Adryan erwachte nach einer Nacht unruhigen Schlafes.
Der gestrige Tag war ihm deutlich stärker an die Substanz gegangen, als er sich selbst zugestehen wollte.
Mit Rafael war der erste Unschuldige in dieser wahnsinnigen Spirale aus Verdächtigungen, Missgunst und Anklagen hingerichtet worden. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis diesem System jemand zum Opfer fallen würde, der zur falschen Zeit am falschen Ort war - und damit sämtlichen Argwohn auf sich lenkte.
Doch vielmehr dachte er über die letzten Worte Rafaels nach; Rafael wäre nicht derjenige gewesen, der sein - Adryans - Leben gerettet hätte. Das Gewicht dieser Aussage lastete wie ein Joch auf seinen Schultern und drückte seine Stimmung. Dass er sich bei den Dorfbewohnern nicht nur Freunde gemacht hatte, war ihm bewusst - und ganz offensichtlich stand er auch auf der Liste derjenigen Mächte, die seit Tagen einen nach dem anderen umbrachten.
Das ließ zwei Schlüsse übrig:
Er könnte mit seinen Ermittlungen dem wahren Mörder von Thorben gefährlich nahe gekommen sein. Damit wäre es durchaus in dessen Sinne, ihn auszuschalten. Das jedoch würde den Verdacht jedoch ziemlich schnell auf einen bestimmten Kreis der Verdächtigen eingrenzen."Würde es das?", fragte sich Adryan und fuhr sich mit der Hand über das bartstoppelige Gesicht. Er hatte - mit Ausnahme von vielleicht einer oder zwei Personen - mit niemanden über seine Vermutungen gesprochen und nur wenige wussten, wer ihm gegenüber Antipathien hegte. Würde er sterben, würde wohl kaum jemand eine Verbindung zu dem Einen oder Anderen im Dorf herstellen.
Die zweite Möglichkeit war, dass der Mörder aus Geratewohl seine Opfer auswählte. Eine nicht abwegige Möglichkeit, die ihm große Sorge bereitete und die das Finden des Mörders zu einem Glücksspiel werden ließ.
"Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als mein Glück auf die Probe zu stellen...", murmelte Adryan und fasste einen Entschluss - einen Entschluss, von dem er wusste, dass er den nächsten Morgen möglicher weise nicht mehr erleben würde...