----------------------Nur in der Schankstube-----------------------------------------------------
"Mir dünkt, ihr schuldet mir noch eine Unterhaltung, werter Havelock. Die gestrigen Ereignisse haben einige Fragen in mir geweckt, auf die ihr sicherlich eine Antwort kennen dürftet."
Havelock bedachte den Ermittler mit einem leicht benommenem, aber noch immer wachem Blick:
"Nun Herr Clerc, es gibt vieles auf das wir alle gerne eine Antwort wüssten... und dann gibt es jene Dinge die nur schwer in Worte zu fassen sind." Die Schankstube wurde durch die Musik Millers von einer Atmosphäre der Zweisamkeit umhüllt, welche die Überlebenden dazu brachte, sich näher zu kommen. Wie das letzte Ballet auf einem untergehenden Schiff, tanzend, verlangend, Hoffnung und Liebe suchend. Bis in den Untergang hinein, dem Glück engegenstrebend.
Adryan rutschte ein wenig unruhig auf seinem Sitz umher, als er auf eine klare Antwort Havelocks wartete. Libra beobachtete das Gespräch, von der Stimmung angesteckt, den schmachtenden Blick immer wieder auf die von Kerzenschein umrahmte Sillouette Adryans gerichtet. "Der Kopf, Havelock... was habt Ihr mit dem Kopf des Callan Fidian angestellt. Es erscheint nicht nur mir äußerst merkwürdig, dass ihr ihn einfach mitgenommen habt..." Der Antiquar wandte den Blick nicht von der Liste ab als er zu einer Antwort ansetzte: "Ich habe getan, was getan werden musste... Wusstet Ihr das der Körper eines toten Obervampirs, auch Jahrzehnte nach dessen ableben, wieder zu neuem Leben erwachen kann, wenn auch nur ein Tropfen Blut die Asche seines verfallenden Leibes benetzt!? So heißt es jedenfalls; und ich wollte bei Fidian kein Risiko eingehen. Zumal ich ihm im Feuer der Verzweiflung versprach, seinen Geist den ewigen Qualen des Fegefeuers zu überantworten. Nein, er durfte sich nicht einfach so aus dem Leben schleichen, ohne für seine Taten zu büßen."
Adryan nickte, ob auch dunklen Gedanken nachgehend, was die Kaltblütigkeit des Antiquars anging.
Libra kam nun, mit einem Blick, wie ein verträumter Sonntag Morgen in Seiden umhüllten Tüchern, zu den beiden herüber und legte Ihre Hand sanft auf Adryans Schulter.
"Meister Havelock, auch ich weiß noch nicht recht, was ich für Schlüsse aus Eurem Verhalten ziehen soll, Ihr umgebt Euch mit mehr Geheimnissen und vagen Antworten, als es selbst der verschlossenste Freimaurer vermag. Doch merkt man auch, das Ihr zwar nicht ganz offen sprechen wollt, aber immer wieder Informationen über Euch unter die Leute streut. Was bezweckt Ihr damit?"
Havelock jauchzte und trank einen großen Schluck aus dem vor ihm stehenden Krug;
"Der Geist eines Menschen steckt voller dunkler Türen und hellen Lichtungen. Verübelt es einem alten Griesgram, welcher sein Leben lang allein umherwandelte nicht, dass er auf seine letzten Tage versucht, die verschlossenen Türen zu öffnen und seine Umwelt auf die hellen Lichtungen seines Geistes führen will. Ich weiß, dass ich vieles getan, was misstrauen in so manchem Gedankengang erweckt hat. Doch glaubt mir wenn ich Euch sage, dass ich genau weiß was ich tue und niemandem schaden will, der Gutes für die Stadt vollbringt..." Missmutig starrte er in die Leeren des Kruges vor ihm. "Auch wenn die eigenen taten nicht immer das wiederspiegeln, was man von ganzem Herzen will." Sein Blick wanderte auf das tänzelnde Pärchen, Selene und Edmont Dantes, Havelock seufzte:
"Vielleicht habe ich mein Leben vertan, vielleicht hätte ich anderen Dingen den Vorzug geben sollen. Doch selbst eine Sekunde in der Vergangenheit ist weiter entfernt als 100 Jahre in der Zukunft, denn was geschehen ist, kann nicht verändert werden."
