Mit einem lauten Schrei schreckte Dorothea schweißgebadet aus ihrem Schlaf und es dauerte erst einmal einige Momente, bis sie verstand, dass alles nur ein Albtraum gewesen war. Ihr Herz pochte wie verrückt, dennoch konnte sie sich beim besten Willen nicht daran erinnern, was sie geträumt hatte. Zitternd stieg sie aus ihrem Bett und kleidete sich an. Dabei ließ sie sich noch einmal den vergangenen Tag durch den Kopf gehen. Er war eigentlich sehr ereignislos verlaufen, das einzig seltsame war dieses seltsame Gefühl gewesen, dass sie den ganzen Tag über verspürt hatte. Sie runzelte kurz die Stirn und erinnerte sich an etwas anderes seltsames.

Eigentlich hatte Dorothea am gestrigen Abend nicht mehr damit gerechnet, einen Kunden zu empfangen. Normalerweise wäre ihr Geschäft um diese Uhrzeit schon längst geschlossen gewesen, aber ein äußerst interessantes Buch hatte ihre Aufmerksamkeit gefesselt. Dementsprechend gereizt hatte sie reagiert, als dieser seltsame Junge ihren Laden betrat. Dorothea hatte ihn etwas unfreundlicher als beabsichtigt behandelt und das hatte Aki anscheinend gehörig eingeschüchtert. Nachdem sie ihn mit etwas milderer Stimme angesprochen hatte, war er im Stande gewesen, etwas von einem Unfall mit einer Fackel und Christian, der bewusstlos war, zu erzählen. Etwas besorgt hatte Dorothea nach Christians Befinden gefragt, doch anscheinend hatten sich bereits andere um ihn gekümmert. Also nahm Dorothea den beschädigten Poncho an sich und versprach, ihn spätestens bis zum übernächsten Tag zu reparieren. Zum Schluss reichte sie Aki noch ein Hemd und eine Hose, beide etwas älter aber von halbwegs guter Qualität, für Christian, mit der mündlichen Botschaft an diesen, dass sie dafür kein Geld, sondern lediglich zwei Äpfel verlangen würde. Danach hatte sie eilig ihren Laden geschlossen, um noch vor Einbruch der Nacht ihr Heim zu erreichen.

Als Dorothea an diesem Morgen den Dorfplatz erreichte, fiel ihr sofort die blutige Klinge mit der beunruhigenden Nachricht auf. Ihr Magen zog sich bei dem Anblick von Blut zusammen und auch das Wort "Lumianer" ließ eine Alarmglocke in ihrem Hinterkopf läuten, obwohl sie sich nicht entsinnen konnte, wo sie es schon einmal gehört hatte. Sicher war es in einem ihrer Bücher gewesen, aber es könnte Tage dauern, bis sie herausfand, in welchem. Sie seufzte tief. Vielleicht war das alles nur ein geschmackloser Scherz, aber man konnte nie sicher genug sein. Auf jeden Fall galt es, herauszufinden, wer oder was die Lumianer waren und wer dahinter steckte. Als sie sah, wie Sara die Backstube verließ. Diese junge Witwe hatte nach dem Tod ihres Mannes stets mit Misstrauen kämpfen müssen, doch Dorothea hatte sie immer zu schätzen gewusst. Vielleicht konnte sie in ihrem Geschäft Anhaltspunkte finden. Also ging sie auf die Buchhändlerin zu und sagte: "Guten Morgen, Sara. Ich möchte etwas herausfinden und ich glaube, du kannst mir dabei helfen." Und sie erzählte von ihrem Vorhaben.