Zitat Zitat von Narcissu Beitrag anzeigen
Also brauche ich mich um die Lesungen der Kanji gar nicht zu kümmern und sollte lernen, wie man sie im Kontext bzw. in Verbindung mit anderen ausspricht? Wenn es mehrere Lesungen gibt bringt einem das Lernen der Lesungen dann vermutlich sowieso wenig, selbst wenn man auf eine neue Vokabel stößt, da man erstens nicht weiß, ob das Wort dann On-Yomi oder Kun-Yomi gelesen wird und zweitens, selbst wenn man es wüsste, dann noch keine Ahnung hätte, welche der On-Yomi- oder Kun-Yomi-Lesungen die richtige ist – habe ich das richtig verstanden?
Ja, das ist richtig. Es gibt ein paar Tricks dafuer. Zum Beispiel werden Kanji immer Kun gelesen, wenn sie Okurigana angeschlossen haben, das sind Hiragana, die zur Lesung dazu gehoeren, aber trotzdem ausgeschrieben werden. Ein Beispiel ist zum Beispiel das 読み von 音読み … die Lesung ist yo-mi, aber das mi wird hinten angehaengt. Wenn Du so etwas siehst, weisst Du automatisch, dass es Kun gelesen wird. On kann keine Okurigana haben.
音読み ist uebrigens auch ein Beispiel fuer diese zusammengesetzten Misch-Lesungen, die mir gestern Nacht nicht eingefallen sind. ^^
Da hast Du quasi eine On (on) und eine Kun (yo-mi) in einem Wort, aber in diesem Fall geht das, weil es ein zusammengesetztes Wort und kein Kompositum ist.

Welche On man wann verwendet ist wirklich vollkommen random. Es gilt, dass alle On-Lesungen irgendwie aus dem Chinesischen abgeleitet sind, aber teilweise aus verschiedenen Epochen, wo die Zeichen anders gelesen wurden, oder auch aus verschiedenen Regionen und Dialekten. Daher haben einige Worte mehrere On-Lesungen, die sich nicht einmal aehnlich sind. Man kann theoretisch die richtige Lesung erschliessen, wenn man sich informiert, in welcher Zeit das Wort aus dem Chinesischen importiert wurde, sich dann die chinesische Lesung aus der Zeit raussucht, die japanischen Lautverschiebung anwendet und so weiter, aber das ist wirklich extrem viel Arbeit und fuer nicht-linguistische Ansaetze vollkommen uninteressant. Von daher ist es auch sinnvoll, Kanji im Kompositum zu lernen und nicht einfach alle Lesungen, weil es einem wirklich nicht viel hilft.
Bei Kun gilt das gleiche, nur dass man da eben die japanische Entwicklung der Worte mit einbeziehen muss. Wenn Du irgendwann mal dazu kommst, Altjapanisch zu lernen, wirst Du das automatisch besser verstehen, aber bis dahin wuerde ich auch sagen, dass Du einfach die Vokabeln lernst und dabei bleibst. Alles andere ist gerade am Anfang viel zu aufwendig.


Zitat Zitat
Und zu den Lesungen: Tae Kim schreibt hier Folgendes:

Ich hatte aus dem "usually" geschlossen, dass man in der Regel weiß, ob man die On- oder Kun-Lesung nehmen muss. Aber das scheint auch ein bisschen individueller zu sein. Auch wenn das, was Tae Kim schreibt, auf die Mehrheit der Wörter zuzutreffen scheint, gibt es dennoch viele Komposita, die man mit der Kun-Lesung liest – habe ich das soweit richtig verstanden? Und wie sieht es mit alleinstehenden Kanji aus – können die auch mit On-Yomi gelesen werden?
Generell ist das richtig. Komposita werden in 9 von 10 Faellen On gelesen, mit den vereinzelten Ausnahmen wie tomodachi. Alle Worte, die Okurigana haben, werden, wie oben erwaehnt, immer und ohne Ausnahme Kun gelesen. Das trifft auf alle japanischen Verben zu, sowie auf alle verbalen Adjektive (also die, die auf -i enden). Die nominalen Adjektive (also die, die eine Kopula, da oder na, taru oder naru haben) werden fast immer On gelesen. Die mit na und da immer (zumindest wuesste ich gerade keines, bei dem das nicht so ist), und die mit tara auch meistens, wobei es bei taru und naru einige gibt, bei denen das nicht so ist. Zum Beispiel 母なる, haha-naru, muetterlich.
Das erklaert sich aber einfach dadurch, das taru- und naru-Adjektive Ueberbleibsel aus dem Altjapanischen sind, die nach anderen grammatikalischen Regeln flektiert werden.

Ach, und dann gibt es noch Verben, die keine echten Verben sind, sondern aus einem Nomen + suru (oder naru oder yaru) oder einem der davon abgewandelten Formen gebildet werden. Die liest man auch On, allerdings musst Du die nicht als eigene Verben verstehen, sondern als ein Nomen plus Hilfsverb “tun”, so wie z.B. im Englischen, wo man ja auch do something als Praedikat benutzen kann.

恋する, lieben, ist also kein eigenes Verb, sondern eigentlich 恋, Liebe, plus tun.
Das gleiche gilt fuer 信じる, vertrauen. じる ist eine Form, die von ずる kommt, was wiederum die stimmhafte Form von する ist, weil shin auf ein -n endet und der Konsonant dadurch stimmhaft wird … die eigentliche Grundform davon ist 信ずる, aber in jeder moeglichen Flexion wird aus ずる eben じ (wie aus する halt auch immer し wird, wie beispielsweise bei します), darum listen die meisten Woerterbuecher das direkt unter 信じる auf.
Die Dinger liest man halt so gut wie alle On.

Einzeln stehende Kanji werden auch so gut wie immer Kun gelesen. Die Ausnahme sind Zeichen, die keine Kun-Lesung haben (ja, die gibt es) und einige, die in ihrer On-Lesung eine andere Bedeutung haben.

Nachtrag:
Es gibt noch eine einzige Ausnahme, naemlich das Wort 愛す … das ist ebenfalls ein Ueberbleibsel aus dem Altjapanischen, und す ist hier auch nur tun, die klassische Variante von する eben. Von diesen Verben gab's fruehr mal ganz viele, aber heute nur noch das eine. Darum flektiert 愛す komplett anders als alle anderen japanischen Verben … merk's Dir einfach als unregelmaessiges Verb. ^^