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Thema: "Heimatfront" - Irgendwo zwischen Salvador Dali und Sergio Corbucci

  1. #1

    "Heimatfront" - Irgendwo zwischen Salvador Dali und Sergio Corbucci

    HEIMATFRONT

    Der wortkarge Revolverheld und Ex-SS-Leutnant Hans Fuchs bricht aus einem Häftlingslager aus und macht sich auf den Weg zu einem kleinen Ort namens Gehennabach. Hier regiert Obersturmbannführer Max von Dimsche mit einem Rudel sogenannter "Werwölfe" (Freischärler), sendet Radiobotschaften, mit denen er den Widerstand stärken will und möchte nicht wahrhaben, dass der Krieg bereits vorbei ist. Also lässt er die dortigen Anwohner im Glauben, dass Deutschland den Krieg gewinnen würde, während er bereits die Ausbreitung seines "Imperiums" und die Niederwerfung der "alliierten Unterdrücker" plant. Allerdings hat er nicht mit der Rückkehr von Fuchs gerechnet - und dass dieser noch eine Rechnung mit Dimsche offen hat, die nur mit Blei beglichen werden kann.

    Hauptcharaktere:
    Hans "Der Fremde mit der Kiste" Fuchs: Hans Fuchs ist ein wortkarger, brutaler Vigilant und Gefängnisausbrecher. Das Einzige, was ihn antreibt, ist Rache am "Leit-Wolf" Max von Dimsche. Er marschiert deshalb quer durchs Land und bläst dabei alles weg, was ihm in den Weg kommt. Vornehmlich schießt er (Akimbo-Style) mit zwei polnischen Pistolen nach amerikanischen Vorbildern, die er inklusive Munition bei einem Überfall auf einen Alliierten-Konvoi abgeluchst hat. Zudem trägt er eine schwere Holzkiste auf dem Rücken - allerdings weiß nur er, was sich darin befindet. Er ist weder Befürworter noch Gegner der Alliierten und denkt vor allen Dingen bei jedem Schritt, den er tut, nur an seinen eigenen Vorteil.

    Sophia Korbucova: Eine Sudetendeutsche, die einer jüdischen Familie Unterschlupf gewährte und deswegen von von Dimsches Wölfen mit einem Davidstern gebrandmarkt wurde. Sie ist eine Frau, die öfter als ihr lieb ist in schwierige Situationen kommt (vor allem, weil sie vorlaut und teilweise etwas übermütig ist). Trotzdem hat sie keine Angst davor, den Wölfen gegenüber zu treten und hilft Fuchs bei seinem Unterfangen. Es wirkt fast so, als sehe sie in Fuchs eine Möglichkeit, selbst endlich eine Bestimmung zu erfüllen, indem sie ihre Heimatstadt vom Wolfsrudel befreit.

    Max "Der Leit-Wolf" von Dimsche: Ein kühl kalkulierender Anführer einer Rotte von Freischärlern, der die Menschen von seiner Philosophie des Widerstands überzeugen möchte und dies auch größenteils schafft - mit Gewalt. Er regiert im 300 Seelen-Dorf Gehennabach und Umgebung mit einem circa 80 Männer, Frauen und Kinder starken Rudel, die allzeit gewaltbereit die Nachbardörfer von Juden und Deserteuren säubern und ihr Revier vor "Angriffen" der Alliierten beschützen.

    Die Idee:
    Heimatfront ist im Stil eines Westerns und Abenteuer-/Horrorromans geschrieben, allerdings spielt er zu einer Zeit, in der Freischärlerverbände der SS immer noch den Krieg führten, der schon längst vorbei war. Historisch gesehen bestanden die sogenannten "Werwolf"-Verbände anfangs aus extra für Guerrilla-Taktiken ausgebildeten Spezialisten, kurz vor und nach dem Kriegsende allerdings nur noch überwiegend aus versprengten HJ-, BDM- und DJ-Angehörigen, die kaum bis gar keine Kampferfahrung hatten, zumeist unorganisiert durch die Gegend rannten und ziel- und planlos Überfälle auf Alliierte durchführten, bei denen im Normalfall das komplette "Rudel" draufging. Heimatfront verbindet Elemente des Italowesterns á la "Django", "Satan der Rache", "Leichen pflastern seinen Weg" usw., des Kriegsdramas (mit einem gewissen zynischen Touch), einer Prise Tarantino, einem Stück Carpenter und hat eine allgemeine surreale Atmosphäre. Dies fängt schon bei einigen Querverweisen in den Namen der Orte und Charaktere an, die teilweise der jüdischen Mythologie und Religion und in Motiven auch germanischer Sagen entnommen und nachempfunden sind. Ich bemühe mich teilweise um historische Korrektheit, aber das sollte wirklich das letzte Problem dieses Werks sein. Ich lade euch auf jeden Fall ein zu einem abgefahrenen Trip voller Schießereien, Exploitation, Surrealismus, Abstecher in die jüdische Dämonologie und mit ganz ganz viel schlechtem Geschmack. Das hier ist Heimatfront.





    Prolog – Staffellauf

    Schweißperlen rollten tröpfchenweise sein Gesicht herunter und fielen wenig später zu Boden, wo sie in die von der Sommerhitze aufgeheizte Erde sickerten. Die Peitsche knallte. Zack! Und schon lief wieder jemand los. Vielleicht sein Onkel Levi? Er wusste es nicht. Seine Sicht war verschwommen. Der Schweiß. Die Sonnenblindheit, die folgte, nachdem sie ihn tagelang auf dem Dach einer Scheune angekettet hatten.
    Bumm.
    Soviel zu Onkel Levi. Ein gezielter Schuss aus dem Mausergewehr Modell 89k in seinen Rücken, und er lag im hohen Gras und rührte sich nicht mehr. Er war wahrscheinlich nicht einmal fünfzig Meter weit gekommen.
    Gelächter um ihn herum. Hauptsache, sie hatten ihren Spaß.
    "Komm', Jude. Aufstehen!", schrie einer von ihnen mit nasaler Stimme. Etwas zog ihn an seinem linken Arm und schon stand er. Sanft mit den Händen auf seinen Oberarmen ruhend, drehte ihn der Mann in Richtung von etwas, das durch die verschleierte Sicht aussah wie eine Grünfläche unter einem hellblauen Streifen. Ein naturalistisches, vielleicht expressionistisches Kunstwerk, das seine Behinderung da in seinem Kopf zauberte.
    Ob er weiter kommen würde? Vielleicht könnte er sogar überleben. Er wäre der Einzige seiner Familie. Sie waren zu sechst. Er, seine Frau, sein Onkel und seine Tante, und ihre 15-jährige Tochter. Es war ein gutes Leben gewesen. Ein hartes zwar, weil sie sich sieben Jahre lang verstecken und lügen, gar ihre Religion verleugnen mussten, um zu überleben – aber sie waren durchgekommen. Bis der Teufel kam. Er und sein Anhang. Sie brachten den Krieg zu ihm nach Hause. In seine Heimatstadt. Brachten ihre Philosophie mit sich. Sowohl von der Philosophie als auch vom Krieg war man soweit verschont geblieben. Naja, es gab den ein oder anderen, der gegen Juden wetterte und es nicht erwarten konnte, eingezogen und an die Front geschickt zu werden. Aber sonst...?

    "Irgendwelche letzten Worte vor'm Staffellauf, Jude?", ertönte die nasale Stime rechts hinter ihm.

    Sie hatten seine Frau und seine Tochter vergewaltigt und danach erschossen.

    "Willst nix mehr sagen, hä? Erst nicht mehr gucken könn' und jetz' nich' mehr reden, wie?", ertönte abermals die Stimme.

