Zitat Zitat von Loki
Ach komm, so haarsträubend ist die Existenz von Vegnagun wirklich nicht.
An sich hast du Recht: Wenn man es ganz einfach sieht, dann ist Vegnagun einfach eine Superwaffe aus alten Zeiten. Aber wenn ich mir das genauer anschaue, dann gibts da so einiges, was ich nicht begreifen kann.

Zunächst mal will ich einen Blick darauf werfen, warum Vegnagun in X-2 überhaupt die große Bedrohung in der Welt ist. Dreht sich jetzt noch weniger um die Waffe selbst, aber es sollte trotzdem erwähnt werden:
Auf der einen Seite ist der drohende Bürgerkrieg zwischen Youth League und New Yevon, der vielleicht zum Einsatz einer solchen Waffe führen könnte, auf der anderen Seite ein 1000 Jahre alter Geist der in seinem Wahn die Welt auslöschen möchte (!!!). Über DIESE Idiotie will ich jetzt nicht sprechen, sonst wird das zu lange, also ignorieren wir Shuyin hier mal.
Als Bedrohung wird Vegnagun so halb aus dem kollektiven Gedächtnis erkannt, das sehr eigenartig funktioniert. Die Youth League kommt ziemlich unvermittelt (=eines schönen Tages) auf die Idee, Einsicht in einen Sphere im Tempel von Kilika einzufordern, was New Yevon ohne echten Grund verweigert. Zu diesem Zeitpunkt muss man annehmen, dass kaum jemand weiß, was auf diesem Sphere zu sehen ist. Yuna mischt sich so halb in den Konflikt ein, und bekommt das Teil, auf dem Vegnagun zu sehen ist. Noch bevor man den Sphere zurückgibt, weiß schon halb Spira, dass darauf Vegnagun zu sehen ist, was es ist und darstellt. Die Gruppe beschließt nach dem Besuch im Quartier von LeBlanc, nach Bevelle zu gehen, damit dieses gefährliche Ding endlich verschwindet, und plötzlich ist es zum primären Ziel des Spiels geworden.
Nochmal: Vegnagun existiert rund 1000 Jahre (wie alles in dem Spiel), und es hat die letzten 1000 Jahre auch offenbar niemanden groß gejuckt, geschweige denn wusste irgendwer davon. Doch plötzlich weiß wieder jeder (oder zumindest einige), dass da noch eine alte Superwaffe rumliegt, und deren bloße Existenz wird als akkute Bedrohung wahrgenommen. Die Dringlichkeit jedoch ist hier völlig aufgesetzt. New Yevon will die Waffe nicht einsetzen, die Youth League will die Waffe nicht einsetzen, und zerstören kann man sie auch nicht richtig, weil das Ding einen eingebauten Selbstverteidigungsmechanismus hat. Das Spiel wäre halt sehr viel langweiliger, wenn jeder erkennen würde, dass man es einfach da liegen lassen könnte, wo es gerade ist. Ok, angeheizt wird es dadurch, dass zwischen den beiden Parteien Spiras tiefstes Misstrauen herrscht, deren Führungskräfte auch völlig unfähig sind, dieses auszuräumen. und unglücklicherweise ein Volldepp von vor 1000 Jahren nun auf einem Endzeittrip ist, aber mir kommt es ungeheuer dumm vor, dass diese Bedrohung zunächst eher empfunden wird als wirklich gegeben ist, und das dieser Punkt im Spiel auch völlig übersehen wird.

