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Legende
Schweigend blickte Selene dem gerüsteten ominösen Mann hinterher.
Sie glaubte ihm kein Wort.
An die übrigen Anwesenden, von denen sich auch einige bereits zum gehen wandten richtete Selene noch einmal leise das Wort:
"Ich vermutet in Grandy, Libra, Dankwart, Edmond, Maxim, Dragonieri, Havelock und Elizabeth eine Partei. Und nicht alle von ihnen müssen böse Absichten haben. Edmond und Maxim konnten durchaus neutrale Personen sein. Und unter den anderen 6 konnte sich ein Mitläufer verbergen, der nicht wusste was er tat...
Dafür sprechen vor allem zwei Dinge:
Rafaels letzte Worte und seine Erinnerung an den Fakt das Grandy zwei (eigtl drei) Geistesblitze haben wollte. Zuerst sah er Böses im Umfeld von Adryan, verbesserte sich und sagte das es bei Rafael gewesen sei, dann sah er sich selbst, Dragonieri und Dantés als unschuldige. Das konnte doch nicht sein!
Dann noch der Stimmenumschwung von Havelock auf Chester – innerhalb weniger Augenblicke fanden sich Grandy, Libra, Dankwart, Elizabeth, Dragonieri und Havelock selbst zusammen und wendeten so das Todesurteil vom Antiquar ab . Kann das noch Zufall sein?
Adryan Clerk der Ermittler ist in der Tat unschuldig, das beweist Rafaels Aussage das er heute Nacht angegriffen worden war und er sich für ihn hätte opfern können. Und das hieß auch das die Mörder immer noch nicht den Bürgermeister im Visier gehabt hatten. Wieso sollten sie ihn immer noch leben lassen, jetzt wo sich die Reihen lichteten? Oder ist er für sie einfach nur keine Gefahr?
Dann noch die vielen Einzelstimmen die doch niemanden getroffen hatten, Talis, Edmond, Dragonieri, der tote Rafael – sie hatten jemand anderen beschuldigt als die anderen. Wussten sie sicher das es keine Vampire mehr gab? Immerhin hatte es seit zwei Tagen keinen mehr getroffen, der an einem Vampirbiss gestorben war.
Was mir aber am meisten Sorgen macht ist das jeder der sich derzeit offenbart ein Lügner zu sein scheint. Wir sind immernoch 19 Vertrauenspersonen. Aber unter uns laufen alle Mörder noch frei und ungestraft herum. Passt auf euch auf, heute Nacht, jeder von euch."
In dieser Nacht schlief Selene wieder nicht. Zu groß war ihre Angst das ein bekanntes, freundlich lächelndes Gesicht ihr pechschwarze Klauen ins Herz stoßen würde.
Sie blickte aus dem Anwesen des Bürgermeisters mit einer Tasse Tee in der Hand zum Mond auf.
So leid es ihr tat, sogar der freundliche Organist Miller flößte ihr Furcht ein... und auch der Mond schien mit einem fiesen Grinsen auf sie herab zu blicken.
Leise um niemandem im Anwesen aufzuwecken begann Selene zu singen. Ein Lied, dessen Ursprung angeblich hier an diesem Ort gewesen war, damals als die Wölfe ein Dorf namens Düsterwald bedrohten und ein ganzes Söldnerheer dem Erdboden gleichmachten. Keine Überlebenden, aber dieses Lied hatte in vielen Versionen die Zeit überdauert.
„Der Mond geht auf, der Abendwind weht.
Weißt du woher er kommt, wohin er geht?
Dunkel verborgen dein Weg vor dir liegt,
Keiner ist da der die Ängste besiegt.
Blinde so gehst du und bist ganz allein.
Keiner kann dir ein Gefährte hier sein.
Doch streift dich hier ein helles Licht
es ist Freiheit die dein Herz dir verspricht.
Wenn einige Stimmen sich mit dir vereinen,
wie kannst du da noch länger weinen?
Sie singen von Liebe, von Wahrheit und Mut
du weißt doch, am Ende, wird noch alles gut.“
Ihr Atem bildete einen Hauch an der Fensterscheibe, der zu Eisblumen gefror, als sie sich seufzend vom grinsenden Mond abwandte. Als sie ins Kaminfeuer blickte, reifte in ihrer Brust eine Entscheidung. Wenn sie morgen noch lebte, würde sie das Anwesen verlassen und sich dem Ermittler Adryan Clerk anschließen.
Ihm vertraute sie nun bedingungslos. Und er war der einzige, bei dem sie sich sicher war das sie dies auch tun konnte.
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Moderator
Miller grübelte an diesem Abend noch lange über die Taten und Worte des Abends. Es hatte ihn zutiefst bestürzt, dass Rafael Firas verurteilt worden war, und sich dann als Unschuldiger erwies. Immer wieder fragte er sich, ob er das Richtige getan hatte. Er war einer Entscheidung aus dem Weg gegangen, im Glauben, damit weise zu handeln, doch letztendlich hatte er seine Stimme verschenkt. Nur eine einzige Stimme hätte einen Gleichstand erbracht. Er hätte diese Stimme sein können. Der Bürgermeister hatte stark für Herrn Firas argumentiert, so dass seine Entscheidung letztendlich gegen Dragonieri ausgefallen wäre, da war sich Miller sicher.
Doch es blieb dabei, dass beide Hauptangeklagten auf Miller keinen verdächtigen Eindruck gemacht hatten. Miller seufzte und versuchte, nach vorne zu blicken. Wie würde dieser Tag seine Entscheidungen beeinflussen? Selene hatte einige Aussagen getroffen, denen er leider nicht ganz zustimmen konnte. Zum einen betrafen sie Grandy, den angeblichen Seher. War es so unwahrscheinlich, dass er die Wahrheit sprach? Und wenn ja, hieß das automatisch, dass sowohl Dragonieri als auch von Dantes finstre Gestalten sein mussten? Er hatte betont, dass die Nähe der von ihm genannten Personen eine Rolle bei der Wahl spielte, konnte es also nicht sein, dass er lediglich sich selbst und einen der beiden anderen schützen wollte?
Eines stand jedoch fest: Würden die Vertrauenspersonen am nächsten Tag Grandy hängen, so hätten sie im besten Fall Gewissheit in 2 Mitbürger, im schlechteren Fall wäre eine der beiden Personen hochverdächtig. Das wäre ein wahrer Anhaltspunkt!
Auch Selenes Aussage, dass Adryan Clerc unschuldig sein müsse, konnte Miller nicht nachvollziehen. Er konnte genauso gut ein Vampir sein, der vor den Werwölfen gerettet worden war. Eine grausame Ironie des Schicksals wäre dies, doch nicht unmöglich. Wieso war sich Selene so sicher?
Auch beim Bürgermeister war sie zu sehr fixiert darauf, dass er ein logisches Opfer der Bestien sein müsse, wenn er unschuldig wäre. Doch wieso? Er hatte bei der Wahl der Hinrichtung nur im seltensten Fall eine größere Entscheidungskraft als der Rest, und diese Macht würde bei seinem Tod einfach weitergereicht werden. Es ergab für ihn keinen Sinn.
Millers Schädel brummte gehörig, als er an diesem Abend sein Heim betrat. Am nächsten Tag, das nahm er sich vor, würde seine Stimme etwas zählen.
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