    Tante und Onkel starben innerhalb der letzte fünf Minuten, zur Belustigung aller Beteiligten.

    "Ja, ich will was sagen.", sagte er ruhig. "Ihr werdet allesamt zur Hölle fahren!"

    "Was höre ich da?", sprach es von etwas weiter oben. Er saß wahrscheinlich auf seiner Loge, das Mausergewehr auf seinem Schoß ruhend. Stilvoll in seiner besten SS-Ausgehuniform gekleidet. Irgendwo im Turm links neben dem Käfig, in welchem die Juden auf das Peitschenknallen warteten. Er fuhr fort: "Jude, wie nennt ihr mich?"
    "Dämon .", sprach der Gefangene.
    Affektiertes Gelächter seitens des Oberkommandierenden folgte für ein paar Sekunden. "Dämon, ja. Weißt du, für euch bin ich der Teufel. Für meine Wölfe und mich selbst allerdings...", er pausierte und lud sein Gewehr durch. "Für uns bin ich der personifizierte Wille des Führers. Weshalb man mich den Leit-Wolf nennt, so einfach ist das. So, genug der Lehrstunde."

    Wille des Führers.
    "Und nun..."
    Er ist ein Dämon.
    "LAUF, JUDE!"

    Die Peitsche knallte.
    Zack!
    Seine Füße trugen ihn so schnell wie irgend möglich zu einem Ziel, das er nicht sehen konnte. Er kniff die Augen zusammen, um eventuell die Umgebung ein wenig schärfer wahrzunehmen. Er schlug Haken, hörte die Schüsse aus der Ferne, hörte die Rufe der Soldaten, hörte das Gefluche des Adjutanten des Teufels. Er dürfte bald... ja, er war auf dem Hügel. Er müsste nur noch diese Steigung hoch, dann herunter und er wäre außer Sichtweite. Er könnte sich irgendwo niederlassen, rehabilitieren, zurückkommen und sie alle umbringen. Er könnte...

    Feuer.
    Feuer im Rücken.
    Blut schoss aus dem Bauch und ergoss sich über sein weißes Hemd. Er hielt die Wunde mit den Händen zu und versuchte, weiter zu gehen. Aber er konnte nicht verhindern, dass ein Teil seiner Innereien zum Vorschein kamen. Der Schmerz fuhr mit einer derartigen Intensität durch seinen Körper, dass er auf dem Hügel auf die Knie fiel.

    Und plötzlich – für einen kurzen Moment – konnte er wieder klar sehen. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
    Und dann sah er nichts mehr. Er kippte nach vorne über und rollte den Hügel hinab.

    Außerhalb der Sichtweite seiner Peiniger.

    Er wusste genau: Er würde vergessen werden.

    Wie alle anderen, die hier gestorben waren und noch sterben würden.

    "Ich fahr' nicht zur Hölle! Ich herrsche bereits über sie! Siehst du das, Jude?", schrie es von hinterm Hügel.
    Die Peitsche knallte abermals.
    "Das hier ist die Hölle!"
    Und das war das Letzte, was er hörte, bevor ihn ein samtenes Schwarz umgab.

    Kapitel 1 – Der Mann mit der Kiste

    "Komm Püppi, mach' keenen Aufstand!"
    Hin und her schubsten sie die Frau im grauen, verschmutzten Sommerkleid. Die Füße blutig, da sie seit Tagen barfuß unterwegs war, auf der Flucht vor denjenigen, die ihren Tod wollten. Nur, um abermals in den Armen solcher zu landen. Wegelagerer, ehemalige SS-Soldaten in tarnfarbenen Uniformen, die hinter Gebüschen am Straßenrand auf den Limey oder den Ami und seine Patroullien warteten – oder eben auf eine "günstije Jelegenheit", wie sie es nannten.

    Kein Geschrei ihrerseits hielt das halbe Dutzend Männer ab, die mit lüsternen Blicken an ihrem Kleid zogen, sie von einem zum nächsten schubsten als wäre sie ein Spielball. Dann ein reißendes Geräusch, und derjenige, der der Oberkommandierende zu sein schien, hielt den Fetzen in der Hand, der bis eben ihren Körper bedeckte. Die rothaarige Frau hielt sich panisch und notdürftig die Arme vor ihre Intimzonen, während sie weiterhin um Hilfe schrie.

    "Jungs, ihr wisst ja, was sie über rothaarige Frauen sagen!"
    "Wenn's im Dachstuhl brennt, ist's im Keller feucht!"
    "Ach du Scheiße, kiek mal da auf ihr'm Rücken!"
    "Das ihr wer den Judenstern uff'n Rücken jebrannt! Pah!"
    "Hat dich jemand gekennzeichnet, ja? Ich hab's noch nie mit 'ner Jüdin getrieben – ihr?"
    "Nee!"
    "Ick noch nie!"
    Dreckiges Gelächter.
    "Ob die Juden•••••••• auch untenrum beschnitten ist?"
    "Keine Ahnung.", sagte der Oberkommandierende und zog einen silberfarbenen Dolch aus der dafür vorgesehenen Scheide an seinem Gürtel. Das Sonnenlicht wurde in der glänzenden Klinge reflektiert und blendete die Frau kurz, während er weitersprach: "Aber wenn ich mit ihr fertig bin wird sie beschnitten sein. Keine Angst, Schatz – ich mach' das nicht zum ersten Mal." Ein diabolisches Grinsen zeigte sich in seinem kantigen Gesicht. Zwei Männer hielten sie an den Armen fest und gaben den Blick frei auf ihren nackten Körper. Mit der Zunge schnalzend öffnete der Anführer den Knopf und den Reißverschluss seiner Hose mit der einen Hand, während er mit der anderen den Dolch an ihre Kehle hielt.
    "Nicht bewegen!", flüsterte er ihr zu und biss in ihr Ohrläppchen. Lautes Stöhnen war alles was sie neben ihrem Geschrei hören konnte. Sie hob ihr rechtes Knie so schnell wie sie konnte und rammte es dem Mann mit voller Wucht in seine Weichteile, woraufhin er vor Schmerz das Gesicht verzog und einige Schritte zurückmachte. Die zwei Männer hielten sie nun noch stärker fest, während sich der Anführer wieder aufraffte und leise, aber psychotisch ein "Gut, dann halt andersrum." von sich gab. Sie hatte nun eine kleine Schnittwunde an ihrem Hals, aus der etwas Blut kam. Mit bestimmtem Gesichtsausdruck sah sie ihm in seine glasigen Augen.
    "Nun, ich werde meinen Spaß haben. Glaub' mir.", flüsterte er und kam näher, "Mal sehen wie keck du sein wirst nachdem ich dir das hier reingebohrt habe." Er hielt den Dolch nun so, dass er mit ihm mittels einer Handbewegung in sie eindringen konnte. Die Klinge kam näher. Sie konnte sie bereits an ihrer Scham spüren. Einer der Männer packte sie am Schopf und riss ihren Kopf nach hinten, woraufhin sie schmerzerfüllte Schreie ausstieß. Dann ein zischendes Geräusch, es klirrte in der Luft, Funken sprühten – und der Dolch steckte, Klinge voraus, im Straßenasphalt, zwei oder drei Meter links neben ihr. Verdutzte Blicke der sechs Soldaten folgten, die zunächst den Dolch betrachteten und sich dann langsam nach rechts wandten.

    Und da stand er.

