiert und zerrissen, die Bestie hatte sich am Brustkorb gelabt.
    "Gafft nicht so, Schaulustige und Verdammte", knurrte Miller, und die Leute wichen automatisch ein paar Schritte zurück. Vorsichtig und sachte hob er den Körper. Sinnlos, auf die Behörden zu warten, er würde sich selbst darum kümmern. Das war er dem alten Mann schuldig. Dem Mann, den er nun endlich ohne Zweifel und Misstrauen als Freund bezeichnen durfte.

    ~°~

    "Da sind Sie ja, Herr Dantes. Ich warte schon den ganzen Vormittag darauf, dass Sie eine Versammlung einberufen, gerade kam ich auf die Idee, Ihre Sekretärin zu fragen, wo Sie sind.
    Wir werden gewinnen, Herr Dantes. Libra, Ava und zuletzt, sollten Sie noch Zweifel an mir hegen, mich selbst. Es muss sein, kann nicht anders sein."

  5. #5
    Während Adryans Körper dem Feuer übergeben wurde, kniete Libra die ganze Zeit am Scheiterhaufen. Als in den frühen Morgenstunden der letzte Scheit seine Glut verlor, war ihr Gesicht gerötet und schwarz von Ruß, ihre Arme von den Flammen geschunden und verbrannt, ihre Haare, ihre wunderschönen roten Haare durch die Hitze geschmolzen und verknäult. Sie starrte an den Pfahl in der Mitte, an dem nicht mehr war, außer rauchende Überreste. Überreste, die gestern noch in einem Bett lagen, lachten, ihre Hand hielten.

    Julie winselte und legte ihren Kopf auf Libras Schoß. Libra hatte keine Ausdruck auf dem Gesicht. Keine Gefühlsregung. Nur Schmerz. In wenigen Tagen hatte sie erst Grandy, dann Dankwart und schliesslich Adryan verloren. Und alles nur durch den selbstsüchtigen Edmond. Dankwart hatte immerhin mehr Vampire enttarnt als er. Er, der einige dieser Biester sogar noch verteidigt hat und unglaublich viele Unschuldige hat hängen lassen. Es hatte keinen Sinn mehr. Keinen Sinn. Egal, was geschehen würde, wie lange sie noch überlebte...es hatte keinen Sinn unter diesem Bürgermeister.

    Libra wusste, sie würde diesen Tag nicht überleben. Spätestens heute Nacht oder morgen war es vorbei. Sie war isoliert. Maxim und Edmond hielten zusammen, ebenso war Ava gegen sie, und vermutlich auch Miller. Und was nützte ihr die Unterstützung von Dragoneri? Wollte sie diese Unterstützung überhaupt?

    Hätte sie die Chance, wäre sie ein Monster, sie hätte schon lange Edmond ermordet. Aber wer sagt, dass sie es nicht als Mensch auch tun konnte?

    Der Bürgermeister würde sterben. Das schwor sich Libra, als sie sich mit einem Grinsen auf den verschmorten Lippen erhob.

