Sven wachte an diesem frühen Dienstagmorgen mit einem misserablen Gewissen und einer entsprechenden Laune auf. Er achtete auf garnichts. Das sonne Wetter im Freien war ihm egal. Die Ruhe auf den Straßen, welche man den Mördern zu verdanken hat, war ihm egal. Er verspürte keinen Hunger oder sonstige Bedürfnisse. (In welche Scheiße ich mich nur hineingeritten habe...) Der Barbier wollte nurnoch seine Gedanken und Erlebnisse fassen, welche er in den letzen fünf Tagen erlebte. Müde taukelte er in sein dunkles und kaltes Arbeitszimmer und setzte sich auf seinen abgenutzten Holzstuhl. Er fasste sich mit beiden Händen an Kopf und ließ seinen Gedanken einfach freien lauf. All die Tage zogen zäh und ekelhaft an ihm vorbei. Am Mittwoch, dem Tag vor den ersten Toten, stritt sich Sven mit seinem Gesellen. Fabius erinnerte ihn an seine Ankunft in Düsterburg. Wieso nahm er sich die Freiheit Barbier zu werden und nicht seine Fähigkeiten als Schreiner fortzuführen? Er musste an seine Flucht aus Bamberg denken, als er die merkwürdigen Steine bemerkte, welche ihm einen Fluchtweg offenbahrten. Dass es ein Zeichen seines "Herren" war, bemerkte er erst, als er zum ersten Mal den "Nkriza" begegnete. Eine Bruderschaft aus scheinbaren Zauberern, welche von seiner Flucht und seiner Unschuld wussten und die Bewegung der Steine als Offenbahrung ihres "Herren" deuteten. Damals war Sven naiv und akzeptierte die Religion der "allwissenden" Nkriza. Doch sie verrieten Sven noch mehr. Sie sahen ihn als einen von mehreren Auserwählten an, welche aufgrund ihrer Fähigkeiten, Vergangenheiten und familieren Umstände angeblich zu einer Aufgabe auserkoren gewesen waren, welche ein langsam wachsendes Problem in Mitteleuropa beseitigen sollten. Damals war Sven wirklich naiv. Sie überedeten ihn dazu, den unscheinbaren Beruf eines Barbiers zu erlernen, da dieser, einem traditionellen Aberglauben nach, am wenigsten von "den Problemen" nicht als ärgster Feind verdächtigt werden würde. Sie überredeten Sven, dass er sich mit einigen anderen Barbieren zusammenschloss und in einem kritischen Gebiet eine Zunft bildet, welche gemeinsam gegen das Problem vorgehen sollte. Und so schuf der junge, dankbare Sven einen Neuanfang in zwei verschiedenen Städten. Die erste war der Kaisershügel, die zweite Düsterburg. In Kaisershügel erlernte Sven mit seinen Kameraden das Handwerk des Barbiers unter einem eingeweihten Meister. Diese Zeiten waren freundlich und ließen Sven stets lächeln. Doch er vergaß nicht, dass Kaisershügel mit jenem Problem belastet war, weswegen er immer eine gewisse Vorsicht walten ließ. Nach zwei friedvollen Jahren brachte plötzlich die heimliche Freundin von Conlin, einem der Barbiere, ein Kind zur Welt - was nach den Gesetzen der Bruderschaft verboten war. Doch die Barbiere konnten dieses Kind, welches Fabius genannt wurde, vor weiteren Mitgliedern der Bruderschaft verstecken. Nach fünf Jahren, welche er in dieser Stadt verbrachte, zeigten sich erstere Anzeichen des Übels. Die selben wie in Düsterburg: Menschen wurden von "Kreaturen der Nacht" getötet, Stadtbewohner am einem bestimmten Alter bildeten einen Rat und diskutierten, wer sich am verdächtigsten verhielt und gegen den die besten Beweise vorlagen. Diese Personen wurden dann hingerichtet. Doch jede Nacht streiften Sven und seine Zunftmitglieder durch die Straßen und klapperten unentdeckt verschiedene Häuser ab und merkten sich diejenigen, die in dieser Nacht fehlten. An den Tagen darauf nutzte man verschiedenste Möglichkeiten, die Schuld der Fehlenden zu beweisen und sie hinzurichten oder heimlich zu erledigen - mit einer unglaublichen Sorgfalt, Taktik und Geschwindigkeit, über welche Hexenjäger der damaligen Zeit nur staunen konnten. Doch an einer Nacht geriet Leonhard, einer der Gruppe, in Schwierigkeiten: er wurde von einem der Biester tödlich verwundet. Und Arthur, sein Partner, wurde von einer Bürgerpatroullie entdeckt um am Tag darauf vor den Hackblock gezerrt. Doch die Katasprophe wurde überwunden und alle Kreaturen der Nacht vertrieben oder getötet. Die Barbierzunft wurde innerhalb der geheimen Bruderschaft geehrt und gefeiert. Doch nach dem Fest wurde die Gruppe in eine andere Stadt entsandt: Düsterburg. Doch woher wussten die "Oberjäger", dass dieses kleine und unbedeutene Düsterburg verflucht ist? Haben sie eine Offenbahrung des "Herren" erhalten oder Indizien entdeckt? Diese Frage konnte ihm jetzt niemand beantworten. Die Barbiere zogen nach Düsterburg und sollten sich ersteinmal in der Stadt einfinden. Fabius und seine Mutter kamen mit. Neun Jahre lang geschah nichts wirklich besonderes. Conlin erklärte Sven zu Fabius Paten - allerdings nicht ofiziell, da weitere Mitglieder sonst Verdacht schöpfen würden. Vor anderthalb Wochen sollte Conlin ein Erbe eines sizillischen Verwandten antreten. Damit waren die erwachsenen Barbiere noch zu fünft. Doch was ist aus den anderen vier geworden?
Wenn sie getötet wurden, wie lange würde Sven dann noch überleben? Würde man ihn noch heute aus dem Haus zerren und hinrichten? Und wieso hat er, nachdem die Massaker angefangen haben, nicht an seine Zunft gedacht? "Du hast dich selbst vergessen.", anwortete Sven ihm vertraute Stimme. Er erschrak und wandt sich um. Doch keiner war da. Nur die Stille des Arbeitszimmers. Geister? Und was meinte die Stimme mit "Du hast dich selbst vergessen"?
Ihm wurde es zu unheimlich in diesem kühlen Raum. Er vertrat sich in seinem Haus die Beine, bis er an einem Spiegel vorbeiging und sein Ebenbild sah. Seine Haut war leichenblass und sein Gesichtsausdruck wie der eines Toten. "Was ist nur aus mir geworden? Wieso habe ich die Jahre lang meinen Optimismus verloren, obwohl meine Freunde und Kameraden doch noch bei mir geblieben sind?" Er hoffte darauf, dass wieder diese Stimme antwortete. Doch Sven hörte nichts. "All die Zeiten, und ich vergaß, wie sehr ich Fabius gemocht habe? Wie einen eigenen Sohn? Und dann wollte ich ihn umbringen?" In ihm wollte sich eine Wut aufbauen. Eine Wut, welche den Spiegel zerbersten und die Wand dahinter einreißen wollte. Doch seine Friedfertigkeit, welche langsam in ihm erwacht, ließ Sven nur ein tiefes Seufzen herausbringen.