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Legende
Nachdem den guten Sven endlich das Schicksal ereilte das jedem Doppelmörder zustand – nämlich die Todesstrafe – zog sich Selene bald schon zurück. Zum einen weil die Aufregung am Abend wirklich viel Stoff zum nachdenken gegeben hatte, aber auch weil sie für den heutigen Abend fit sein wollte und daher jetzt schon schlafen gehen wollte. Das Gasthaus lag verlassen da, alle nahmen an der Hinrichtung teil. Selene machte sich nicht viel Mühe und nahm nur eine der Kerzen mit, die auf einem der Tische im unteren Geschoss standen, als sie die Treppen hinauf zu den Zimmern hing. Im engen Lichtkreis der Kerze übersah sie dann auch die Bügelschlagfalle, die Sven dort im Laufe des Morgens dort postiert hatte (als er ungesehendurch das Fenster des Nebenzimmers einstieg, erst versuchte durch Schnuppern Selenes Zimmer ausfindig zu machen und dann beschloss eine random-Falle in einem Gästehaus auszulegen, weil irgendjemanden würde er ja sicher damit erwischen.) Die scharfen Kanten des Eisens hätten einem Bär eine Tatze absägen können – in Selenes Fall war es ihr linkes Bein, das sauber bis knapp unterm Knie abgetrennt wurde.
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Der Gastwirt hatte das Schluchzen und Schreien erst eine ganze Weile später bemerkt, als er von der Hinrichtung zurückkam. Selene hatte soviel Blut verloren, dass der junge Feldscher, der hinzugezogen wurde, ebenfalls nichts mehr ausrichten konnte. Er schlug vor ihren Beinstumpen auszubrennen um Wundbrand zu vermeiden aber gleichzeitig schien er sich sehr unsicher zu sein und Selene am liebsten gar nicht behandeln zu wollen.
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Es war spät und der Tag war schrecklich gewesen – in vielerlei Hinsicht. Edmond aber freute sich im Stillen darauf das er vollends zuende ging, denn einen Lichtblick gab es – Selene wollte ihn heute Abend noch besuchen. Maxim war noch bei ihm, verwirrt und müde dreinblickend half er ihm dabei die Unterlagen der Stadtwache Sven Frankenfels betreffend zu ordnen und abzuheften. Als der Brief des Gastwirtes bei ihm ankam, ob er wohl bereit sei für eine verletzte Vertrauensperson die Arztkosten zu tragen, waren bereits zwei Stunden vergangen.
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„Ich habe meinen Leibarzt verständigt, sie werden hier nicht mehr gebraucht.“ Der Feldscher schlug nur rasch ein Kreuz und eilte sich dann aus dem Gasthaus zu kommen wobei er murmelte „Vampire, Werwölfe … soll sie doch alle der Teufel holen wer weiß was das Weib in der Brust trägt.“ Maxim war Edmond ins Gasthaus gefolgt und stand hinter ihm im Eingang von Selenes Gästezimmer. Der Boden vor ihrer Türe sah aus, als wäre er mit frischem Ochsenblut gestrichen worden. Aber ein rascher Blick auf ihre Bettstatt zeigte – das Blut war alles andere als tierischen Ursprungs.
~*~
Die engen Kompressen bluteten so schnell durch, das es sich fast nicht lohnte neue anzulegen. Edmond und Maxim wechselten sich dabei ab Selenes Beinstumpf oben zu halten und dabei Tücher auf die Wunde zu pressen. Als endlich der Leibarzt von Edmond das Haus betrat und die Aterie abschnürte warf sich Selene bereits grau wie ein Laken und mit hohem Fieber auf ihrem Bett herum, wobei sie sich aber einbildete zu frieren. „Das ist der hohe Blutverlust. Ich befürchte da kann ich nichts mehr machen. Ausser der offenen Wunde hat sie durch die Quetschung auch schlimme innere Blutungen erlitten. Ich fürchte wenn sie nicht am Blutverlust und dem einhergehenden Luftmangel erstickt wird sie zumindest schlimme Einbußen haben, was ihre Denkfähigkeit betrifft. Ich wünsche es ihr fast, das sie das nicht überlebt.“ Wut und Hilflosigkeit schüttelten Edmond in diesem Moment. Er war kurz davor seinen Arzt am Kragen zu packen und ihn anzuschreien er solle etwas tun – irgendwas. Aber das würde ihr auch nicht mehr helfen.
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„Und bin ich auch ein wildes Tier, so kann ich doch nichts dafür – es ist nicht meine Schuld.“ Edmond und Maxim erstarrten als sie plötzlich Selenes Stimme hörten – ruhig, liebevoll, entspannt. „Eine englische Autorin hat das geschrieben. Dieser Jäger scheint meine langen Reden nicht gerade geliebt zu haben, hm?“ Sie lächelte. „Das einzige Biest das uns belebte war Schärfe mit der wir die Schwächen und Widersprüche dieser Parasiten aufgedeckt haben. Und die Leidenschaft, von der wir wissen das sie Leiden schafft. Halt noch mal meine Hand, mein lieber Edmond.“ Er setzte sich zu ihr ans Bett und betrachtete sie mit ruhigem Blick. Die Lippen die sich bläulich verfärbten. Ihre Brust die sich hungrig nach Atemluft rasch und flatternd senkte und hob. Ihr Finger, die den Druck seiner Hände nicht mehr erwidern konnten. Ihre Augen, die den Blick seiner Augen klar und völlig bei Sinnen erwiderten. „Ich werde so sterben wie ihr mich zu leben gelernt habt: Frei und stolz ohne Groll im Herzen. Hab keine Furcht vor dem was kommt. Ich war euch ja sowieso keine besonders Große Hilfe. Auch ohne mich werdet ihr es schaffen. Denk nach vorne und nicht zurück. Vor dir liegt ein neues Leben, wenn du weißt wohin du gehörst, wo du wirken kannst. Ort und Zeit ist unwichtig. Nur das ist wichtig was man tut. Verzeih das ich es versäumte Rowan zu schützen. Verzeih...“ Kurz darauf begann sie zu fantasieren. Das Eckhaus beim großen Platz hinter der Kirche – neben den Lavendelbüschen und den Rhododendronhecken - dort hätte sie ihre Chocolatierie eingerichtet. Sie schwärmte von Kindern, jede Menge Kindern hätte sie gehabt, 5 oder 6. Mit dunklem Haar und grünen Augen wie Edmond sie hatte. Und alle die nach Düsterburg gekommen wären hätten gelernt was es heißt Gleiche unter Gleichen zu sein. Und was es hieß das Salzige im Leben mit der Süße zu ergänzen. Denn beide gaben dem Leben Schönheit, Reinheit und Sinn.
~*~
Edmond verließ das Zimmer nur kurz um einige Decken zu holen. Als er zurück ins Zimmer kam, murmelte Maxim ihm zu "Sie ist wohl ohnmächtig geworden".
Der Arzt legte eben seine Hand über ihren Mund, dann auf ihren Hals. Dann blickte er Edmond an und schüttelte den Kopf ohne ein Wort zu verlieren.
Der Leibwächter der nachts mit Degen und Mantel um die Häuser geschlichen war um die Leben der Bürger zu beschützen war tot.
Geändert von Viviane (05.12.2011 um 23:43 Uhr)
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