-
Legende
Argwohn verwandelte sich in Mitgefühl und als der Graf ihr mit einem weichen duftenden Seidentuch die Tränen fortwischte und ihr tröstend mit der anderen warmen Hand über die Wange strich, begannen sie beide zu lächeln. Selene blickte dem bildschönen Mann zum ersten Mal richtig in die Augen und bemerkte eine kleine Narbe über seinem linken Auge.
Eine wohlige Wärme der Zufriedenheit umfing sie, als ihr die schwere Last vom Herzen fiel, und ehrerbietend küsste sie den Ring, den Graf Dantés an seiner linken Hand trug. Ihre Tränen versiegten und ihre Stimme war wieder klar und hell als sie sprach. „Habt Dank, Graf Dantés, ich danke euch tausendmal.“
Dann verschränkte sie die Hände über ihrem Schoß und ging zwei Schritte zurück. Sie war verwirrt – er sah nicht nur gut aus, er duftete auch aussergewöhnlich gut - und sie merkte das sich ihre Wangen röteten, weshalb sie sich lieber taktisch neben dem Kamin platzierte.
Elly verabschiedete sich nun und Selene wusste nur zu gut wie Arbeit den rastlosen Geist zur Ruhe bringen konnte. Sie verabschiedeten sich von ihr, Maxim bot ihr auch noch an sie zu begleiten, aber mit einem Wink auf ihren Besen gab sie zu verstehen das sie sich gut selbst verteidigen konnte.
Selene wollte soeben zu einer längeren Antwort ansetzen, als Ava in den Empfangsraum trat. Sie sah besorgt aus und ihre Hände klammerten sich um eine Holzschüssel. „Was ist mit der Sängerin Marina? Was geht hier vor sich? Und hat jemand Willhelm gesehen? Er ist mich in letzter Zeit gar nicht besuchen gekommen..."
Maxim führte Ava zu einem der Stühle am Kamin und blickte fragend in Edmonds Gesicht, der nur vorsichtig den Kopf schüttelte. Da sich Selene nicht sicher war wie gut Maxim diesen Hinweis verstehen würde, entschied sie sich das Wort zu ergreifen - „Ava, setzt euch erstmal und wenn ihr wollt nehmt euch einen Keks. Wilhelm war ja gestern bei der Versammlung in der Taverne nicht da, nicht wahr? Aber sicherlich haben sich einige seiner Arbeitskollegen bereits nach ihm erkundigt, ihr könnt sie doch später fragen ob er gestern an seinem Arbeitsplatz war?
Und zur Frage was hier vor sich geht – nun ich habe mich beim Bürgermeister und Maxim für mein ungebührliches Verhalten gestern entschuldigen wollen. Deswegen bin ich schon zu dieser frühen Zeit hier aufgetaucht. Es tut mir Leid falls wir euch aufgeweckt haben sollten.“
Sie machte einen Knicks vor der Obsthändlerin, eher aus Gewohnheit als wirklich Ehrerbietung auszudrücken, auch wenn sie sie gern hatte waren sie doch vom selben Stand. „Wenn ihr gegessen habt würde ich mich freuen wenn ihr uns bei der Beerdigung derer von Busch eure Aufwartung machen würdet. Graf Dantés, Maxim, ich muss jetzt aufbrechen so wie ich Rebecca momentan einschätze verpasst sie sonst die Feierlichkeiten und ein Leichenschmaus soll auch noch arrangiert werden. Aber wir sprechen uns auf jeden Fall noch vor heute Abend.“, die letzten Worte setzte sie gewichtig hinzu und blickte Graf Dantés erneut ernst in die Augen, dann lächelte sie Maxim und Ava zu, knickste und verließ das Gasthaus.
Sie sammelte Rebecca im Anwesen der von Buschs auf, die sich bis eben um die Familienangehörigen der zwei Verstorbenen gekümmert hatte und die auf wundersame Art und Weise das Haus das am letzten Abend noch einem Trümmerfeld geglichen hatte, wenigstens im Erdgeschoss wieder passabel hergerichtet hatte.