Er versah Adryan und Libra mit einem weisen Blick an:
"Ihr beide seid noch jung und habt Euer Leben noch vor Euch, ihr solltet die Zeit die Euch bleibt nutzen und das richtige tun. Jede Sekunde zählt..."
Adryan und Libra warteten darauf, dass der Antiquar weiter reden würde, doch dieser saß nur noch schweigend über der Liste und ging seinen eigenen, vom Alkohol vernebelten Gedanken nach.
Und als weiter keine Antwort kam, verabschiedeten sie sich vom Antiquar und gingen dem nach, was auch die letzten Tänzer des untergehenden Schiffes getan hatten.
Sie tanzten dass sich stetig wiederholende Ballet des Lebens, im Angesicht des Todes, nach Glück und Zusammenhalt suchend...
Als die beiden sich entfernt hatten, blickte Havelock durch das Licht der Kerzen in eine ferne Vergangenheit, eine Zeit als auch er jung gewesen ist, als er noch Hoffnung und Zuversicht in sein Leben gelegt hatte.
---------------------------Viele Jahre vorher in Düsterburg /oder warum Havelock wurde, was er ist--------------------------------------------------------
Dunkelheit, der Boden ist feucht und voller Schlick, der Betrachter erblickt im schwachen Schein des durch ein Loch hereindringenden Mondlichts die Konturen einer bemoosten Ziegelwand. Schritte nähern sich, Schatten werden an die Wände geworfen und tanzen ein diabolisches Ballet an den Wänden des unterirdischen Gewölbes.
Der Schein einer Laterne wird sichtbar, getragen von einem jungen Mann mit Spitzbart und vollem Haar. Seine Stiefel sind mit Schlamm verkrustet und ein Lederbeutel auf seinem Rücken ist gefüllt mit klimpernden Gegenständen. Er trägt eine kleine Spitzhacke an seinem Gürtel und versucht im Licht der Laterne eine Karte zu lesen.
"Ich müsste jetzt genau unter dem Anwesen der Familie Fortesque sein..." Kaum hatte der junge Mann diese Worte an sich selbst gerichtet, als plötzlich ein Knacksen von der Decke her zu hören war. Der Blick des heranwachsenden Waisen glitt langsam nach Oben:
"Oh, oh..." sprach er noch, als ein schwall aus Ziegeln, Schutt und vor allem dem Schrei einer jungen Frau direkt aus der Decke auf ihn niederprasselte. "Verdammt nochmal was...!?"
Der junge Havelock, ging ihn die Keller der Stadt um das nötigste für sein Überleben zusammenzutragen, doch was er nun erblickte, war nicht gerade das, was man jeden Tag in den Kellergewölben Düsterburgs fand.
Eine junge Frau, in einer rosa Wolke aus Seide und Brokat. Havelock war von dem Anblick der sich ihm bot gefangen und befreite das Mädchen behutsam von dem heruntergekommenen Schutt:
"Bleib ganz ruhig, du hattest einen Unfall..." "Wer...seid Ihr?... Was ist geschehen, aah..." Die junge Frau hatte sich beim Sturz am Knöchel verletzt und hatte nun ganz offensichtlich furchtbare Angst. "Ihr braucht Euch nicht zu fürchten, Mylady, ich werde Euch nichts tun. lasst mich Eure Wunde ansehen." Noch immer angstlich nickte sie Havelock zu und gab ihm so zu verstehen, dass er sich die Verletzung ansehen dürfe. Es stellte sich heraus, dass sie sich den Knöchel nur angeknackst hatte. " Erlaubt mir Euch aus diesem Loch zu befreien, ich kenne den Weg hinaus." Die junge Frau war verwirrt, ließ es aber zu dass der junge Mann Ihre Arme um seine Schultern legte um sie bei dem Gang aus den Kellern zu stützten.