    Unter der steingrauen Schirmmütze blickten sie zwei stechend hellblaue Augen an, die ihren Platz in einem etwas mageren, ein wenig braungebrannten Gesicht hatten, auf dem sich ein Drei-Tage-Bart bemerkbar machte. Er trug einen ebenso wie die Mütze steingrauen Poncho, der seinen Oberkörper bis zur Hüfte abdeckte, eine dunkelgraue Hose und reguläre Wehrmacht-Kampfstiefel, die extrem abgelaufen aussahen. Allgemein schien seine Kleidung ziemlich dreckig zu sein, als würde er sich im Staub suhlen, wenn niemand hinsah. Bemerkenswert war auch, dass er eine offensichtlich ziemlich schwere, circa anderthalb Meter lange, einen Meter breite und fünfzig Zentimeter tiefe Holzkiste auf dem Rücken trug, an der zwei Stränge montiert waren, die als Schultergurte für den Träger fungierten. Er trug sie so, dass das eine Ende ungefähr bis zu seiner Hüfte und das andere einige Zentimeter über seinem Kopf reichte. In seiner rechten Hand hielt er eine Pistole, aus deren Lauf etwas Rauch emporstieg. Zwischen seinen Lippen hing eine dünne, beinahe abgebrannte Zigarre, welche er langsam von der einen Seite seines Mundes zur anderen wandern ließ, während er die Situation beäugte. Er steckte die Waffe zurück in den Schulterholster unter seinem Poncho.

    Die Männer ließen von der Frau ab und stellten sich in einer Linie vor ihm hin, sodass zwischen ihnen und dem Mann mit der Kiste zehn Meter Abstand blieben. Der Wind schenkte ihnen eine kurze kühle Brise, welche dennoch nicht die Situation abzukühlen vermochte. Mit gezückten Waffen standen sie da, bereit, den Fremden zu erschießen.
    "Guter Schuss. Wirklich guter Schuss!", rief der Anführer herüber und deutete mit dem Lauf seiner Maschinenpistole auf die Frau. "Gehört die zu dir?"
    "Nein.", antwortete der Fremde und zog an der Zigarre.
    "Nun, warum versaust du uns dann den Spaß?", entgegnete der Anfüher.
    Der Fremde atmete etwas Zigarrenqualm aus, bevor er den Glimmstengel wieder zwischen die Lippen steckte. "Wisst ihr, ich hab' nix dagegen, wenn eine Frau eine Tracht Prügel bekommt – sofern sie sie verdient.", Er deutete nun seinerseits mit einem Kopfnicken auf die Frau, "Aber was ihr vorhabt, geht über 'eine Tracht Prügel' hinaus, und ihr wisst das."
    "Sie ist 'ne Jüdin! Hier!", rief einer der Soldaten, packte die Frau am Schopf und präsentierte dem Fremden ihr Brandmal. Ein Davidstern war ihr – wahrscheinlich per Brandeisen – hinten auf die rechte Schulter "eingraviert" worden.
    "Wir sind im Krieg mit dem Untervolk, und du weißt das sehr gut, Kistenmann!", rief der Anfüher.
    "Der Krieg ist vorüber. Ich hab's erst vor einer Woche gehört.", sagte der Fremde, "Adolf Hitler ist tot. Es ist vorbei."
    "Nichts ist vorbei! Gar nichts!", rief der Soldat, der immernoch die Frau an ihrem Schopf festhielt und sie nun vor Wut zu Boden warf. "Es ist erst vorbei, wenn wir unsere Aufgabe getan haben!"
    "Im Namen von wem?", fragte der Fremde.
    "Im Namen des Reiches.", antwortete der Anführer wie aus der Pistole geschossen.
    "Es gibt kein Reich mehr. Ihr habt verloren.", sagte der Fremde.
    Die Soldaten luden die Waffen durch. Bereit, den Fremden für diese Unverschämtheit nieder zu strecken.
    "Und was hast du? Gewonnen?", fragte der Anfüher.
    Der Fremde pausierte kurz, zog noch einmal an der Zigarre, blies blauen Rauch aus dem Mund und sagte:
    "Gegen euch – ja."

    Dann schnippste er die Zigarre in die Luft, griff unter seinen Poncho und zog zwei Selbstlade­pistolen hervor, eine davon dieselbe, mit der er das Messer aus der Hand des Anführers geschossen hatte. Er zielte nur grob auf die in einer Reihe stehenden und perplex der Zigarre hinterher schauenden Soldaten und feuerte drauflos. Der erste war der Mann, der die Frau zu Boden geworfen hatte. Zwei Kugeln trafen ihn in den Kopf. Blut und Teile seines Gehirns spritzten nach hinten auf die am Boden liegende Frau, die mit panischem Gesichtsausdruck das Massaker beobachtete. Den Nebenmann erwischte zunächst im linke Knie, danach in die linke Brust, wodurch er augenscheinlich sofort tot war und nach hinten kippte. Währenddessen klingelten die Patronenhülsen, wenn sie auf dem Boden neben dem Kistenmann landeten und konteragierten das Geschrei und das klatschende Geräusch, wenn das Blut der Soldaten den Boden berührte. Der Anführer wurde mit einem Bauchschuss durch die Luft geschleudert, konnte aber mit der Maschinenpistole einige Schüsse abfeuern. Allerdings traf er nur einen weiteren Soldaten in den Rücken. Wäre er deshalb nicht nach vorne gefallen, hätte die Kugel, die ihm bestimmt war, ihn nicht in den Schädel getroffen, sondern in seine Füße. Weitere Kugeln aus der Maschinenpistole veranlassten die übrig gebliebenen zwei, in Richtung des Fremden vor den MP-Salven wegzulaufen – womit sie direkt in seine Schusslinie rannten und förmlich zerfetzt wurden von Projektilen.

    Und kurz nachdem sie ebenso umgefallen waren, landete der Zigarrenstummel auf dem Asphalt.

    Innerhalb von nicht einmal zehn Sekunden hatte der Fremde mit siebzehn Kugeln fünf Leute umgebracht und den Anführer kampfunfähig gemacht. Er entriegelte die leergeschossenen Stangenmagazine, die hinten aus den Griffen der Kanonen glitten, griff sie sich und steckte sie in die linke Hosentasche. Aus seiner rechten Hosentasche fischte er zwei neue Magazine, schob sie in die Magazinschächte und steckte eine der Waffen zurück in den Holster, während er mit der anderen auf den immer noch ziemlich lebendigen Anführer zielte, der sich vor Schmerzen am Boden windete, beide Hände auf die blutige Bauchwunde gepresst.

    "Oh Gott! Oh mein Gott!", wimmerte er, während er panisch abwechselnd das klaffende Loch in seinem Bauch und den Fremden anstarrte, welcher jetzt direkt vor ihm stand und die andere Pistole nun doch zurück in den Holster steckte, bevor er die Arme unterm Poncho verschränkte.
    "Ich will etwas von dir wissen.", sagte der Fremde emotionslos.
    "Ja, ich sage alles, ich sage alles aber lass mich am Leben!", rief der Anführer unter Schmerzen.
    "Gut.", sagte der Fremde und nickte kurz, bevor er fortfuhr: "Sag' mir, wo ich von Dimsche finde."
    "Der Leit-Wolf! Du suchst nach dem Leit-Wolf?!", fragte der Verwundete und lachte kurz, "Was hast du vor? Ihn umbringen? Du wirst niemals den Leit-Wolf umbringen! Er hat 'ne Armee! Eine verdammte Scheißarmee!"
    "Beantworte die Frage!", sprach der Fremde mit aggressivem Ton in der Stimme.
    "Er ist in Gehennabach, ein kleines Dorf, ein bis zwei Tagesmärsche von hier in diese Richtung.", er deutete mit seinen vollgebluteten Fingern in Richtung Süden. "Du musst durch zwei andere Dörfer und schon bist du da. Aber du wirst schon auf dem Weg dahin sterben, mein Freund! Der Leit-Wolf hat seine Leute überall! Hörst du: Überall!" Obschon bleich im Gesicht, mobilisierte der verletzte Anführer noch alle möglichen Kräfte, um sich nach vorne zu beugen und dem Fremden klarzumachen, dass es kein Spaziergang nach Gehennabach werden würde. "Das Rudel hat schon andere zerrissen, die sich für hart hielten so wie du!"
    "Gut.", sagte der Fremde nach einer kurzen Denkpause, zog eine der Waffen und krümmte den rechten Zeigefinger um den Abzug seiner Pistole, welche er auf den Kopf des Anführers richtete.
    "Moment! Moment!", demonstrierte der Verwundete und hob seine Hände in die Luft, "Du hast gesagt, du würdest mich am Leben lassen!"
    "Ja.", antwortete der Fremde mit einem lakonischen Ton in der Stimme, "Ich entlasse dich ins nächste Leben."