Zu Vegnagun selbst:
Bevelle hat Vegnagun während des andauernden Krieges mit Zarnakand gebaut. Das allein ist schon seltsam, denn es wurde im Spiel mehrfach gesagt, dass Zarnakand ohnehin schon militärtechnologisch hoffnungslos unterlegen war. Warum es da überhaupt eine Superwaffe braucht... na gut, meinetwegen.
Es ist eine Waffe, die die ganze Welt zerstören kann, und offenbar zu diesem Zweck nur gebaut wurde. Wie idiotisch der Gedanke schon ist, das man eine Waffe baut, deren Gebrauch einen unvermeidlich auch selbst auslöschen würde, bedarf eigentlich keiner Ausführung. Als würde man eine Pistole benutzen, die nach hinten feuert. Ok, vielleicht MUSS Vegnagun ja nicht die Welt auslöschen, sondern nur, wenn der Benutzer das möchte. Trotzdem bleibt die berechtigte Frage, warum das ein Konstrukteur überhaupt ermöglicht. Ok, vielleicht hat man das nicht beabsichtigt, sondern erst später herausgefunden. Womit ich schon zur nächsten Frage komme: Wie kann man wissen, dass die Waffe die ganze Welt in einem Schuss vernichten kann, wenn man das nicht irgendwie mal ausprobiert hat? In FFX hieß es noch, dass manche Waffen so mächtig waren dass man glaubte, sie könnten das Ende der Welt bedeuten, aber in X-2 besteht darüber kein Zweifel mehr. Gab es damals schon so ausgeklügelte Computersimulationen, dass man sowas abschätzen konnte? Wenn solche Tests anhand von Modellen durchgeführt werden können, hätten die Konstrukteure dann schon vorher eine ungefähre Vorstellung davon haben müssen, wie stark die Waffe am Ende wird? Wenn das erst nach Fertigstellung ermittelt wurde, warum hat man die Waffe dann nicht schon damals zerlegt? Ja sicher, die Waffe kann sich selbst verteidigen (wobei es Yuna & Co. trotzdem gelingt...), also weiter zur nächsten Frage, was es damit auf sich hat. Die Waffe reagiert angeblich nur auf Aggressionen, die sich direkt gegen die Waffe richten (sonst hätte das Ding ja schon losgehen müssen, als Shuyin es benutzen wollte) also gibts wohl sowas wie einen telepathischen Sensor. Ich geh mal davon aus, dass sowas auch beabsichtigt war. Das ist auf zwei Weisen völlig unpraktisch: Ein Selbstverteidigungsmechanismus einer Waffe macht ja nur Sinn, wenn man sie nicht manuell bedienen möchte. Vielleicht für eine Belagerung ganz sinnvoll. Wenn aber die Waffe nicht reagieren würde, ließe man sie einfach links liegen, dann würde sie genau diesen Zweck, eine Stellung unbemannt zu verteidigen, nicht erfüllen können.
Der andere, sehr viel problematischere Fehler im Design: Wenn die Waffe eigenständig agieren kann, vielleicht auch gegen die eigenen Leute weil dieser Sensor mal eine Situation nicht richtig einschätzen kann, warum würde man nicht irgendeinen Weg einbauen, das Ding komplett abzuschalten, eben nur für einen Notfall? Die Notwendigkeit eines solchen Notfallschalters ist ja wohl nicht von der Hand zu weisen bei einer Waffe, die die ganze Welt auslöschen kann. Ich tu es mir ehrlich gesagt schwer damit, zu glauben, dass die Genies, die das Ding gebaut haben, nicht über fehlerhafte Anwendung (vor allem bei dem Klaviatur-Bedienungssystem) und mögliche Risiken nachgedacht haben, was im Falle eines Falles zur Zerstörung der Welt führen könnte. So oder so, ein solcher Mechanismus bringt mehr Probleme als Vorteile, und noch absurder wird es dadurch, dass er sich offenbar nicht umgehen lässt.
Sicher, am Ende wurde Vegnagun eh tief im Untergrund von Bevelle versiegelt, damit da niemand enfach so drangeht, aber es kann ja auch nicht ganz aus dem Nichts gekommen sein, dass da plötzlich eine Waffe stand, die man aber auch nicht anrühren durfte. Irgendwer muss die ja auch gebaut haben, und an irgendeinem Punkt hätte man doch merken müssen, dass man sie nicht auf diese Weise konstruieren sollte.
Man könnte von einem gigantischen Patzer sprechen, aber tatsächlich glaube ich eher, dass, wer immer sich die Story ausgedacht hat, sich irgendwie versucht hat zusammenzureimen, wie man eine Maschine möglichst bedrohlich gestalten könnte, ohne darüber nachzudenken, wie absurd die Entstehungsgeschichte einer solchen Maschine dabei aussehen müsste.

