Nach einem deftigen Abendessen, das einige ungläubige Blicke seitens anderer Gäste zur Folge hatte, zog Marina sich vorserst auf ihr Zimmer zurück. Viel Zeit blieb ihr nicht bis zum Auftritt, doch diese wollte sie sinnvoll nutzen. Bei einem Becher mit Honig gesüßtem Kraütertee für ihre Stimme notierte sie sich kurz ihre Ideen zu dem Lied, welches sie Grandy versprochen hatte. Dann überprüfte sie kurz die Saiten ihrer Laute und ging schließlich dazu über, ihre mitgebrachten Kleider durchzusehen sich umzuziehen. Kopfschüttelnd legte sie das schwarze Kleid beiseite, welches sie normalerweise bei Trauerfeiern oder sehr feierlichen Anlässen trug. Solch düstere, strenge Kluft würde wohl kaum zu einer verbesserten Stimmung beitragen. Stattdessen entschied sie sich für ein dunkelgrünes Kleid mit langen Ärmeln, welches figurbetont geschnitten war, ohne allzu aufreizend auszusehen. Das Haar kämmte sie, bis es wie ein nächtlicher See glänzte, und ließ es in dunklen Wellen über ihre Schultern fallen. Dann nahm Marina ihre Laute und begab sich in den Aufenthaltsraum, wo sich mittlerweile eine nicht unbeträchtige Anzahl an Menschen versammelt hatte. Sie setzte ein strahlendes Lächeln auf und begab sich an einen zentral gelegenen Platz, den man ihr heute Morgen gewiesen hatte und betrachtete ihr Publikum, dass bereits zu raunen begann. Der erste Moment vor einem Auftritt war immer ein besonderer, Marina genoss stets die Aufregung, die in sie fuhr, wenn das gesamte Publikum die Augen auf sie richtete. Umso erfreuter war sie, zu sehen, dass auch Edmond Zeit gefunden hatte, zu erscheinen. Einmal nahm die junge Sängerin noch tief Luft, dann griff sie sanft in die Saiten und begann mit klarer, reiner Stimme ein fremdsprachige Lied zu singen, welches sie von einem anderen weitgereisten Sänger gelernt hatte:
"Alas, my love, you do me wrong,
To cast me off discourteously.
For I have loved you well and long,
Delighting in your company.
Greensleeves was all my joy
Greensleeves was my delight,
Greensleeves was my heart of gold,
And who but my lady greensleeves..."
Sie sang mit einem furchtbaren Akzent, doch das Publikum lauschte gebannt ihrer Stimme und dem ersten Lied folgte ein zweites und ein drittes, dann ein viertes, über einen bis dahin völlig unbekannten Helden. Melancholische und heitere Stücke wechselten sich ab und für einige Momente vergaß Marina all ihre Sorgen.
Die meisten Zuschauer waren gegangen, Marinas Hände wund und die Stimme heiser als sie ihre Laute beseite legte. Sie war so erschöpft, dass sie den freundlichen Worten Edmonds, der noch hier war, nur mit halbem Ohr zuhören konnte. Doch als er berichtete, als was für ein Monster sich Train entpuppt hatte, schenkte sie ihm ein Lächeln, dass zwar müde, doch gleichzeitig auch erleichtert und glücklich war.





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