    Einen Knall und einen Blutspritzer später lag der Mann leblos da. Der Fremde durchwühlte die Taschen der sechs toten Soldaten nach Zigaretten, Geld, Munition und Essen, füllte das Wasser in ihren Wasserflaschen in seine eigene um. Die Frau wimmerte derweil und beobachtete den Fremden bei seinem Treiben, zitternd vor Angst. Erst nachdem er die letzte Leiche alles Brauchbarem entledigt hatte, wandte er sich ihr zu und sah sie kurz an. Er zog einem der Soldaten die Jacke und die Schuhe aus und warf beides der Frau vor die Füße.
    "Hier, zieh das an.", sagte er lapidar.
    Er erhielt keine Reaktion von ihr, weder sagte sie etwas, noch zog sie die Sachen an. Sie saß immer noch da, splitternackt, die Knie herangezogen und fest umklammert.
    "Ich tue dir nichts.", versicherte er und trat ein wenig näher an sie heran. Sie wich ein Stückchen zurück und sah ihn mit durchdringendem Blick an.
    Er begutachtete ihre Füße. Blut rann aus einigen Schnittwunden an beiden Fußsohlen. Er entnahm der Tasche, in welcher auch seine Feldflasche steckte, eine Rolle Verbandszeug und warf sie zur Frau herüber. Sie fing es mit der rechten Hand in der Luft und begann zögerlich, sich die Füße zu bandagieren, die Knie immer noch an sich herangezogen und den Blick immer zwischen den Füßen und dem Fremden hin- und herwandern lassend.
    "Mein Name ist Fuchs, Hans Fuchs.", stellte er sich vor und beugte sich zu ihr herunter, "Wie heißt du? Hast du 'nen Namen?"
    Ein paar Sekunden lang starrte sie dem Fremden nur in die Augen. Dann antwortete sie leise: "Sophia." Sie zog den Dolch, der neben ihr im Asphalt steckte, mit einem Ruck heraus und trennte ihren Druckverband von der Rolle. Sophia knotete zwei Enden zusammen, um der Bandage zumindest ein wenig Stabilität zu geben, und verband sich nun den anderen Fuß.
    Er reichte ihr die Jacke herüber, welche er ihr vorher hingeworfen hatte. Sie vollendete die zweite Bandage und streifte sich danach langsam die Feldbluse über.
    "Wer war das...", er kaschierte seine Suche nach den passenden Worten, indem er eine Zigarette aus einer der erbeuteten Schachteln fischte und sie sich mit einem ebenso erbeutetem Feuerzeug ansteckte, "... Das mit deinem Rücken?" Für einen kurzen Moment sah ihr auf die nackten Brüste, bevor sie die Feldbluse zuknöpfen und sie wieder verstecken konnte. Vielleicht später.

    Er reichte ihr die Schachtel herüber, aus der sie sich ebenfalls eine Zigarette heraus nahm. Nachdem Fuchs ihr Feuer gegeben hatte, fing sie an zu reden: "Ich bin geflohen aus... dem Dorf, das du suchst. Sie...", sie begann zu weinen, "Sie bringen alle um, die auch nur ansatzweise etwas mit Juden zu tun haben. Ich...", sie zog an der Zigarette und wischte mit der anderen Hand Dreck aus ihrem Gesicht, "Ich bin keine Jüdin. Ich hatte nur einer Familie geholfen, sich zu verstecken vor den Wölfen. Als sie kamen. Sie haben alle umgebracht."
    "Wieviele sind es, ungefähr?", unterbrach er sie unvermittelt. Sie hatte sich derweil das, was von ihrem Kleid übrig war, als Rock umfunktioniert und trug nun die von Fuchs organisierten Stiefel.
    "Dutzende, mindestens sechzig. Vielleicht mehr." Sie schnitt einen kleinen Teil vom Druckverband mit dem Dolch ab und wischte sich das Blut des ersten Opfers und ein paar Tränen aus dem Gesicht.
    "Kein Problem.", entgegnete er kühl.
    Die beiden standen auf. Sie warf das Stückchen Bandage weg und hatte nun einen verwunderten Gesichtsausdruck. "Kein Problem? Du willst es mit... mit einem Rudel von der Größenordnung aufnehmen?" Ihr Blick wanderte nun zu der Kiste auf Fuchs' Rücken. "Was ist da drin?"
    Er sah sie nur kurz an, blies etwas Zigarettenqualm in ihre Richtung und kehrte ihr den Rücken zu.

    Plötzlich drehte sich Sophia um, schnappte sich eines der am Boden liegenden Maschinengewehre und schoss einige Male auf den Soldaten mit dem Knieschuss. Bevor Fuchs etwas sagen konnte, sah er, dass der Soldat noch nicht tot gewesen war und bereits eine Luger-Pistole in der Hand hielt. Er schaute sie an.
    "Nicht mein erster. Ich bin seit acht Tagen auf der Flucht und hatte Gelegenheit zum Üben.", sagte sie mit einem leichten Anflug eines Grinsens auf dem Gesicht und schnappte sich zwei herumliegende Magazine für die nun von ihr annektierte MP40.
    Fuchs wandte sich ihr kurz zu, sagte "Gut. Danke." und ging weiter.
    "Hey!", rief Sophia entsetzt und folgte ihm. "Was ist mit mir?"
    "Was soll mit dir sein?", fragte Fuchs im gehen. "Du bist alt genug, dir wird was einfallen."
    "Ich hab' dir dein verdammtes Leben gerettet!", rief sie und stellte sich nun vor Fuchs hin, ihm den Weg versperrend. "Du musst mich mitnehmen."
    "Ich muss 'nen Scheiß.", entgegnete er kühl und schob sie grob beiseite. Aber sie ließ nicht locker und folgte ihm weiter auf der Landstraße.
    "Ohne dich wär ich fast gestorben und ohne mich hättest du fast ins Gras gebissen! Gib' es zu: Du brauchst mich."
    Für eine gemeinsame Nacht auf dem Weg, für ein bisschen Gesellschaft im Allgemeinen konnte Fuchs sie tatsächlich ganz gut gebrauchen. Es war einsam geworden in den letzten Tagen, seitdem er auf der Flucht war, seine einzigen Companions nur die Landschaft – die sattgrünen Wiesen und Getreidefelder, welche die Landstraßen, auf denen er unterwegs war, säumten und denen der Krieg nichts anhaben konnte – und einige Fremde, welche er im Normalfall bereits einige Stunden, nachdem er sie getroffen hatte, töten musste – aus Angst, dass sie ihn vorher umbringen würden. Er übelegte kurz und blieb dafür stehen. Sophia stand da, wieder angezogen, die Maschinenpistole im Anschlag und nun soweit, dass sie ihn zwingen würde, sie mitzunehmen, egal wie und egal was passieren würde.
    "Und ich brauch' dich.", ergänzte sie zu ihrem vorherigen Satz und sah Fuchs, über das Kimme und Korn ihrer MP40, fordernd an.
    Fuchs nahm einen tiefen Zug Tabak und sagte:
    "Regel Nummer 1: Du hörst auf das, was ich sage. Regel Nummer 2: Du machst keinen Ärger. Regel Nummer 3: Wenn ich merke, dass du mich versuchst zu verarschen werde ich dich so übel zurichten, dass denken wirst, Hitler selbst hätte dich durch die Augenhöhlen gefickt. Hast du das verstanden?"
    Sie nickte.
    "Und viertens: Über die Bezahlung sprechen wir später."
    "Bezahlung?", fragte sie ungläubig. Allerdings hielt es Fuchs nicht für nötig, zu antworten und ging im schnellen Marschtempo los. "Welche Bezahlung?", wiederholte sie und rannte nun fast neben Fuchs, um mit seinem Tempo Schritt zu halten.
    "Darüber sprechen wir, wenn es soweit ist.", wiederholte er hingegen und blickte stoisch in Marschrichtung.

