Der Tag neigte sich seinem Ende entgegen. Sie haten Annas Körper begraben und sich dann zum Dorfplatz aufgemacht, um zu entscheiden, wer heute sterben musste. Angelika war zuvor mit der Schaufel herbeigerannt und hatte Katharina einen Gegenstand gegeben, den diese noch immer verwundert betrachtete.
Alle hatte sich nun versammtelt, außer Robin, den am ganzen Tag noch niemand zu Gesicht bekommen hatte. Das einzige Zeichen, das darauf hindeutete, dass er nicht getötet worden war, war die neue Tür von Angelikas Haus. Das Mädchen hatte sich bedanken wollen, aber die Anderen hatten ihr das augeredet. In diesen Tagen bekam ein jeder von ihnen zu wenig Schlaf.
So standen sie nun auf dem Dorfplatz und niemand von ihnen schien den Anfang machen zu wollen. Betreten traten die Anwesenden von einem Bein auf das andere und wichen verlegen den Blicken der Anderen aus. Niemand wollte für den Tod eines weiteren verantwortlich sein. Doch es war nun einmal notwendig, die Ermordung Annas hatte das ihnen nur zu gut wieder ins Gedächtnis gerufen. Als ihre Augen die von Katharina trafen und diese verängstigt und doch gefasst den Blick erwiederte, wusste Magdalena, dass sie die Bürde der ersten Anklage niemandem übertragen durfte. Es war an ihr, eine Entscheidung zu treffen. Sie konnte mit der Schuld mit Gottes Hilfe leben. Sie musste. Als hätten sie noch eine Wahl...
Deshalb trat sie einen Schritt vor, räusperte sich und sprach so ruhig, wie sie in der Lage war: " Danke, dass ihr alle erschienen seid. Vielleicht wird auch Robin bald noch zu uns stoßen." Sie holte tief Luft. "Heute möchte ich verlauten lassen, dass Diether und Christian ohne Zweifel die Verdächtigsten sind. Christian ist zwar nur ein kleiner Junge, doch ich bin trotzdem der Meinung, dass er sich in den vergangenen Tagen sehr auffällig verhalten hat. Alle seine Handlungen haben etwas... Inszeniertes. Als wüsste er genau, durch welche Worte und Taten er uns die Tränen entlocken kann! Er war auch gut befreundet mit mehreren der Mordopfern.
Dennoch ist es nicht Christian, den ich heute an den Pranger stelle, sondern Diether (Ranarion). Dieser hat sich weit weniger auffällig verhalten, doch genau das mag es sein, das ihn viel mehr als alle anderen verdächtig macht. Außerdem ist er ein Adliger ohne Vermögen, der seine hohen Schulden durch Geld von den Lumianern beglichen haben könnte. Ist es euch nie seltsam erschienen, dass obwohl Diether sehr großzügig mit seinem Geld umgeht, er keinen einzigen Gäubiger hat?"
Magdalena wandte sich ab und trat wieder einen Schritt zurück. "Ich habe zu Gott gebetet und bin zu diesem Entschluss gekommen. Möge der Herr uns leiten."