  6. #6
    Noch am Morgen hatte das Antiquariat lichterloh gebrannt, und mit ihm die wohl letzten und wertvollsten Aufzeichnungen über die Geschichte Düsterburgs. Mit einem Schlag löste sich die Vergangenheit der Stadt in Luft auf und zerfiel zu Asche, doch wie würde wohl die Zukunft der Bürgerinnen und Bürger aussehen? Seit dem gestrigen Tage waren bereits einige Gebäude den Flammen zum Opfer gefallen, und so war es weniger der Brand, der die Menschen beunruhigte, als vielmehr der grausige Fund von Havelocks leblosem Körper.
    Noch immer gab es Werwölfe unter ihnen und nun hatte jener alte Antiquar mit dem Leben dafür bezahlen müssen, dass er den Mut gehabt hatte, seine wahre Identität in diesem nie enden wollenden Katz-und-Maus-Spiel preiszugeben. Für einen Moment noch schien er nunmehr ein verlässlicher Pfeiler im Kampfe gegen diese Bestien geworden zu sein, bis er in der letzten Nacht nur allzu schnell dafür büßen sollte, es gewagt zu haben, sich mit seinen geradezu magischen Fertigkeiten ihnen in den Weg zu stellen.
    Ausgerechnet ihm verdankte Edmond sein Leben, doch quälte ihn das Gewissen ob seiner falschen Entscheidung, die am letzten Abende wieder einen unschuldigen Menschen zum Tode verurteilt hatte. Als Adryan dabei war, in Flammen aufzugehen, war sich der Graf sicher, einen seiner Feinde erwischt zu haben. Doch er traute seinen Augen nicht, als er mitansehen musste, dass jener Privatermittler nichts weiter war, als ein einfacher Stadtbewohner. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht mit solch einem unglücklichen Ausgang, wo die Beweise doch so eindeutig schienen! Es schien, als hätte Fortuna sie im Stich gelassen und umso erleichterter war er, als er an diesem neuen Tag, als Maxim sein Bewusstsein wiedererlangt hatte. Nie hätte er es sich verzeihen können, hätten die Soldaten des Generalfeldmarschalls den Jungen durch ihre Schießerei geradezu lebensgefährlich verletzt. Der unbändige Zorn dieses kleines Kommandos jagte ihm Angst ein und so betete er zu de Göttern, dass er dieses Mal die richtige Entscheidung treffen würde.

    Mit sorgenvoller Miene verließ Edmond das Krankenzimmer und traf auf Miller, welcher schon auf ihn gewartet hatte.
    "Ah, gut Euch zu sehen, Herr Miller! Ich hoffe, Ihr habt trotz des Verlustes eures Heims in dieser Nacht schlafen können? Das Schicksal meint es nicht gut mit uns, und ich habe mir die ganze Nacht über den Kopf darüber zerbrochen, was wir bloß falsch gemacht haben. Warum? Warum hat Adryan gestern so haltlose Anschuldigungen hervorgebracht, die jeglicher Grundlage entbehrten? Ich muss gestehen, in einige Dinge zu viel hineininterpretiert und somit wohl auch zu seinem Ende beigetragen zu haben, doch warum mussten die Geschehnisse gestern nur diesen Verlauf nehmen? Wir haben letzte Nacht zudem einen weiteren Menschen verloren und inzwischen haben sich die Reihen wahrlich gelichtet. Wir müssen heute endlich die richtige Entscheidung treffen, und viele Optionen bleiben nicht mehr offen! Schon gestern wäre Ava dazu bestimmt gewesen, ihren Tod zu finden, doch mein Irren hat sie davor bewahrt und einem unschuldigen Bürger das Leben gekostet. Ich will nicht nochmal irren, Miller. Warum sollen wir jetzt auch noch Libra hinrichten lassen, und nicht Ava, nachdem wir ihr gestern schon Adryan entrissen haben?"

    Geändert von Edmond Dantès (15.12.2011 um 21:33 Uhr)

  7. #7
    "Machen Sie sich keine Vorwürfe, Herr von Dantes. Ihre Überzeugung beruhte auf einer Tatsache, von der ich ebenfalls ausging, die ich jetzt jedoch anzweifeln muss: dass das Rudel der Werwölfe mindestens 3 Individuen umfasste. Wie sonst hätten sie jede Nacht unbemerkt jemanden aus unserer Mitte reißen können? Doch mittlerweile muss ich fast davon ausgehen, dass nur noch ein einziger Werwolf unter uns weilt. Tatsächlich ging ich davon aus, dass wir unter Libra, Adryan und Ava keine falsche Entscheidung treffen könnten, da allesamt schuldig sein müssten. Adryan hat bis zuletzt keine Zweifel an dieser Theorie aufkommen lassen und sich mit seiner Wahl verdächtig gemacht. Ich habe bis spät in die Nacht hinein für seine Seele gebetet, denn ich muss nun zu meiner Schande erkennen, dass ich mich in ihm geirrt habe.
    Dennoch sage ich Ihnen hier, dass Sie sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, was die letzte Abstimmung betrifft."