    Kapitel 2 – Das Haus in Schellen

    Im langsamer gewordenen Schritttempo wanderten sie über die Landstraße, hier und da vorbei an ausgebrannten Wracks von Kübelwägen, Jeeps und Panzern, deren getötete Mannschaften oft ebenso verbrannt auf der Straße lagen. Niemand konnte oder wollte sie wegschaffen. Es war, als hätte man all diese Wracks und Leichen als Mahnmale platziert. Sophia sprach kein Wort. Nur ab und an hörte man unverständliches Gemurmel, wenn sie wegen ihrer akuten Schmerzen fluchte und die Verbände wechseln musste, was jede paar Stunden mindestens einmal passierte. Man ernährte sich von dem, was Fuchs über die Wochen hinweg an Rationen gesammelt und in seiner seitlich auf Hüfthöhe sitzenden Tasche aus Wildleder verstaut hatte. Das Wasser füllten sie von den Flaschen der Toten in die ihrigen um. Die Luft stand förmlich, es herrschten Temperaturen von ungefähr 30 Grad Celsius. Die Kleidung war pitschnass vor Schweiß, vor allem mit der Kiste auf dem Rücken war es eine enorme Anstrengung für Fuchs, solche Strecken hinter sich zu bringen, was diese Sommerhitze nicht unbedingt einfacher machte.

    Und irgendwann, als die Sonne schon fast untergegangen war und die Umgebung in ein rotgelbes Licht tauchte, sodass alles um die beiden aussah wie eine Wüste, erblickten sie ein kleines Dorf.
    "Zivilisation.", seufzte Sophia erleichtert.
    "Nicht wirklich.", entgegnete Fuchs, "Sieht wie ausgestorben aus von hier."
    Sophia nickte darauf und ging festen Schrittes und die MP40 im Anschlag in Richtung des Dorfes, welches ein paar hunder Meter vor ihnen lag. Auf dem weißen Aluminiumschild, das ein paar Meter vor dem Ortseingang stand und von einigen Einschusslöchern geprägt war, stand der Ortsname: Schellen. Ein größeres ovales Loch zwischen dem "e" und dem "ll" ließ den Namen allerdings zunächst wie Scheollen aussehen.
    "Was ist das hier?", fragte Sophia leise, als sie weiter in den Ort hineingingen. Die Häuser waren entweder völlig von Bomben zerfetzt oder von Ruß gezeichnet und sahen aus, als wären sie seit Jahren nicht mehr bewohnt. Dunkle Rauchschwaden stiegen aus den Ruinen einiger Häuser, was hieß, dass hier erst vor kurzem "aufgeräumt" wurde. Fuchs zog seine Pistolen aus den Holstern und schaute sich um.
    "Das hier ist entweder ein verlassener Ort oder ein Grab.", antwortete er. Obwohl das Dorf völlig zerstört aussah, waren keine Leichen sichtbar, was ihn stutzig machte. Ebenso schien es trotz der zunehmenden Dunkelheit immer wärmer zu werden, je tiefer man in den Ort hineinging. Dann plötzlich hörte er ein polterndes Geräusch aus einem der Häuser, das durch die verlassenen Straßen hallte. Die beiden wandten sich dem Gebäude zu, das halbwegs intakt aussah, selbst die meisten Fenster des alleinstehenden, zweistöckigen Wohnstallhauses waren noch nicht zerstört. Das mit Stroh bedeckte Dach hatte ein paar Löcher, aber ansonsten sah es noch halbwegs bewohnbar aus – von außen, zumindest.
    "Hallo?", rief Sophia, in der Hoffnung, dass jemand aus dem Haus heraus antworten würde. Sie erntete einen bösartigen Blick von Fuchs, der die Pistole in seiner rechten Hand auf ihre Lippen presste und "Pscht!" machte, bevor er sich wieder dem Bauernhaus zuwandte. Irgendetwas an dieser ganzen Sache jagte ihm Angst ein. Und er wollte wissen, was genau es war.
    "Bleib' hinter mir.", flüsterte er und ging mit vorgehaltenen Waffen zur Eingangstür des Hauses. Die Tür aus Massivholz stand sperrangelweit offen, sodass man bereits vom kleinen gepflasterten Weg durch den verdorrten Vorgarten hineinblicken konnte. Doch Fuchs sah nur Dunkelheit, die hinter der Tür wartete. Sie traten ein, und der Holzboden gab bei jedem ihrer Schritte ein mal mehr, mal weniger lautes Knarren von sich, das stets durch die engen Korridore hallte. Ab und an hielten sie inne, um zu lauschen, ob sich über oder unter ihnen etwas bewegte. Aber es tat sich nichts.

    Langsam bewegten sie sich durch den Korridor im Erdgeschoss und öffneten nacheinander jede der fünf Türen, die von hier aus nach links und rechts abgingen. Links befanden sich eine große, rustikal scheinende Küche und ein Raum, der wohl vorher als Esszimmer verwendet wurde, dem großen Eicheholz-Tisch in der Mitte des Raumes nach zu urteilen, welcher von sechs einfachen Holzstühlen umringt war. Geradezu befand sich ein Schlafzimmer. Das Bett hier drin sah alles andere als einladend aus, und das Grammofon, das auf dem kleinen Nachttisch daneben stand, sah auch nicht mehr ganz funktionstüchtig aus. Durch die vordere rechte Tür gelangte man in eine Art Voratskammer, in der sich allerlei Obst und Gemüse in Einmachgläsern befand. Hier wurde wohl bisher noch nicht geplündert, was Fuchs abermals zum Nachdenken brachte. Sophia hingegen stiefelte mit einem lauten, erleichterten Seufzer in den Raum, schnappte sich einen Jutesack, der mitten im Raum lag, und stopfte Einmachgläsern hinein, bei jedem "Und das kommt auch mit." murmelnd.

    Die hintere rechte Tür führte zu einem extrem engen Raum, in welchem eine morsch erscheinende Wendeltreppe ins Obergeschoss führte.
    "Sophia, komm' jetzt!", sprach Fuchs, und Sophia kam aus dem Raum, die Tasche voller Essen um ihre Schulter gehängt und die MP40 im Anschlag.
    "Hab' alles, wir können weiter!", sagte sie grinsend. Fuchs sah sie an, hob kurz seine linke Augenbraue und wandte sich wieder der Wendeltreppe zu, welche er im Begriff war zu erklimmen. Die Pistolen stets vor sich gerichtet – in Erwartung, dass jemand gleich heruntergestürmt käme, um die beiden zu überraschen.

