Ein trüber Vorhang aus Regen verschleierte den Blick aus der Herberge, nur ab und zu erleuchtete ein Blitz die Staßen von Düsterburg. Die Menschen rannten mit schweren Mänteln und hohen Stiefeln durch die Gassen, bemüht, ihre Pflichten möglichst schnell zu erledigen, um dann wieder an ein trockenes Plätzchen zurückkehren zu können.
Ava beobachtete das rege Treiben in den Staßen, unwillig, selbst einen Fuß vor die Tür zu setzen. Sie war für solches Wetter einfach nicht geschaffen. Sie liebte die Sonne im Gesicht und den Wind in ihrem Haar, während sie fröhlich pfeifend auf ihrer Plantage Früchte von den Bäumen pflückte, immer auf der Suche nach noch reiferem, noch saftigerem Obst. Doch selbst an regnerischen Tagen wie diesen hatte sie sich bis jetzt noch immer hinausgewagt, keine Arbeit gescheut und sich danach mit einer dampfenden Tasse billigem Tees vor das offene Feuer gesetzt, zufrieden mit sich und der Welt.
Aber heute konnte sie sich einfach nicht dazu überreden, die Pforte der Herberge zu überschreiten. Es war ein hübsches kleines Gasthaus, obwohl man es aufgrund seiner Größe eigentlich nicht wirklich als 'Gasthaus' bezeichnen konnte. Jedoch hielt der Junge Maxim es recht erfolgreich und mit Feuereifer am Leben. So war sie gern seinem Angebot gefolgt, während der Schließung der Stadttore bei ihm unterzukommen, natürlich gegen ein kleines Entgelt.
Seufzend rappelte sich Ava doch noch auf. Sie war es den Düsterburgern als ernannte Vertrauensperson schließlich schuldig, den Mörder der Sophia von Busch und des Abenteurers Thorben zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Von Sophias Tod hatte sie erst kürzlich von patroillierenden Wachen erfahren und Ava hatte es nicht gerade gut aufgenommen. Wann würde dieser Alptraum endlich sein Ende finden...?
Sie schnappte sich ihren langen, blauen Mantel, zog die Kapuze hoch und trat in den Regen hinaus. Bis zur Taverne würde sie völlig durchnässt sein. Sie wusste auch nicht, warum es sie gerade dort hinzog, doch es schien ihr ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Dort war immer etwas los und Ava würde sicher jemanden finden, mit dem sie sich aussprechen konnte.
Es stellte sich dann auch als eine gute Entscheidung heraus. An der Türe des 'Polierten Panzers' war ein Zettel angeschlagen, der besagte:
Vertrauenspersonen Düsterburgs!
Heute große Versammlung im Schankraum.
Beratung der Ereignisse.
Besprechung der Anklagen.
Große Abstimmung.
Ava zog die karzende Türe auf und es schlug ihr ein Schwall warmer Luft entgegen. Erleichtert zog sie ihren nassen Mantel aus und schüttelte ein wenig Wasser aus ihren Haaren. Dann grüßte sie die bereits Anwesenden und begab sie sich mit leichtem Schritt zu einem der Tische.