Wo ich von Entstehungsgeschichte spreche:
Ich wage mal zu behaupten, dass Vegnagun kein gigantisches Zufallsprodukt war, sondern am Ende einer langen Reihe technischer Errungenschaften stand. In FFX wurde sogar gesagt, dass die Maschinen immer mächtiger wurden, also es eine Entwicklung gab.
In FFX landet man den entscheidenden Treffer gegen Sin zum einen durch Musik, wodurch Sin beruhigt wurde, zum anderen aber auch durch Waffengewalt, auch durch Maschinen. In der Mi'hen Offensive ist man nicht weit mit der Strategie gekommen, weil der Angriff ziemlich vorhersehbar war, und Sin sich auch verteidigen kann, wobei man gesehen hat, dass es durchaus nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, bis Sin's Schutzschild zusammengebrochen wäre. Es ist durchaus denkbar, dass Maschinen an und für sich wahrscheinlich sogar genügt hätten, Sin zu zerstören.
Angenommen, Vegnagun war zu seiner Fertigstellung das Produkt einer langen Reihe von Fehlkalkulationen, und man hätte sie nicht gegen Sin einsetzen können, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen: Hatte Bevelle absolut NICHTS, das nur ein paar Nummern kleiner war? Etwas, das gerade stark genug gewesen wäre, Sin zu zerstören, aber nicht so stark, dass die ganze Welt dabei gleich mitexplodiert? Selbst wenn es sowas nicht gegeben hat, so möchte ich doch annehmen, dass Bevelle oder irgendeine andere Nation (Maschinen waren ja zu jener Zeit auf der ganzen Welt verbreitet) doch die Mittel hätte haben müssen, aus der Not heraus eine neue Waffe zu entwickeln, die Sin zerstören könnte, wenn schon die Brainpower für Vegnagun vorhanden war. Mir fällt es schwer, zu glauben, dass man auf dem Höhepunkt der technischen Entwicklung nichts hätte konstruieren können, das schlagkräftiger gewesen wäre als die alten Überreste, die 1000 Jahre später von den Al Bhed ausgegraben und benutzt werden, welche mit der genauen Funktionsweise dieser Technik nichtmal richtig vertraut sind. Es macht auch keinen Sinn, wieso Bevelle plötzlich religiös wurde, statt sich um die Vernichtung von Sin zu bemühen. Ist Im Spiel auch alles unzureichend erklärt. Vielleicht, wenngleich das rein spekulativ ist, war Yevon erst nur eine Sekte, die dann in Bevelle an die Macht kam und die Politik umstellte, aber dann hätten sie sich konsequenterweise auch von aller Technologie in der Stadt distanzieren müssen, wenn das Verbot von Technologie eigentlich einer der Eckpfeiler ihrer Glaubenstheorie war.

Letztlich bleibt mir schleierhaft, wie so etwas wie Vegnagun überhaupt existieren kann, und das Spiel unternimmt auch keinen ernsthaften Versuch, diese Frage zu beantworten. Alle naheliegenden Implikationen der Existenz so einer Waffe werden ignoriert, und an dem Punkt hört es auch auf, Sinn zu ergeben.

Zitat Zitat
Und dass die Toten in Spira noch rumlaufen können [...] Das sind einfach die "Naturgesetze" die in der Welt von FFX gelten.
An sich stimmt das, aber es fehlt da auch an Regeln. Es ist nicht ersichtlich, wieso einerseits der Tod in FFX für die einen endgültig ist, für andere aber nur nebensächlichen Charakter hat. Nun könnte man Vermutungen anstellen, dass es was mit Willenskraft oder Macht oder was auch immer zu tun hat, wenngleich dies im Spiel, soweit ich weiß, nicht weiter erläutert wird. Wenn dem nun so wäre, sollte es in Spira nicht sehr viel üblicher sein, dass man zumindest versucht, durch geistige Übungen oder was auch immer Unsterblichkeit zu erlangen? Gerade in einer Welt, in der man durch Sin jederzeit umkommen könnte? Selbst wenn es eine geheime Praxis Yevons ist, sollten dann nicht wenigstens alle im Orden dies beherrschen? Auron zumindest erweckt den Eindruck, dass man als Unsent sich rastlos und müde fühlt, insofern es auch kein Zustand ist, der unbedingt für jeden erstrebenswert ist. Vielleicht kann man dies auch nicht herbeiführen, sondern stellt nur an sich fest, das man von seinem Willen am Leben gehalten wird. Andererseits scheinen Mika, Yunalesca oder Mei'chen über sehr lange Zeit gut damit klargekommen zu sein, es ist also wohl nicht so, dass nur ein ganz dringendes Verlangen einen vor dem Dahinscheiden bewahrt, sondern dieser Zustand beliebig aufrecht erhalten werden kann.
Das Spiel gibt in dieser Frage, wie ich finde, nicht genug her, als dass man diesen Sachverhalt wirklich nachvollziehen könnte. Ich fand es schon etwas dämlich, dass man Seymour viel Mal töten musste, bevor man ihn endlich aus der Welt verbannen konnte. Vor allem, da er nach dem zweiten und dritten Mal schon ziemlich verraucht schien.