Nachdem er seinen letzten Brief verfasst hatte, verließ Rafael sein Haus. Anscheinend vertrauten ihm die Bürger soweit, dass sie doch keine Wache geschickt hatten. Gut, denn bei dem, was er nun zu tun beabsichtigte, konnte er keine Zeugen gebrauchen. Er schlich sich in einen finsteren Teil der Stadt, den er bereits vor einigen Tagen ausgekundschaftet hatte. In einer dunklen Gasse betrat er ein Etablissement, das den Namen Schenke eigentlich kaum verdient hatte. Er setze sich an den Tisch einer dunkel gekleideten Person.Zitat
"Ich hörte sie könntetn Waren trotz des Verbotes aus der Stadt schaffen?"
"Aber natürlich, Herr Firas. Für den richtigen Preis... Hätte nicht gedacht, dass ein ehrbarer Geschäftsmann mal auf meine Dienste zurückgreifen würde. Ich schätze, bei der Ware handelt es sich um Weinflaschen?"
"Ihr wisst also, wer ich bin. Gut, das erspart mir Erklärungen. Und nein, es geht nicht um Weinflaschen, sondern um eine Botschaft. Sie muss meinem Vater überbracht werden."
Er erklärte dem Mann den Weg und reichte ihm den Umschlag.
"Da werde ich aber eine ganze Weile unterwegs sein. Das wird nicht billig..."
"Geld spielt für mich keine Rolle mehr."
Er schob dem Mann einen Beutel mit Münzen zu.
"Mein Vater wird euch vermutlich noch mehr geben, wenn ihr die Botschaft überbracht habt. Gebt sie ihm persönlich. Wenn euch jemand aufhalten will, so zeigt ihm dies."
Er holte seinen Talisman hervor. In diesem Moment fielen ihm die Geschichten, die er über ihn gehört hatte, wieder ein. Es sah so aus, als könnten einige davon doch wahr sein. Widerwillig reichte er ihn dem Mann, der ihn betrachtete, als wollte er seinen Marktwert abschätzen, und ihn schließlich achtlos in eine Tasche seines Mantels steckte. Rafael verabschiedete sich von dem Mann und verließ die Spelunke. Als er zu seinem Haus zurückkehrte, gewahrte er zwei Wachen, die bereits vor der Tür standen.
"Die Abstimmung ist gefallen?"
Eine der Wachen nickte wortlos. Rafael folgte den beiden widerstandslos. Es gab nichts mehr, das er tun konnte.
Auf dem Marktplatz hatten sich bereits die übrigen Vertrauenspersonen versammelt. Rafel schritt auf den Galgen zu. Einige letzte Worte hatte er der Menge aber noch zu sagen:
"Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen. Zunächst einmal: Alles, was ich gesagt habe, ist wahr, abgesehen von zwei Dingen. Weder war ich derjenige, der heute Morgen Adryan Klercs Leben gerettet hat, noch war ich derjenige, der Marina getötet hat. Ich nehme an, einige von euch haben dies bereits vermutet."
Einige in der Menge nickten, zufrieden mit ihren Schlussfolgerungen.
"Doch ich tat dies nicht, um mein eigenes Leben zu retten. Meine Chancen, lebend aus diesem Spiel der dunklen Mächte hervorzugehen waren von Anfang an fast gleich null. Ich tat es, um eine andere Person zu schützen. Es tut mir leid, dass ich dazu letztendlich nicht in der Lage war. Trotzdem hoffe ich, dass ihr das, was ich euch davon abgesehen mitgeteilt habe, glauben werdet."
Er sah aus, als wollte er noch etwas hinzufügen, schüttelte aber dann leicht lächelnd den Kopf. Nichts von dem, was er noch sagen konnte, würde mehr Aussagekraft haben, als das, was die Menschen gleich mit ihren eigenen Augen sehen würden. Daher fügte er nur noch einen Satz hinzu:
"Wie ich bereits früher an diesem Abend sagte, soll mein Körper der Beweis für meine Worte sein."
Danach lies er sich die Schlinge um den Hals legen. Als sich die Falltür unter ihm öffnete, brach sein Genick mit einem deutlich hörbaren Knacken. Die Wenigen in der Menge, die immer noch gehofft hatten, zum dritten Mal in Folge einen Erfolg zu erzielen, sahen sich enttäuscht. Bei der Untersuchung des Leichnams wurde festgestellt, dass sie den Märtyrer hingerichtet hatten.