    Friedrich Miller und Edmond von Dantes gingen einige Schritte zusammen. Schließlich ergriff Miller wieder das Wort. "Wenn ich irgendetwas aus dieser verfahrenen Situation machen kann, dann dieses. Wir haben uns aller Vampire entledigt, diese stellen keine Gefahr mehr für Düsterburg dar, und sollte es einen Menschen gegeben haben, der ihrer jemals Sympathien hegte, so ist dieser nun auf unserer Seite, da die Bedrohung durch die Werwölfe ihn ebenso betrifft wie uns.
    Warum also Libra anstatt Ava? Nun, ich denke, dass ihr diese Affäre zu Adryan Clerc gelegen kam, um eine Stimme auf ihrer Seite zu wissen. Vielleicht spekulierte sie gar darauf, dass wir die falsche Entscheidung treffen und den Ermittler hinrichten würden. Während Ava sich bisher zurückgehalten hatte, brachte sie dennoch gestern eine stichhaltige Anklage gegen Libra hervor, was meine Vermutung nur bestätigt, dass es nur noch einen Werwolf geben kann, und dieser Libra sein muss.
    Doch ich weiß, dass die Entscheidung schwer ist, und ich möchte Sie nicht überreden, sich mir anzuschließen. Nur, eine von beiden muss es sein. Bedenken Sie bei Ihrer Entscheidung auch, welche von beiden noch Aussichten auf ein glückliches Leben hat, wenn all das hier vorbei ist. Libra hat drei Personen verloren, die ihr angeblich das Leben bedeuteten."

  8. #8
    Wie Maxim so in seinem Bett lag, rollte er sich herum und schaute aus dem Fenster. Es wurde wieder zunehmend nebliger und eine ekelerrergende Atmosphäre brauste sich zusammen. Das Fenster fing an zu beschlagen. Er versuchte Bilder an das Glas zu malen, doch innen war es noch vollkommen warm und kuschelig. Er drehte sich auf die andere Seite und sah nur einen großen, leeren Raum. Nicht leer von Schränken, Deko und Arnzeimitteln, nein, leer von Menschen, die mit ihm reden würden. Mit einem Finger kreiste er auf dem Bett herum und langweilte sich.

    "Edmond... wie lange brauchst du denn?", dachte er laut. In diesem Moment betrat eine Krankenpflegerin das Zimmer und brachte das Essen.
    "Hier hast du Backfisch mit gekochtem Gemüse. Etwas Dillsauce hatten wir auch noch für dich übrig. Vergiss nicht viel zu trinken, ja?"
    "Ähm... entschuldigt, wann ist Edmond mit seinem Gespräch fertig?", fragte er, das Essen erst einmal völlig ignorierend.
    "Bürgermeister Dantés? Nun... das weiß ich leider nicht, er ist gerade mit Herr Miller aus der Station hinausgegangen. Aber er hat einen Boten ausrichten lassen, dass sich alle Vertrauenspersonen heute hier in deinem Zimmer versammeln sollen, von daher wird er heute schon zurückkommen. Außerdem bezahlt er ja das Zimmer für dich, also wird er dir schon nicht weglaufen."
    "Ah... uhm... okay, dankeschön...", antwortete er. Bevor die Krankenpflegerin sich umdrehen konnte, zog er kurz an ihrem Anzug: "Könntet Ihr mir eine Kreidetafel bringen mitsamt Kreide? Ein Schwamm ist nicht so wichtig."
    "Kreide und Täfelchen? Nun... ich denke, wir haben sowas noch in der Vorratskammer, wir gehen gleich mal nachschauen."