Da heute ihr letzter „offizieller“ Tag im Dienste derer von Buschs war hatten sie aber beide wieder ihre Uniform zu tragen, wobei sie auf ihre sonntäglichen schwarzen schlichten Messkleider und abgelegte schwarze Kutschermäntel die den Dienstboten gehörten, sowie schwarze Stiefel und schwarze Hauben auswichen. Selene bemerkte erstaunt das Rebecca eine merkwürdig dominante Ausstrahlung bekam, so ganz in schwarz.
Aber sie eilten schnell wieder zu den Gästen um für das leibliche Wohl zu sorgen. Die Gespräche handelten vor allem von den vermeintlich unnötigen Kontrollen an den Toren, da sich der Adel nicht davon überzeugen ließ das nicht jeder Person im Umkreis von 1000 Meilen ihr Namen und ihr Gesicht genügen müsste um davon überzeugt zu sein einen Ehrenmann vor sich zu haben. Der Pfarrer führte dann die Trauergemeinde aus dem Anwesen hinaus und führte sie in die Kirche.
Die Kirchglocken dröhnten unheilvoll und auffordernd zum Trauergottesdienst, die Raben und Krähen hatten sich auf dem benachbarten Todesacker auf einer alten Eiche um die geöffnete Familiengruft versammelt und krächzten kakophone Misstöne mit dem heulenden Wind, sodass sich ein schauerliches Lied ergab. Und nicht nur der Adel strömte herbei – auch viele brave Bürger und weniger brave Schaulustige aus den anderen Stadtteilen und Vororten Düsterburgs strömten herbei um an der Messe teilzunehmen.
Es war nicht einschätzbar wer von den Vertrauenspersonen mit dabei war – aber da Selene und Rebecca nachher am Grab dazu eingeteilt waren Asche, Weihwasser und Blumen bereitzustellen würde sie ja sicherlich sehen wer anwesend war und wer nicht. Wobei sie es niemandem verübeln würde, wenn er in seinem Haus blieb und die Einsamkeit vorzog. So wie Wilhelm es anscheinend getan hatte.
Die Messe begann und die meisten standen draussen vor der großen Kirche und wer noch einen Weg hinein gefunden hatte musste, so er nicht von blauem Blut war, ebenfalls stehen bleiben. Selene machte sich nicht die Mühe in die Kirche zu drängen, sondern blieb vor den Portalen bei einigen anderen ehemaligen Dienstmägden und dem Bäcker stehen. Sie spekulierten soeben über mögliche Täter und die Tatsache das „der von Busch ja anscheinend keine wirklich weiße Weste gehabt hat.“
Selene strafte den Bäcker nur mit einem bösen Blick und sagte zu den Mädchen „Das ihr euch nicht schämt, noch nach dem Tode so über euren ehemaligen Herrn zu sprechen.“, was ihr aber ebenfalls böse Blicke verschaffte. Selene verstand es nicht, sogar für diese … Kreatur, die ihr beinahe die Kehle aufgeschlitzt hatte, hatte sie am Abend noch gebetet, damit sie Ruhe finden möge im Tode. Was war falsch daran, die Toten tot zu sein lassen und weiterzuleben?
Auch am Grab mischte sich in die meditativen Gebete und Gesänge immer wieder Getuschel. Aber Selene wartete geduldig und betrachtete nachdenklich wie der Berg von Rosen auf dem Sarg von Sophia von Busch immer größer wurde der von Caspar aber merklich ausgedünnt blieb nachdem seine Eltern und Geschwister ihre Rosen dort platziert hatten.
Nichtsdestotrotz war der prächtige Blumenschmuck und die wunderschönen Särge vor Ort und die Statuen um das Familiengrabmahl derer von Busch sowie ganze Meere von Lichtern und Kerzenständern auf dem alten Friedhof so prunkvoll das noch oft davon gesprochen wurde, das diese Beerdigung die schönste aller Zeiten gewesen war.
Geändert von Viviane (20.11.2011 um 22:52 Uhr)
Stichworte
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
-
Foren-Regeln