Miller grübelte an diesem Abend noch lange über die Taten und Worte des Abends. Es hatte ihn zutiefst bestürzt, dass Rafael Firas verurteilt worden war, und sich dann als Unschuldiger erwies. Immer wieder fragte er sich, ob er das Richtige getan hatte. Er war einer Entscheidung aus dem Weg gegangen, im Glauben, damit weise zu handeln, doch letztendlich hatte er seine Stimme verschenkt. Nur eine einzige Stimme hätte einen Gleichstand erbracht. Er hätte diese Stimme sein können. Der Bürgermeister hatte stark für Herrn Firas argumentiert, so dass seine Entscheidung letztendlich gegen Dragonieri ausgefallen wäre, da war sich Miller sicher.

Doch es blieb dabei, dass beide Hauptangeklagten auf Miller keinen verdächtigen Eindruck gemacht hatten. Miller seufzte und versuchte, nach vorne zu blicken. Wie würde dieser Tag seine Entscheidungen beeinflussen? Selene hatte einige Aussagen getroffen, denen er leider nicht ganz zustimmen konnte. Zum einen betrafen sie Grandy, den angeblichen Seher. War es so unwahrscheinlich, dass er die Wahrheit sprach? Und wenn ja, hieß das automatisch, dass sowohl Dragonieri als auch von Dantes finstre Gestalten sein mussten? Er hatte betont, dass die Nähe der von ihm genannten Personen eine Rolle bei der Wahl spielte, konnte es also nicht sein, dass er lediglich sich selbst und einen der beiden anderen schützen wollte?
Eines stand jedoch fest: Würden die Vertrauenspersonen am nächsten Tag Grandy hängen, so hätten sie im besten Fall Gewissheit in 2 Mitbürger, im schlechteren Fall wäre eine der beiden Personen hochverdächtig. Das wäre ein wahrer Anhaltspunkt!

Auch Selenes Aussage, dass Adryan Clerc unschuldig sein müsse, konnte Miller nicht nachvollziehen. Er konnte genauso gut ein Vampir sein, der vor den Werwölfen gerettet worden war. Eine grausame Ironie des Schicksals wäre dies, doch nicht unmöglich. Wieso war sich Selene so sicher?
Auch beim Bürgermeister war sie zu sehr fixiert darauf, dass er ein logisches Opfer der Bestien sein müsse, wenn er unschuldig wäre. Doch wieso? Er hatte bei der Wahl der Hinrichtung nur im seltensten Fall eine größere Entscheidungskraft als der Rest, und diese Macht würde bei seinem Tod einfach weitergereicht werden. Es ergab für ihn keinen Sinn.

Millers Schädel brummte gehörig, als er an diesem Abend sein Heim betrat. Am nächsten Tag, das nahm er sich vor, würde seine Stimme etwas zählen.