    Die Krankenpflegerin verließ das Zimmer, während Maxim ihr nur hinterherschaute. Er dachte ein wenig nach und vernahm dann warme Luft von der Seite und einen angenehmen Geruch. Er blickte zur Seite und sah das für ihn zubereitete Essen auf dem Nachttisch. Er betrachtete es ein wenig und roch eine Weile dran. Dann nahm er das Tablett auf seinem Schoß und fing an zu essen.

    "...hm... hmhm...", summte er nur und schüttelte ab und an den Kopf.

    [...]

    Der Tag war kurz davor zu dämmern. Maxim saß an einer Ecke des Bettes und rollte sich in seiner Decke zusammen. Auf dem Nachttisch stand ein Name darauf: Ava war deutlich zu lesen. Dahinter befand sich ein Strich.
    "Vielleicht die letzten zwei Tage... aber nicht heute, Ava."

  9. #9
    Während Miller und Edmond gemächlich durch das Krankenhaus spazierten, versuchte der junge Graf unter Hochdruck, sich an die Details der jüngsten Geschehnisse zu erinnern und einen Hinweis dafür zu finden, dass Libra oder Ava definitiv zu den Werwölfen gehören mussten. Noch immer gab es so viele ungeklärte Fragen, die ihn beschäftigten, und wie er es auch anstellte, seine Zweifel gegenüber diesen beiden Frauen ließen sich in keinster Weise aus dem Weg räumen.
    "Mir scheint, bei eurer These, es gäbe nur noch eine weiteren Werwolf, habt Ihr etwas übersehen, Miller. Die Werwölfe haben vor einigen Tagen einen der Vampire gefressen und umgekehrt haben die Vampire unseren früheren Bürgermeister angegriffen, welcher auf Seiten der Werwölfe stand. Die Werwölfe und Vampire kämpfen nicht nur gegen uns Menschen, sondern auch selbst gegeneinander. Vier Vampire sind bereits besiegt worden und in Anbetracht dieser Anzahl wären zwei Werwölfe ein bisschen gering geschätzt, denkt Ihr nicht auch? Nur zu leicht hätten auch sie das Opfer der Vampire werden können, warum also sollten sich zwei Werwölfe dieser Gefahr aussetzen, wenn man sie eigentlich im Rudel erwarten würde?
    Nein, nein. Es muss noch zwei lebende Werwölfe geben, und damit muss Ava zwangsläufig einer von ihnen sein. Selbst gestern noch stellte sie die Möglichkeit in den Raum, dass Maxim und ich zu den Vampiren gehören könnten. Wäre sie jener lang gesuchte Günstling gewesen, dann hätte sie die Wahrheit gewusst und uns nicht weiter verdächtigt. Und was für ein Mensch sollte sie denn schon, wenn sie weder eine Bestie noch jener Günstling ist? Das ergibt so keinen Sinn und demnach muss sie einer dieser Werwölfe sein.
    Vorgestern noch hat sie Shael beschützt. Vielleicht war es nur ein überaus verzweifelter Versuch, ihn vor dem Tode zu bewahren, als sie Maxim anklagte. Vielleicht hatte sie gehofft, dass der dritte Werwolf in ihrem Bunde sie noch unterstütze würde, um den Verdacht erregen zu lassen, dass Maxim tatsächlich noch ein Blutsauger sein und somit das Blatt zu ihre Gunsten könnte. Nun ist statt ihr ein unschuldiger Mensch gestorben und mein Gott, Libra wird mich zwar abgrundtief hassen, doch kann ich sie deswegen nicht als Nächstes anklagen.
    Wir müssen weiterhin versuchen, rational zu handeln und warum auch hätte Libra gestern ausgerechnet Adryan anklagen sollen? Nach Shaels Tod war es eigentlich gewiss, dass Ava als nächstes hätte hingerichtet werden sollen, und einzig Adryan und Libra haben diesen Verdacht aufrecht erhalten. Was zählen schon die Lebensjahre, wenn wir Ava verschonen würden und sie sich dann als Bestie herausstellen würde, die uns zum Dank dafür verschlingt? Gewissheit, das ist es, was wir jetzt am dringendsten benötigen, und ich bin mir sicher, dass wir diese mit Avas Tod finden werden! Libra hat Grandy, Dankwart und Adryan verloren. Ebenso beklage ich den Verlust von Sophia, Marina und Selene. Welch grausamen Streich wir dieser verbitterten Frau spielen würden, würden wir sie von ihrer Trauer erlösen, indem wir sie dem Feuer übergeben würden!"

