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@Ranmaru: Das tut Heisig ja auch – er bricht die Kanji auch in Teilelemente auseinander, auch wenn diese Elemente, genannt "Primitive" nicht unbedingt Radikale sind, sondern häufig auch Zusammensetzungen von Radikalen. Es ist nämlich leichter, eine Kanji aus einem größeren Element und zwei kleineren zusammenzusetzen als aus fünf oder sechs Radikalen, finde ich.
Das Prinzip Heisigs funktioniert folgendermaßen: Jedes Kanji, das aus verschiedenen Teilen besteht (also im Grunde genommen alle) wird durch eine kleine Geschichte beschrieben, in denen die einzelnen Bestandteile eine Rolle spielen, die zu der Bedeutung führt. Nun ist es nicht immer leicht, sich eine simple Geschichte auszudenken, daher sind die Geschichten manchmal auch etwas "ungewöhnlich" – aber solange sie nicht zu abwegig sind, hilft auch das beim lernen. Wenn man alle Radikale kennt, kann man die Kanji vermutlich ziemlich gut schreiben – aber auf ihre Bedeutung schließen kann man nicht unbedingt so leicht. Und genau das steht bei Heisig im Vordergrund: Merken der Bedeutung eines Kanji durch Assoziation bzw. Nutzung des imaginativen Gedächtnisses (was beim Menschen übrigens ausgeprägter ist als das bildliche Gedächtnis, da wir bei allem was wir tun assoziieren).
Das Buch ist in verschiedene "Lessons" eingeteilt, insgesamt 56, in denen 2200 Kanji behandelt werden. Eine "Lesson" beginnt in der Regel damit, dass ein neues primitives Zeichen eingeführt wird. Anschließend werden alle Kanji gebildet, die durch die bisherigen primitiven Zeichen gebildet werden können. Wenn es alle gebildet sind, wird ein weiteres primitives Zeichen hinzugenommen und so weiter.
Ein Beispiel dafür: 冒 (risk) – bestehend aus 日 (sun) und 目 (eye):
"Remember when you were young and your mother told you never to look directly into the sun for fear you might burn your eyes? Probably you were foolish enough to risk a quick glance once or twice. [...]"
oder 京 (capital), bestehend aus 高 (tall) und 小 (little):
"When you think of a capital city today we think of tall skyscrapers dwarfing the endless swarms of little folk scurrying here and there about their business."
Kritisiert wird an Heisigs Methode oft, dass man keine Lesungen lernt und dass jeweils nur eine Bedeutung pro Kanji vermittelt wird, die manchmal nicht die wichtigste Bedeutung ist. Die Lesungen lerne ich aber ohnehin lieber im Kontext, finde ich sehr viel effektiver. Außerdem gibt es speziell dafür auch noch "Remembering the Kanji 2", auf das ich aber, denke ich, verzichten werde.
Natürlich ist es trotzdem hilfreich, die Radikale zu kennen und sich anhand dessen im Wörterbuch orientieren zu können.
@Saoru: Ich finde 10 Kanji am Tag noch sehr human. Bevor ich das Buch hatte, hab ich auch immer nur maximal fünf täglich gelernt (i.d.R. weniger), aber mit einem bestimmten System dahinter geht es sehr viel effektiver. Da ich Anki verwende, um die Kanji zu wiederholen, gelangen sie auf kurz oder lang (hoffentlich) auch ins Langzeitgedächtnis. Bisher habe ich die Erfahrung gemacht, dass es zwar einige Kanji gibt, die ich mir öfter anschauen muss (teilweise auch drei oder viermal vergessen habe), aber die Mehrheit doch sehr gut hängen bleibt, besonders wenn sich die einzelnen Geschichten gut eingeprägt haben (was essentiell ist).
Heisig selbst hat diese Methode für sich entdeckt, als er in Japan studierte und sich entschloss, nicht an einem Kurs teilzunehmen, sondern sich vorher alle Kanji autodidaktisch beizubringen – nach einem damals und besonders in Japan sehr unkonventionellen System. In etwas mehr als einem Monat hatte er die meisten Kanji dann auch drauf, weshalb ihn manche Leute beschuldigten, ein fotografisches Gedächtnis zu haben und andere wiederum sein Geheimnis wissen wollten (was auch der Grund war, warum die Urversion von "Remembering the Kanji 1" geschrieben wurde). Natürlich gedenke ich nicht, alle Kanji in einem Monat zu lernen – auch Heisig hat das nur geschafft, weil er sich den ganzen Tag damit beschäftigt hat. Es gibt aber tatsächlich Leute, die das durchgezogen haben. Darauf gestoßen bin ich nur, weil ich aus Spaß mal danach gegoogelt habe, wie viele Kanji die Leute so am Tag lernen. Dann bin ich sofort aufs Heisig-Forum gestoßen (genauer: auf das hier) und habe mich ziemlich vor den Kopf gestoßen gefühlt, weil jemand sagte, er würde 40 Kanji am Tag lernen und sich dabei noch nicht ausgereizt fühlen. Dann habe ich mich ein wenig weiter umgesehen und einige Rezensionen gelesen. Da ich ohnehin ein Buch zum systematischen Lernen haben wollte, habe ich es mir dann einfach mal bestellt, ob's nun wirklich so effektiv ist oder nicht.
