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General
Es verstrichen einige wortlose Minuten, in denen alle Anwesenden die vorangegangene Debatte auf sich wirken ließen und jeder sich seine eigene Meinung bildete. Diese hitzige Diskussion hatte auch Edmond ein wenig aus der Fassung gebracht, und so kam ihm diese Pause sehr gelegen, um sich und seine Gedanken ein wenig zu sammeln und wieder ein wenig Kraft zu schöpfen. Während er sich in der Menge so umsah, bemerkte er Maxim, welcher offensichtlich verwirrt war ob Rebeccas überaus bemerkenswerter Art und Weise, gewisse Geheimnisse zu lüften. Sicherlich war dieser Junge nicht der Einzige, in dem sich Verblüffung breit gemacht hatte, auch wenn die meisten Vertrauenspersonen und anderen Gäste recht gefasst reagiert hatten und kein weiteres Wort über diesen peinlichen Moment mehr verloren.
Der Bürgermeister wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als der Antiquar Havelock sich zu ihm gedreht und sein Wort an ihn gerichtet hatte.
"Natürlich sind mir Maxims Wahlenthaltungen auch bereits aufgefallen, werter Havelock. Ihr solltet Euch jedoch keinen weitere Kopf dadrum machen, da steckt nicht allzu viel hinter, mit ihm ist alles in bester Ordnung. Gewiss haben die vergangenen Geschehnisse einfach nur zu sehr an ihm gezehrt, als dass er sich genau so energisch wie wir an den Abstimmungen hätte beteiligen können. Er ist noch viel zu jung, als dass er schon so viele Gräuel hat miterleben müssen, wie wir nun in den letzten Tagen, sicherlich ist er einfach nur ein wenig überfordert mit der Situation.
Im übrigen muss ich Euch korrigieren, Havelock. Vorhin noch habt ihr unter anderem Leonardo und Maxim als verdächtige Personen aus eurer Sicht benannt, doch wissen wir bereits seit dem Tode Grandys mit absoluter Sicherheit, dass diese Beiden keinesfalls zu den gesuchten Mördern gehören können. Doch fürs Erste wollen wir der Hinrichtung von Sven Frankenfels entgegensehen und vielleicht sieht die Lage für uns morgen schon ganz anders aus."
Man konnte Edmond seine Erleichterung ansehen Angesichts der Tatsache, dass sich sowohl Miller als auch Selene dazu entschlossen haben, seiner Entscheidung Folge zu leisten und ebenfalls diesen wahnsinnigen Massenmörder anzuklagen, wo auch immer er sich wohl gerade aufhielt. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dieses Vorgehen in Frage zu stellen, auch wenn man berechtigterweise hätte fragen können, wie man einen Mörder verurteilen will, der bisher nicht einmal gefasst worden war? Aber der Tag ging zum Glück noch eine Weile, auch wenn es inzwischen allmählich Abend wurde. Nach dem Schneeregen der vergangenen Tage war der Himmel dieses Mal ungewohnt klar und es zeigte sich selbst in weiter Ferne keine einzige Wolke. Ob das ein gutes Zeichen war?
Während im Hintergrund Miller begann, auf dem Flügel eine Passagen vorzutragen, versuchte sich der junge Graf frei zu machen von jeglichen Gedanken und genehmigte sich ein Glas von dem Düsterburger Rotwein. Kurz nach Rafaels Tod war seine Kelterei wieder in Betrieb genommen worden und so mussten die Stadtbewohner nicht fürchten, dass es ihnen in naher Zukunft am Wein mangeln würde. Dabei fiel Edmond ein weiterer wichtiger Punkt ein, den der Tod von Sven Frankenfels mit sich bringen würde: Wenn sich diese Angelegenheit erst einmal erledigt hatte, würde es der Stadtwache auch wieder möglich sein, de Tore in ausreichendem Maße überwachen und somit auch den Warenverkehr wieder fließen lassen können.
Erst nach einer Weile sollte Edmond bemerken, wie Selene ihn scheu von der Seite musterte. Doch als er sich zu ihr drehte, wandte sie ihren Blick reflexartig von ihm ab und versuchte so zu tun, als hätte sie die ganze Zeit über Miller beim Klavierspiel zugeschaut. Am Tage noch hatte sie recht entkräftet von den Strapazen der beinahe vergangenen Woche gewirkt, (kaum zu glauben, es war tatsächlich schon der sechste Tag nach dem Beginn der nächtlichen Morde!), doch als Edmond sie im Schein der Kerzen betrachtete, schien wieder Leben in dieses hübsch gezeichnete Gesicht zurückgekehrt zu sein. Ihr eng geschnürtes Korsett betonte ihr schlanke Statur und mit einem Bedauern musste Edmond feststellen, dass auch an diesem Abend ihre dunkelblonden Haare von einer weißen Haube verdeckt wurden, wenngleich einige Locken daraus hervortraten. Wahrlich, trotz all der Gefahren hatte sie der Mut noch nicht verlassen und während andere einfache Dienstmägde bereits die Flucht ergriffen hätten, war sie noch immer tapfer an der Seite der anderen Vertrauenspersonen geblieben. Vor wenigen Tagen erst hatte sie sich von ihm getrennt, um ihre Zukunft in die Hand zu nehmen, und es schien, als würden sämtliche Frauen in Edmonds Nähe in besonderer Gefahr schweben. Erst Sophia, dann Marina... Vielleicht war diese Angst auch irrational, doch konnte er es riskieren sie ebenfalls zu verlieren, indem er ihre Nähe zuließ? Ein wenig besorgt musterte Edmond das junge Dienstmädchen fast schon ein wenig zu lang, als es angemessen gewesen wäre, bis er sich doch dazu entschloss, ein sanftes Gespräch mit ihr zu beginnen.
"Liebe Selene, erzählt mir, wie ist es Euch abseits dieser schrecklichen Abstimmungen ergangen? Könnt Ihr trotz alledem ruhige Nähte verbringen und genügend neue Kraft schöpfen? Wie steht es um euren Traum nach einer eigenen Confiserie? Die Pralinen, die Ihr mir geschenkt habt, waren wirklich köstlich und man konnte wahrlich die Liebe spüren, mit der sie gemacht worden sind. Ich bin mir sicher, wenn all das hier vorbei ist, dann werdet Ihr damit noch weit im Leben kommen und Euch einen Namen machen können. Vertraut mir, schon in wenigen Tagen werden wir gewiss auch den letzten all dieser Mörder erwischt haben und dann können wir gemeinsam unbesorgt in die Zukunft blicken!" Vorsichtig ergriff Edmond Selenes Hand und spürte die Wärme, die durch ihren Körper strömte. Für einen Moment versuchte er, alles andere Geschehen um sie herum zu vergessen und diesen Augenblick zu genießen...
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