    Oben angekommen, bot sich den beiden ein merkwürdiger Anblick. Das Obergeschoss war nur ein großer Raum, dessen Deckenhöhe durch die Dachschräge zwischen einem und drei Metern variierte. Der Raum sah vom ganzen Haus am gepflegtesten aus, drei Sofas standen – von den beiden abgewandt – in der Mitte, vor denen ein kleiner Tisch, auf dem einige Gläser und eine Schnapsflasche standen. Die Löcher im Dach ließen ein wenig Sonnenlicht in den Raum, wodurch es hier oben um einiges heller als im Erdgeschoss war.

    Fuchs sah sich um. Es wäre eine gute Verteidigungsposition. Und da es draußen dunkel wurde und die beiden so oder so irgendwo campieren mussten, entschloss er sich, mit Sophia dieses Dachgeschoss zu dem Zwecke zu verwenden. Er hatte bisher nur unter Brücken auf dem eiskalten Boden geschlafen, somit waren alte Sofas und ein löchriges Dach dem gegenüber ein Fortschritt.

    Nachdem die beiden eines der drei Sofas als Barrikade hochkant vor die Treppe gestellt hatten, setzten sie sich auf die verbleibenden zwei Sitzmöglichkeiten. Sie hatten auf dem Weg hierher noch nicht miteinander geredet. Höchstens Statusmeldungen wie "Ich gehe kurz in die Büsche." oder "Geh' in Deckung.", aber sonst gab es bisher keinen wirklichen Wortwechsel zwischen den beiden. Sophia öffnete die Schnapsflasche, die noch zur Hälfte voll war, und schenkte in zwei der Gläser etwas ein. Fuchs grinste.
    "Ha, ja das brauche ich jetzt.", sagte er und leerte das Glas in einem Zug. Ein wohliges, wärmendes Gefühl breitete sich in seinem Bauch aus, woraufhin er eine Zigarette aus der Tasche nahm und ansteckte. Sophia nippte nur ab und an an ihrem Glas und war zusehens in Gedanken vertieft. Fuchs wollte die unangenehme Stille brechen und fragte: "Wo kommst du eigentlich her?"
    "Aussig.", antwortete sie leise.
    "Tschechei?"
    Sie nickte. "Mein Vater war gebürtiger Russe, meine Mutter Sudetendeutsche. Und als ich zwölf war, kamen die Nazis und verwandelten unsere Stadt in eine Faschisten-Hochburg. Nachdem die Regierung uns verkauft hatte."
    "Ich höre gar keinen Dialekt.", sagte er und schenkte sich noch ein Glas ein.
    "Meine Eltern schickten mich auf eine deutsche Schule. Ich kann etwas tschechisch, etwas fränkisch, aber...", sie dachte kurz nach, "Nein, kein Dialekt."
    "Was ist mit den Eltern?"
    "Tot."
    Fuchs blickte ein wenig schockiert drein ob der Kühlheit, mit der sie das Wort aussprach und leerte sein Schnapsglas.
    "Wie ist das passiert?"
    "Ich hab sie umgebracht, bevor sie mir was tun konnten."
    Er sah sie an. Sie nestelte mit den Fingern, nach den richtigen Worten suchend.
    "Sie wollten deutscher sein als Hitler und Göbbels zusammen. Und als sie anfingen, unsere jüdischen Nachbarn an die Gestapo auszuliefern, unter ihnen meine beste Freundin; Als sie mich wieder und wieder schlugen, weil ich dieses Freikorps hasste und dies öffentlich sagte, weil ich Juden nicht ausliefern wollte, weil ich mich weigerte so deutsch zu sein wie sie, weil ich nicht in den BDM oder in die SdP oder sonst irgendwo eintreten wollte – da wusste ich, dass das nicht mehr meine Eltern waren. Selbst mein Vater legte seinen russischen Namen ab. Statt Sergej Korbucev hatte ich nun Siegfried Korbucev vor mir. Statt meiner Mutter eine Leitfigur des Bundes deutscher Mädels. Weißt du, da geschah etwas in mir." Sie hatte einen merkwürdigen Schimmer in den Augen, je mehr sie davon sprach. "Ich wusste, dass ich sie nicht umstimmen konnte, dass etwas in ihre Köpfe eingedrungen war. Also, eines Nachts, schlich ich mich in ihr Schlafzimmer, holte die Pistole meines Vaters aus dem Nachtschrank...", sie stockte. "Und dann flüchtete ich. Alleine."
    "Und bist in Gehennabach gelandet."
    Sie nickte. "Lag nicht allzu weit entfernt von der Grenze und war nicht von Krieg, Nationalsozialismus und anderem Schmutz befleckt. Zumindest solange, bis der Leit-Wolf kam und genau diese Sachen zu uns brachte."
    "Wann war das?"
    "'43."
    "Wie alt warst du da?"
    "Siebzehn. Wohnte im Keller einer älteren Dame namens Frau Heinze. Sie ist kurz nach der Ankunft der Wölfe gestorben. Nette Frau war das. Ein wenig komisch und sehr sehr vergesslich, aber nett. Als sie ihr Haus nicht hergeben wollte als Unterkunft, da erschossen sie sie. Und da ich die Einzige war, die noch dort wohnte und der das Haus nun quasi gehörte, war ich gezwungen, einige von ihnen dort wohnen zu lassen."
    Fuchs nickte bestätigend.
    "Naja, und als sie dann endlich auszogen und alle in der Dorfkirche ihren Unterschlupf hatten, da schützte ich die Schwartzmanns vor der Ermordung. Zwei Jahre lang. Zwei Ehepaare und ein Kind. Sehr sehr freundliche Menschen, die keiner Fliege was zuleide tun konnten." Sie schluchzte. "Und vor einer Woche kam von Dimsche, dieser... dieser...", sie schluckte, "Dreckige Hund, brachte sie raus. Erschoss zwei von ihnen auf der Stelle. Kettete einen auf mein Hausdach, wo er der Hitze ausgeliefert war. Brandmarkte mich mit dem Davidstern. Verbannte mich."
    Plötzlich stand sie auf, sprang mit einem Satz zu Fuchs und warf ihre Arme um ihn. Er klopfte ihr behutsam auf den Rücken, während sie weinte.
    "Er wird bekommen, was er verdient. Vertrau mir.", flüsterte er. Sie löste die Umarmung und starrte einige Sekunden zu Boden. Nun fiel ihr wieder die Kiste auf. Mit gedämpfter Stimme fragte sie wieder einmal "Was ist da eigentlich drin?" und lenkte so vom Thema ab, was ihr wohl ganz lieb war.
    Fuchs' Blick wanderte auch zur Kiste. Erinnerungen kamen hoch. Wenn sie ihm schon so sehr ihr Herz ausgeschüttet hatte, dann...
    "Nichts, was dich was angehen würde.", antwortete er und schob sie sachte beiseite, um ihr etwas anderes zu zeigen. "Hab sie einem Ami-Konvoi abgeluchst, wie die zwei hier." Er zog den Poncho aus. Darunter trug er ein weißes, im Gegensatz zu seiner restlichen Kleidung gepflegt und sauber aussehendes Hemd. Ein Schulterholster aus braunem Wildleder hielt links und rechts jeweils eine Pistole, die Griffe in Teakholz-Optik von ihm abgewandt. Er warf seine Zigarette in sein Schnapsglas, wo sie zischend erlosch, und zog die Waffen heraus. Aus mattem, dunkelgrauen Stahl waren Verschluss, Schlitten und die restlichen Teile, und allem Anschein nach waren die beiden Waffen Sonderanfertigungen, denn auf dem Griff waren mehrere Ziffern und ein Name eingraviert. Auf der einen der Name "Pekinpaczyc", auf der anderen "Wódiak".
    "Pistole 35p, basierend auf der Ami-Pistole Colt M1911. 8 Schuss im Magazin, eine im Lauf. 9mm-Parabellum-Kaliber.", zählte er die Daten der Waffen auf, "Treffsicher auf 100 Meter, wenn man richtig gut ist auf 200 Meter. Gehörten zwei Yanks eines Konvois, der von Freischärlern überfallen worden war. Soweit ich weiß, sind die Dinger hier eigentlich polnische Waffem – man muss nur auf die Namen gucken, die eingraviert sind – aber ich denke mal, dass die Yanks die Teile erbeutet hatten und mit nach Hause nehmen wollten."
    "Und...", fing Sophia an, "Was hat es mit der Kiste auf sich?"
    "Du brauchst nicht nochmal zu fragen, ich werd's dir nicht sagen."
    "Warum nicht?"
    Fuchs pausierte. "Sagen wir's so: Ich weiß, wie ich es einsetzen werde. Und gegen wen."
    "Vertraust du mir nicht?"
    "Nein.", antwortete Fuchs und sah sie eindringlich an. "Aber nimm's nicht persönlich, ich traue niemandem, nicht mal mir selbst."
    "Warum?"
    "Warum was?", fragte er und schaute sie verdutzt an.
    "Warum traust du niemandem?"
    Fuchs dachte nach und zündete sich derweil erneut eine Zigarette an. "Stell' dir vor, du wirst eingezogen. Du kämpfst, weil du denkst, es wäre richtig. Und dann siehst du ein, dass alles, wofür du kämpfst...", er stockte kurz mangels der passenden Worte, "... völlig sinnlos ist. Dass dein Oberkommandierender sich in die Heimat versetzen lässt, als er merkt, dass alles verloren ist. Und er dich vorher bei der Gestapo verpfeift, weil du laut gedacht hast." Zorn zeigte sich in seinem Blick. "Dann stecken sie dich in den Knast. Foltern dich. Wollen dich zu einem Geständnis zwingen. Erschießen links und rechts von dir Leute, mit denen du vor fünf Minuten noch über ihre Familie gesprochen hast.", nun wurde seine Stimme energischer, "Und darüber, dass dir deine weggenommen wurde, während du an der Front gekämpft hast. Gekämpft für eine Sache, die sich nicht lohnte." Er zog einige Male an der Zigarette und ließ blauen Rauch aus dem Mund entweichen. "Dann wurde das Gefängnis bombardiert. Ich bin ausgebrochen, zusammen mit ein paar anderen. Aber ich war der Einzige, der überlebte von der Gruppe. Hab mich die ganze Zeit von einer Konservenbüchse voller eingemachter Zwiebeln ernährt, Konvois geplündert.", er pausierte wieder. "Und nun bin ich hier..." Er beendete den Satz nicht.
    "... und willst den Leit-Wolf töten.", schloss Sophia für ihn ab.
    "Ja. Genau."
    "Das heißt, wir beide haben daselbe Ziel.", sagte Sophia bestimmt.
    "Richtig.", bestätigte er ihre Vermutung.
    "Gut.", sagte sie und lächelte mild. "Ich bin müde, ich werde eine Runde schlafen. In Ordnung?"
    "Ja. Ich passe solange auf. Ich weck dich wenn du mit Wache dran bist."
    "Gut.", sagte sie und legte sich seitwärts auf die Couch, seinen Poncho als Decke benutzend. "Ach, Fuchs?"
    Er drehte sich langsam zu ihr.
    "Danke für alles.", sagte sie und schloss die Augen. Sie schlief sofort ein. Oder zumindest sah es so aus. Fuchs blieb noch eine Zeit lang wach bevor es um ihn herum schwarz wurMusik.