    Mit entschlossener Miene ging Edmond gemeinsam mit Miller langsam wieder zu Maxims Krankenbett zurück. Die Sonne ging erneut in der Ferne unter und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die beiden Frauen, über die der Musiker und der Bürgermeister so lange gesprochen hatten, eintreffen würden. Sicherlich erwarteten Beide schon, an diesem Abend ablassen zu müssen und es musste wohl eine Folter für sie sein, nicht zu wissen, wen von ihnen es am Ende treffen würde, wenn es nach den Männern ging...

  10. #10
    Leoardo erwachte und zog sich an.

    er ging richtig versamlungsort ob wohl Edmund und Maxim missfallen die beiden schützen sich offensichtlich undh aben auch den tod des ermitlers in kauf genommen vielleicht wusste er das die beiden werwüfle sind.

    Als er eintraff suchte er die taffel und sah 2 stiche bei ava.

    "Edmund Dantes heute naht dein ende, du und maxim schützt euch so offensichtlich wie ers nur bestien untereinanter tuen." sprach er und setzte sich hin.

  11. #11
    Miller musterte den Gelehrten verächtlich. "Sind Sie irre, Mann?! Grandy ließ sein Leben, um uns mitzuteilen, dass Herr von Dantes ebenso wie Sie, Herr di Dragonieri unschuldig ist! Und wie wir gerade festgestellt haben, gibt es keine Vampire mehr, das heißt ihre Anklage ist vollkommen daneben gegriffen! Herr von Dantes kann kein Werwolf sein, und Maxim kann daher auch keiner sein. Ebenso wenig können sie Vampire sein, da unsere Zahl für diese Vermutung mittlerweile einfach zu gering ist."

  12. #12
    "Ihr seid echt ein Gelehrter? Kann ich, ehrlich, nicht glauben", antwortete Maxim auf Dragoneris Argumentation, "wir schützen uns, richtig, aber nur, weil wir vornerein ausschließen, dass wir böse Wesen sind. Auf dieser Welt existiert noch etwas, das sich Vertrauen nennt. Und wie wir wissen ist Edmond ein normaler Mensch. Da niemand vermutet, obwohl ich selbst mir noch nicht sicher bin, dass es noch Vampire gibt, kann Edmond genauso wenig ein Günstling sein, mal abgesehen davon, dass ich es immer noch für lächerlich halte, dass er als Fanatiker bezeichnet wird." Sitzend fing er an über Dragoneri zu lächeln. "Seid Euch dessen bewusst, in was für einer Situation wir uns befinden. Das wenigste, was wir jetzt gerade brauchen, ist Euer Gehirn, welches sich verabschiedet. Gebt Euch gefälligst mehr Mühe, wenn Ihr solche absurden Anschuldigungen macht, ja?" Er machte einen freundlichen, jedoch angsteinflößenden Gesichtszug. "Immerhin geht es hier um Leben und Tod."