Selbstverständlich ist es nicht so, dass es einfach ist, auf diese Weise schnell alle Kanji zu lernen. Es erfordert immer noch eine Menge Zeit, Konzentration und Vorstellungsvermögen (im ersten Teil sind die Geschichten vorgegeben, während im zweiten Teil nur noch grobe Plots stehen und man sich im dritten Teil die meisten Geschichten sogar selbst ausdenken muss). Und von "Lesson" zu "Lesson" gestaltet sich alles auch unterschiedlich schwer. Manche Primitive haben einen relativ direkten Bezug zu den Kanji, in denen sie vorkommen, während man bei andeen über einige Ecken denken muss. Gestern beispielsweise habe ich in zwei bis drei Stunden 28 Kanji gelernt, die hauptsächlich 言 als primitives Element verwendeten. Im Endeffekt hat sich das meiste auch recht gut eingeprägt, denke ich, während ich heute mit den Kanji, die das Element ⼷ enthalten schon etwas größere Schwierigkeiten habe.
Ich denke aber, dass zehn Kanji am Tag für mich gut machbar sind. Wenn später der Wiederholungsaufwand zu groß wird, werde ich das dann merken und mein Tempo dementsprechend anpassen. Bisher klappt es aber ganz gut mit etwa 15-30 Wiederholungen und zehn neuen Kanji am Tag.
Es muss aber gesagt werden, dass "Remembering the Kanji 1" sich absolut nicht dazu eignet, als Beiwerk für den Unterricht, einen Sprachkurs oder was auch immer verwendet zu werden. Zwar enthält es alle wichtigen Kanji, aber in einer systematisch geordneten Reihenfolge, die sich nicht daran orientiert, wann und wie die Kanji gebraucht werden, sondern woraus sie sich zusammensetzen. Auch werden Kanji komplett unabhängig vom Rest der japanischen Sprache betrachtet: Man lernt also keinerlei Vokabeln dazu.
Vorher hatte ich keinen wirklichen Lernansatz, sondern habe einfach das gelernt, was in Tae Kims Kurs so vorkam. Das hat dazu geführt, dass ich am Ende das Gefühl hatte, nur sehr schleppend voranzukommen, Wichtiges zu vergessen und ineffektiv zu arbeiten. Im Moment befinde ich mich noch nicht in einem Stadium, in dem ich es mir zutraue, japanische Texte zu lesen und die wenigen Dinge, die ich geschrieben habe, sind auch nur sehr grundlegend gehalten. Ich denke, es ist eine gute Grundlage, die Arbeit, die durch die Kanji ansteht, schon vorweg zu erledigen, damit ich beim Vokabeln lernen viel weniger Zeit darauf verwenden muss. Wiederholen werde ich die Kanji natürlich trotzdem weiterhin für eine lange Zeit und irgendwann werde ich auch (hoffentlich) so weit sein, mich ausreichend selbstständig mit der japanischen Sprache beschäftigen zu können, dass sich die Kanji und Vokabeln wirklich durch den praktischen Gebrauch einprägen, was zur Zeit nur bedingt möglich ist.
PS:
Dies ist ein von Anki generiertes Diagramm, dass die Zeit anzeigt, die ich täglich mit Wiederholen verbracht habe. Im Großen und Ganzen kann man zwar leichte Unebenheiten feststellen (die aber auch dadurch bedingt sind, dass Anki bei mir manchmal auch nur nebenbei läuft), aber kein signifikanter Anstieg auf Dauer zu erkennen ist. Vielleicht verwende ich mittlerweile ein wenig mehr Zeit zum Wiederholen (die letzten Tage sind dadurch zu erklären, dass ich die Tage zu vor nur sehr wenig gelernt/wiederholt habe), aber es hält sich auf jeden Fall in erträglichen Grenzen.
Geändert von Narcissu (09.11.2011 um 22:26 Uhr)
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