    In seinem Kopf spielte Musik.
    Wie lange war er weg?
    Irgendwoher kam Musik.
    "Was...?", murmelte er und schaute panisch nach... Sophia lag noch da. Sie hörte anscheinend nicht das, was ihn aufgeweckt hatte.
    In seinem Kopf spielte Musik.
    Jetzt fiel es ihm wieder auf. Es war ein Lied, das er kannte.

    Als Bübchen mit heißem Verlangen
    Sah oft ich zum Nachbar hinein
    Dort sah einen Kirschbaum ich prangen
    Der lud mich zum Naschen ein


    Schöne Erinnerungen machten die Runden in seinem Kopf wie Pferde auf der Rennbahn. Im Wohnzimmer seiner Schwiegereltern sitzend, den Klängen der Chansons Franz Völkers lauschen (so wie dem hier), dabei Schokolade essen und ihre Hand halten.

    Die Kirschen ganz heimlich gestohlen
    Was besseres wusst' ich mir kaum
    Ich kroch durch den Zaun, sie zu holen
    Und klettert' auf Nachbars Baum


    Sie war wunderschön. Ihr blonden Haare wehten im Wind und ihre braunen Augen gaben ihm stets das Gefühl, zuhause zu sein. Sein Sohn Gustav wollte immer raus, egal wie nass oder kalt es war. Er wollte immer raus.
    Immer raus.
    Moment.
    Aus dem Erdgeschoss kam Musik.
    Er bildete es sich nicht ein und die schönen Gedanken waren schneller weg, als er sie behalten wollte. Er zückte die Pistolen, schritt zur Treppe und schob das Sofa beiseite.
    "Hey... was... machst du da?", sagte Sophia im schlaftrunkenem Ton. Er wandte sich zu ihr. Draußen war es bereits pechschwarze Nacht.
    "Lausch' mal.", sagte er knapp.
    Mit einem ungläubigen Ausdruck auf dem Gesicht flüsterte sie: "Hast du...?"
    "Nein.", unterbrach er, "Natürlich nicht. Ich gehe nachsehen. Du bleibst hier, aber sei auf der Hut, ja?" Sie nickte, und Fuchs machte sich daraufhin auf den Weg nach unten.

    Das Grammofon stand im Schlafzimmer geradezu, soviel erinnerte Fuchs noch. Hier im Erdgeschoss war es noch düsterer als oben, denn oben schien wenigstens der Mond durch die Löcher im Dach. Hier konnte er sich nur auf seine Instinkte verlassen. Seine Augen waren nachterprobt und er konnte ziemlich gut im Dunkeln sehen, aber würde das auch ausreichen? Er bekam ein wenig Angst bei dem Gedanken und steckte die Waffe in der linken Hand vorerst weg, um mit der nun freien Hand nach seinem Feuerzeug zu tasten, das in der Hosentasche war. Gefunden. Es ratschte kurz, und schon hatte er wenigstens einen kleinen Lichtkegel vor sich. Die Tür zum Schlafzimmer war offen.

    Jemand war hier gewesen.
    Oder war immer noch hier.

    Mit vorgehaltener Waffe schlich er in den Raum. Wie erwartet, drehte eine Schellackplatte auf dem Grammofon. Fuchs sah sich im Raum um. Hier war niemand. Nicht unter dem Bett, nicht im Kleiderschrank, nicht hinter der Tür. Wenn jemand hier im Haus war, dann wartete er darauf, dass Fuchs die Nadel von der Platte nahm. Fuchs hatte also zwei Möglichkeiten: Die Platte weiter spielen lassen und warten, was passieren würde. Oder die Pferde scheu machen.

    Er hasste Pferde.

    Und mit einem Fußtritt flog das Grammofon zu Boden. Die Platte hörte dementsprechend auf zu spielen. Der Trichter hatte sichtlich Schaden genommen und das Chassis des Gerätes lag offen auf dem Holzboden vor seinen Füßen.

