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Friedrich Miller bemerkte weder Maxim noch Havelock, während er, sein Ziel vor Augen, über den Marktplatz schritt. Im Rathaus hielt er sich nicht lange mit Formalitäten auf, mit einem knappen "Heiße Miller, Vertrauensperson - muss den Bürgermeister sprechen" eilte er am Sekretär vorbei, welcher ihm verdutzt hinterherblickte. Miller hatte den Weg zum Arbeitszimmer des Bürgermeisters noch vage ihm Kopf, und bald stand er vor der eichernen Tür. Ohne vorher zu klopfen, langte er nach dem Türgriff - als sich die Tür auf einmal öffnete und Edmond von Dantes vor ihm stand.
"Guten Tag, Herr Miller, kommen Sie herein."
Von Dantes gab den Weg frei und machte eine einladende Handbewegung. Miller wurde hiervon kurz aus dem Takt gebracht, doch schließlich trat er ins Zimmer.
"Woher wussten Sie, dass ich vor der Tür-", setzte Miller an, dann brach er ab und murmelte: "Wie dem auch sei. Ich bin gekommen, weil es Dringendes zu besprechen gibt, nicht um Schwätzchen zu halten."
Er wusste nicht genau, wie er anfangen sollte. Schließlich sah er dem Bürgermeister tief in die Augen und rief: "Wir haben gestern einen schrecklichen Fehler gemacht, nur weil Sie nicht wussten, welche Prioritäten zu setzen sind!" Ja, das war ein ganz guter Anfang. "Ich hatte es ja geahnt! Mir hatte es von vorne bis hinten nicht gefallen. Wir hätten den Mörder ins Gefängnis stecken können, wo er keinen Schaden anrichtet, aber nein, wir mussten ihn sofort hinrichten, und jetzt sehen Sie, was passiert ist!"
Edmont von Dantes sagte kein Wort. Er wusste, dass Miller den Tod von Selene meinte, und wohl auch den Tod Rebeccas, selbst wenn hierfür niemanden im Raum die Schuld traf. Ja, nicht einmal der vermaledeite Frankenfels schien für ihren Tod verantwortlich zu sein - eine Untersuchung hatte ergeben, dass die eigentlich sofort tödliche Krankheit bereits einen ganzen Tag in Herrn Stepback gearbeitet hatte. Ein letzter Abschiedsgruß des hoffentlich letzten Vampirs, der Düsterburg unsicher gemacht hatte - Talis Schönbrunn.
Miller brauste weiter auf. "Ich schlage Ihnen etwas vor, Herr von Dantes: Halten Sie bei der heutigen Versammlung Ihre unheilbringende Gosche im Zaum und klagen Sie nicht sofort den erstbesten Bürger an, der Sie schief angeschaut hat. Denn das werden heute so einige sein, das kann ich Ihnen sagen!"
Mit einem leisen Räuspern meldete sich Edmond von Dantes zu Wort. "Herr Miller, ich werde die Person anklagen, die ich für einen Werwolf halte. So, wie ich es bisher immer getan habe. Sie können und werden mir nicht den Mund verbieten, nur weil Sie von Trauer und Wut geblendet sind."
"Geblendet, ha! Machen Sie sich doch nichts vor, die ganze verdammte Stadt ist blind! Da können Trauer und Wut auch nicht mehr viel bewirken! Und von Mund verbieten kann keine Rede sein, ich möchte nur ein einziges Mal, dass wir, die Menschen Düsterburgs, ein klares Votum ablegen und damit einen Werwolf hängen! Das muss doch, bei Gott, möglich sein! So viele Personen kommen ja nicht in Frage, und Sie sollen wenigstens einmal eine der hauptverdächtigen Personen anklagen!"
Allmählich verlor von Dantes die Geduld. Dieser Musikus maßte sich ganz schön viel an, so mit seinem Bürgermeister zu sprechen. "Ich bin mir sehr wohl bewusst, an wen Sie denken. Gestern haben einige Leute nicht für Frankenfels gestimmt, was ihr gutes Recht war, doch keiner von ihnen gab seine Stimme aufgrund eines Werwolf-Verdachts. Dieser Clerc und Libra hatten sogar den Nerv, mich anzuklagen, der ich ja bewiesenermaßen ein Mensch bin. Sie müssen mich nicht darüber aufklären, wie verdächtig das wirkt. Und nun beruhigen Sie sich endlich, mit Ihnen ist so ja nichts anzufangen."
Millers Blick trübte sich wieder. Ja, mit ihm war gerade wirklich nicht viel anzufangen. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und starrte gedankenverloren ins Nichts.
"Clerc, Libra, Dankwart, Ava und Shael - sie verdächtigten Maxim oder Sie, ein Vampir zu sein. Warum sollten sie das tun? Die Menschen dieser Stadt sind Nacht für Nacht dem Tode geweiht, und dann versuchen diese Leute nicht einmal, einen Werwolf ausfindig zu machen, nein - sie versuchen, Vampire zu finden! Von denen wir nicht einmal wissen, ob wir sie schon vernichtet haben... heute Nacht gab es keinen Toten, Herr von Dantes. Die Werwölfe sind sich ihrer so sicher, dass sie es sich nicht nehmen lassen, uns zu verhöhnen. Für sie sind wir die Gejagten, und sie entscheiden, wann sie die Flinte anlegen.
Heute Abend muss einer von ihnen hängen. Clerc schließe ich aus, ebenso wie Dankwart - bleiben noch Libra, Ava und Shael. Und... Maxim, für den Sie Ihre Hand ins Feuer legen. Das tun Sie doch, oder? Sie müssen selbst wissen, ob dieses Vertrauen begründet ist, doch ich werde mich hier nicht gegen Sie stellen. Shael war über den Tod des ersten Opfers... Thorben... dermaßen bestürzt, dass ich ihn nicht so sehr verdächtige wie die anderen beiden."
Miller begrub seinen Kopf zwischen seinen Armen und raufte sich die Haare. Edmont von Dantes sagte in die Stille hinein: "Selene hatte Ava ebenfalls für verdächtig gehalten."
Geändert von Schattenläufer (09.12.2011 um 09:22 Uhr)
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