  13. #13
    Auch Ava betrat Maxims Krankenzimmer. Man sah Edmond an, dass er nicht besonders begeistert über ihren Besuch war, doch Ava ging unbeirrt zum Bett des Jungen, der gerade Leonardo böse anschaute, und überreichte ihm schon fast schüchtern ein Teller mit Kirschkuchen. Die Kirschen hatte sie sich für den Winter haltbar gemacht gehabt, um auch im Winter Früchtekuchen backen zu können.
    „Ich wollte nur noch einmal sagen wie Leid es mir tut, Maxim. Ich weiß, dass du und der Bürgermeister eure Entscheidungen nicht überdenken werdet, dennoch will ich nicht, dass ihr eine schlechte Meinung von mir habt, wo ich doch heute sterbe. Das würde das Ganze irgendwie...trauriger machen.Und keine Sorge: Der Kuchen ist nicht vergiftet.“
    Sie lächelte ihn schmerzhaft an. Dann wandte sie sich ernst zu den noch anwesenden Personen zu: „Ich bleibe bei meiner Wahl von gestern. Libra ist ein Werwolf. Die Gründe dafür habe ich euch schon gestern erläutert. Und Ihr, Leonardo di Dragoneri, vielleicht solltet Ihr Euch noch einmal überlegen, wen Ihr beschuldigt. Denn obgleich auch ich einmal Edmond Dantes bezichtigte, eine Gefahr für die Bürger zu sein, so geschah dies ohne genaue Kenntnisse von Grandys Fähigkeiten.“

  14. #14
    Während sich die Vertrauenspersonen in Maxims Zimmer versammelten, hatte Libra ein anderes Ziel. Sie ging die Straßen entlang, Julie folgte ihrem wehendem Umhang. An einer Ecke blieb sie stehen und kniete sich vor die Türschwelle des alten Mannes, der heute nacht sein Leben gelassen hatte. In dem Antiquariat wusste sie sofort, was sie suchte: Der lange Degen war ihr schon beim Besuch bei Havelock vor wenigen Tagen aufgefallen. Er lag ihr gut in der Hand. Ihr Blick fiel auf das Sofa, auf dem Adryan noch vor wenigen Tagen saß. Ihr Blick wurde bitter.

    "Komm, Julie. Dies wird wohl unser letzter lebendiger Tag sein. Ich werde Adryans Auftrag zuende bringen und dieser Stadt Frieden bringen Und ich weiß, wer dafür sterben muss....Um heute zu überleben, muss Ava leider sterben. Obwohl...wenn sie die letzte ist...dann ist alles vorbei. Aber eine Person muss dann trotzdem noch sterben" Sie kicherte. "Der Bürgermeister hat genausoviele Menschen auf dem Gewissen wie Ava - oder Miller...oder wer auch immer der Letzte ist. Oder der Vorletzte."

    Denn eines wollte sie noch vor ihrem Tod wissen: Warum hatte nie jemand gefragt, was Miller eigentlich war - außer scharfsinnig. Man wusste nicht, was sich hinter diesem Sinn verbarg. Ein Mensch - oder etwas anderes. Das war die letzte Chance, die es noch gab. Solange Ava nur ein Monster war....

  15. #15
    Und so sah die junge Obsthändlerin Ava ihrem letzten Sonnenuntergang entgegen...

  16. #16
    Genüsslich biss Ava in den Kirschkuchen. Das würde wohl das letzte Mal sein... Ava bedauerte es nicht zu sterben; sie hatte in den vergangenen Tagen mehr als genug Zeit gehabt, sich mit dem Gedanken anzufreunden, doch den Geschmack von frischen Früchten nie mehr zu schmecken, war unvorstellbar für sie.
    Die Tür knarzte und Edmond betrat ihre Kammer. Immerhin hatte er den Anstand, sie persönlich zum Galgen zu führen. Hinter ihm folgten außerdem sieben Wachen, manche von ihnen Männer von Kurt Heinz Wolfinger von Kessel. Acht Männer, um eine einzige junge Frau dem Tod zu übergeben... Als wäre sie etwas Böses, Grauenvolles, das sie jederzeit in Stücke reißen konnte, sodass sie acht Männer bräuchten, um es zu bändigen.
    Avas Gesicht verzog sich vor Abscheu. Doch es waren nicht die Wachen, die dieses Gefühl in ihr hervorriefen, sondern der Gedanke daran, dass man sie für einen.... stinkenden Köter gehalten hatte.