"Ihr habt mir das Leben gerettet. Ich wäre noch viele Tage lang in den Kellern umher geeirrt, wäre ich nicht wie durch die Fügung des Schicksals auf Euch herabgestürzt. zurzeit ist bis auf den Alten Diener unserer Familie niemand anwesend und er hätte wahrscheinlich nicht einmal mein fortbleiben bemerkt, ich muss Euch Dank sagen, Herr...? "
"Havelock... einfach nur Havelock" ;dieser Blick..."Mariella... Mariella Fortesque..."
Die folgenden Tage wurden zu Havelocks glücklichster Erinnerung. Jeden Tag besuchte er die junge Lady, brachte ihr Blumen und Schmuck den er aus den Kellern barg. Die tage waren erfüllt von Glück und das Leben erstrahlte in seinen schönsten Farben.
Doch sollte sich dies auf schmerzlichste Weise ändern. Denn nach einigen Wochen kam Lord Fortesque von seinen Reisen zurück und als dieser erfuhr, dass seine adelige Tochter von einem dreckigen Waisenjungen umworben wurde, zerfetzte er die Hoffnungen des jungen Paares auf schändlichste Weise.
"Du wirst aufhören diese Straßenratte zu treffen, oder ich schwöre bei den Wurzeln unserer Familie, ich werde sein Blut mit meiner Klinge benetzen. Unser Stammbaum wird nicht mit dem Blute eines eleneden Straßenköters verwässert werden, dafürt habe ich bereits Sorge getragen." Die verzweifelten Rufe Mariellas, prallten an der Borniertheit des hochgeborenen Lord Fortesque ab, als dieser sich anschickte das Glück des jungen Paares, unter eisernen Stiefeln zu zertreten.
"Ich habe bereits die Vermählung mit Lord Andre aus Königsberg arrangiert, du wirst noch heute Abend abreisen..." er blickte Mariella nicht einmal in die Augen als der diese Worte sprach und verschloss die Tür zu ihrem Gemach, dem hoffnungslosen Jammern seiner Tochter keine Beachtung schenkend.
Als Havelock, unwissend ob der Geschehnisse, wie jeden Abend am Fenster seiner Geliebten stand um Ihr seine Liebe zu offenbaren, wurde ihm schmerzlich gewahr dass Mariella Heute nicht auf seine rufe hören würde.
Nein, nie wieder würde er Ihre sanften Umarmungen spüren und den lieblichen Duft ihres Parfüms in sich aufnehmen.
Die Schläger des Lords hatten ihm bereits aufgelauert und die herrische Stimme desselben sprach jene Worte an ihn, welche von nun an eine klaffende Wunde in seinem herzen hinterlassen würde.
"Du dreckiger Abschaum, wirst meine Tochter nie wieder belästigen! Sie hat dich nie geliebt, wie könnte Sie auch, Ihre Kutsche ist bereits auf dem Weg nach Königsberg und du, du elender Köter wirst nirgendwo mehr hingehen!"
Mit diesen Worten stürzten sich die Schergen mit Ihren Knüppeln auf den jungen Havelock und hieben auf seine Beine ein, ihm keine Chance zur Gegenwehr lassend. Er versuchte zu fliehen, als ein wuchtiger Schlag sein Knie traf und es laut knackste.
Nachdem die Schläger von ihm abgelassen und ihn blutend und halb tot auf die Straße gezerrt hatten, umnebelten sich die Gedanken des jungen Waisen und er kroch mit letzter Kraft in eine kleine Gasse und rutschte durch ein kleines Loch in einen der Keller hinunter. Von Glück und Hoffnung verlassen, auf den sich langsam nähernden Schnitter wartend, lag er da und verfluchte den Adel, die Liebe seines Lebens zerstört zu haben...
Er würde nie mehr der Gleiche sein...