    „Bist du bereit?“, fragte Edmond, worauf Ava rau lachten musste. „So bereit, wie man für Gevatter Tod sein kann!“
    „Dann lass uns aufbrechen.“ Er wandte sich abrupt um. Was störte ihn so sehr? Dass sie lachte? Ihr Lachen wurde noch lauter, und diesmal lachte sie ihn aus. Verhöhnte ihn. Er hatte versagt. Die Stadt gemeinsam mit diesem unwissenden Bürschchen gegen sie aufgehetzt. Und für was? Die Genugtuung, endlich den Günstling hinrichten zu können, für den man ihn so lange gehalten hatte?

    Ja, Ava war der Günstling, war es schon immer gewesen... Seit ihr Mann damals mit einer frischen Bisswunde zu ihr gekommen war, um ihr zu erzählen, dass er schon bald kein Mensch mehr sein würde. Sie war entsetzt gewesen. Doch was hätte sie tun sollen, außer zu versuchen, ihn vor Vampirjägern und anderen Häschern zu beschützen? Er hatte sich sein Schicksal schließlich nicht ausgesucht. Niemand von ihnen hatte das. Wer hätte ahnen können, dass er in der Nacht von einem Vampir angefallen werden und nur knapp mit dem Leben davonkommen würde?

    Mit der Zeit verschwand sogar der Hass auf jene Wesen, die ihrer kleinen Familie so viel Leid beschert hatten. Sie waren, was sie waren. Es ist die Natur eines jeden Vampirs, nach menschlichem Blut zu dürsten. Vermutlich hatte ein jeder von ihnen mit der selben Vergangenheit zu kämpfen wie ihr Mann und konnte die gleiche Geschichte erzählen. Wer war sie denn schon, um über sie urteilen zu dürfen?
    Sie wurde sogar wieder glücklich, für eine Zeit... Sie konnten zwar ihren Traum nach gemeinsamen Kindern nicht länger realisieren, doch es waren trotzdem erfüllte Tage gewesen. Ava hatte es stillschweigend hingenommen, dass ihr Mann nachts Menschen jagte. Sie waren Opfer, über die sie nur zu gern hinwegsah.
    Doch dann kamen die Vampirjäger und nahmen ihr alles weg, das ihr etwas bedeutete. Skrupellos ermordeten sie ihn, als er gerade zum Obstverkauf gegangen war. Der Mord wurde vertuscht und als harmloser Überfall dargestellt. Das Volk durfte niemals von den Vampiren erfahren, da stimmten Vampirjäger und Vampire überein. Aber ein Überfall? Als ob sie etwas gehabt hätten, dass sich den Aufwand eines Raubes gelohnt hätte...
    Ava selbst wurde nicht weiter behelligt. Sie wurde zwar argwöhnisch beäugt, doch da man ihr nicht nachweisen konnte, dass sie von den Aktivitäten ihres Ehemannes gewusst hatte, ließ man sie unversehrt. Doch das bedeutete ihr nicht mehr viel. Sie hatte alles verloren. Alles, außer ihrer Obstplantage.

    In den folgenden Jahren war diese ihr Leben. Ava ging ihrer Arbeit nach und versuchte, keine festen Beziehungen zu den anderen Dorfbewohnern aufzubauen, damit sie nicht auf die damaligen Geschehnisse aufmerksam wurden. Denn allzu enge Freunde fingen an, Fragen zu stellen.
    Bis in jener Nacht plötzlich jemand an ihrer Tür geklopft hatte. Es war ein Vampir gewesen. Er erzählte ihr von einem Machtkampf zwischen Menschen, Vampiren und Werwölfen, der sich wohl bald ereignen würde und bat sie um ihre Unterstützung. Ava willigte sofort ein. Sie scheute zwar die Auseinandersetzung mit den Menschen, deren Rasse sie angehörte, doch gegen tote Werwölfe hatte sie absolut nichts einzuwenden. Je weniger von diesem Abschaum es auf der Welt gab, umso besser. Verflohte, schmutzige, barbarische Monströsitäten! Schon allein bei dem Gedanken an diese haarigen Widerlinge schauderte Ava.

    Edmond holte sie wieder in das Hier und Jetzt zurück. Er packte sie am Arm und zog sie auf das Podest. Als sie stolperte, wurde sie unwirsch von einem Soldaten wieder auf die Beine gezerrt.
    Vor dem Galgen war die gesamte Bürgerschaft versammelt. Allen voran, in der ersten Reihe, standen die restlichen vier Vertrauenspersonen, zu denen sie bald nicht mehr gehören würde. Fast war sie froh darum. Keine Verantwortung mehr tragen zu müssen, hatte etwas Reizvolles an sich.
    „Willst du uns nicht endlich offenbaren, wer oder was du wirklich bist?“, fragte der Bürgermeister schließlich eisig. Hah! Er glaubte immer noch, im Recht zu sein. Oder hörte sie da ein wenig Unsicherheit, die seine Stimme zittern ließ?
    „Das werde ich!“, antwortete Ava gelassen. Vielleicht war es der Gedanke an ihren Mann, der ihr Kraft gab, oder die Tatsache, dass der Tod zu einer unvermeidlichen Tatsache geworden war. Was auch immer es war, es half ihr, ihre Angst zu vertreiben.

    „Ich bin nicht das, wofür ihr mich haltet.“, eröffnete sie. Einige Vertrauenspersonen schlossen bestürzt die Augen bei dieser Offenbarung, andere wussten es schon und hatten es immer schon gewusst. „Dennoch...“, fuhr Ava fort, „...bin ich nicht unschuldig. Edmond Dantes stellte einmal sehr scharfsinnig fest, dass mein Wahlverhalten besser zu einem Vampir als zu einem Werwolf passen würde. Wahrscheinlich war das die einzig richtige Theorie, die er in der gesamten Amtszeit als Bürgermeister aufgestellt hat. Denn ich stand auf ihrer Seite und habe mich mit ihnen verbündet. Versteht mich nicht falsch, gegen Menschen und dergleichen hatte ich nie etwas einzuwenden; ich war nie eine reale Gefahr für euch. Mein einziges Ziel war es, Werwölfe aufzuspüren und zu vernichten. Der Tod am Galgen war nicht für mich bestimmt, sondern für eine dieser haarigen Bestien. Hätten wir es geschafft, eine aufzuspüren, wäre es vielleicht nie soweit gekommen. Ich wünsche euch viel Glück bei der Suche nach den Quellen des Übels.“ Ava lächelte noch einmal traurig in die Menge und begegnete Maxims Blick. Es war schade, dass ihre Freundschaft auf diese Art und Weise hatte enden müssen. Dann wandte sie sich Edmond zu und sagte entschlossen: „Ich werde mich nun eurem Urteil fügen.“

    Als sie auf den Stuhl stieg, den man für die Hinrichtung bereit gestellt hatte, begann Ava ein Lied zu summen. Und sie fing an zu singen, als man ihr die Schlinge um den Hals legte, sang, als ihr Edmond den Stuhl unter den Füßen wegzog, sang, bis ihr der Strick die Luft abschnürte.

    Selbst als Avas Füße längst aufgehört hatten in der Luft zu zucken, war die Nacht erfüllt von dem Klang des Liedes. Jedoch war es kein schmerzliches Lied, sondern eines, dass man die Obstbäuerin oft fröhlich beim Pflücken hatte summen hören. Es verhieß Glück, Freude und Liebe.
    Es verhieß einen Neuanfang.

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