    Plötzlich packte ihn etwas von hinten und riss ihn von den Füßen. Er krachte Kopf voran in den Kleiderschrank, dessen Holztüren sofort nachgaben und zerbarsten. Das immer noch entzündete Feuerzeug flog im hohen Bogen auf das Bett. Es brannte sofort lichterlohdank der dicken Staubschicht auf den Laken. Das Feuer griff sofort auf die Tapete über, eine Stichflamme schoss an die Decke und lenkte das Etwas ab, das Fuchs gerade von den Füßen gerissen hatte. Es stieß einen markerschütternden, gellenden Schrei aus, und das Feuer warf Licht auf das, was Fuchs als Kreatur misinterpretiert hatte: Ein hagerer Mann, der nur mit einer zerrissenen Hosen bekleidet war und höchstens 40 Kilogramm wog, bewaffnet mit einem 30 Zentimeter langen Messer, das er triumphal in die Luft hob. Sein Gesicht schien weiß bemalt zu sein, um die Augen herum bis unter die Tränensäcke hatte er allerdings schwarze Farbe aufgetragen. Er sah aus, als wäre er von den Toten auferstanden.

    Genug den Feind analysiert, dachte sich Fuchs.

    Er schoss dreimal auf den Mann, der nach hinten ins brennende Bett kippte und sofort Feuer fing. Zwei weitere seiner Art kamen in den Raum gestürmt, als Fuchs gerade wieder aufgestanden war, bewaffnet mit einer Sichel und einer Holzlatte, in welche ein paar Nägel geschlagen worden waren. Einer wurde von zwei Kugeln gegen die Wand katapultiert. Der andere schlug mit der Keule zweimal an Fuchs' Schädel vorbei, bevor er ihm erst mit dem Griff seiner Pistole einen über den Schädel zog, dann die andere Pistole aus dem Holster nahm und den am Boden liegenden Kerl mit einem gezielten Kopfschuss hinrichtete. Fensterscheiben klirrten in den anderen Räumen, jemand trat oder schlug gegen die Haustür.

    Irgendwer wollte ins Haus rein, egal wie. Urschreie gellten durch den Korridor. Hinter ihm zerbrach das Schlafzimmerfenster. Schüsse fielen, Kugeln pfiffen durch den Raum und schlugen in den Trümmern des Kleiderschranks ein. Fuchs warf sich auf den Boden. Das Feuer breitete sich aus. Er konnte nicht mehr länger hier bleiben, da der Qualm ihm langsam aber sicher das Atmen schwer machte. Zuviele Sachen auf einmal wirkten auf ihn ein. Er stieß ein lautes "Scheiße, verdammt!" aus und robbte aus dem Raum, als der Schütze vorm Fenster eine Feuerpause einlegte. Er stand auf und wollte zur Treppe rennen, da gingen zwei andere Türen auf, die zur Küche und zum Esszimmer. Fünf weißgeschminkte, abgemagerte Männer und Frauen rannten von da aus auf ihn zu, bewaffnet mit provisorischen Nahkampfwaffen wie Messern, Äxten und Spitzhacken. Fuchs eröffnete das Feuer. Sie zuckten bei jedem Einschlag, drehten sich, gestikulierten wild bei jeder Verletzung, die sie erlitten. Es war wie Ballet, bevor sie zu Boden fielen und nun nichts weiter waren als Hindernisse für ihre Kameraden, die in Heerscharen ins Haus einzudringen schienen. Er erklamm die Stufen so schnell es ging, hörte allerdings bereits hinter ihm die näher kommenden Schreie der anderen. Oben angekommen, eröffnete Sophia das Feuer auf ihn.
    "Nein! Nein! Ich bin's!", rief er und warf sich abermals zu Boden. Im Augenwinkel sah er einen Schatten die Treppe hochkommen, wandte sich in liegender Position um und durchlöcherte einen weiteren Wilden mit mehreren Kugeln. Die Leiche krachte quer durch die Treppe und zerstörte jede der morschen Stufen auf seinem Weg nach unten.
    "Was geht hier vor sich?", rief Sophia panisch.
    "Keine Ahnung, aber wir müssen hier irgendwie raus!", schrie Fuchs und rannte zu ihr.

    Aber wie sollte man einer solchen Situation entkommen?

    "Hast du 'nen Plan?", fragte Sophia und schaute in Richtung der Treppe. Fuchs bemerkte ein Knarren, das von oben ertönte. Sie waren auf dem Dach. Sie würden bald durch die Löcher kommen und sie umbringen.

    Das Dach.

    "Komm' mit!", schrie Fuchs, warf sich zunächst den Poncho und danach die Kiste auf den Rücken und rannte zu einem der Löcher in der Decke. Einige Pistolenschüsse später war es groß genug, um durchzusteigen. Einer der Wilden hatte dies auch bemerkt und sprang schreiend auf Fuchs, als er gerade herausklettern wollte. Sie stürzten zurück in den Raum.
    "Schieß!", schrie Fuchs Sophia zu, als ihm der Mann die Kehle mit seinen bloßen Händen zuschnürte.
    "Ich kann nicht! Ich kann ihn nicht anvi...!", fing sie an, doch Fuchs rammte dem Kerl eine seiner Pistolen Lauf voraus in den Rachen und drückte ab. Die Kugel trat aus dem Schädel des Angreifers heraus und zog eine blutige Fontäne nach sich. Fuchs schob ihn herunter, stand auf und packte Sophia wieder an der Hand.
    "Wenn ich sage, du sollst schießen – dann schießt du gefälligst! Jetzt sage ich: Wir hauen ab! Also was wirst du tun?"
    "Dir folgen.", seufzte sie und schluckte.
    "Gut.", sagte Fuchs und lockerte den Griff.
    Sie stiegen durch das Loch auf das Dach. Es war extrem morsch und knarrte bei jedem Schritt, den sie taten. Doch sie waren nicht alleine: Ein Dutzend oder mehr der Weißgesichter hatten nun über Leitern ebenso das Dach erklommen. Sie waren so gesehen umstellt. Fuchs sah sich um und stand nun mit Sophia Rücken an Rücken.
    "Was nun?", fragte sie panisch und visierte die langsam näher kommenden Männer nacheinander an, ohne sich für einen entscheiden zu können.
    "Ich denk' grade nach.", antwortete Fuchs mit einem nervösen Unterton. Alle zu erschießen wäre Blödsinn, sie wären schneller tot oder die Munition wäre schneller leergeschossen, als es ihnen gut tun würde. Vom Dach herunter zu springen, wäre ebenso eine dämliche Idee, sie würden sich die Beine verstauchen oder gar brechen und wären dann Freiwild für die Weißgesichter. Zudem hatte das Feuer nun schon das Dach erreicht, Rauchschwaden drangen aus den Löchern im Dach nach oben. Also sah Fuchs nur eine einzige Möglichkeit: Er setzte die Kiste vor sich ab, stets mit festem Griff packend, damit sie nicht herunterrutschen konnte.
    "Packst du jetzt endlich aus, was du da mit dir schleppst?", fragte Sophia mit einem erleichterten Tonfall.
    "Halt dich fest!", kommandierte Fuchs, das linke Knie auf der Kiste ruhend. Sophia schnellte herum.
    "Bitte, was?"
    "Halt dich an mir fest, Weib!", schrie Fuchs abermals und zog sie an sich heran. Einer der Wilden stürzte sich in dem Moment auf sie, verfehlte sie um ein paar Zentimeter und krachte durch das Dach hindurch auf den Boden des Dachgeschosses. Er witterte schon die Beute, also stellte er sich ein wenig weiter nach rechts, um mit seiner Mistgabel direkt nach oben zu stechen und die beiden zu erwischen. Klang nach einem guten Plan – bis Sophia auf Fuchs' Geheiß mit der Maschinenpistole einige Male ins Dach schoss. Und zwar einmal rund um die Kiste herum, welche dem Mann nun entgegenkam und ihn sofort erschlug. Sophia und Fuchs saßen auf ihr und klammerten sich fest, während sie mit der MP im Flug Löcher in den Boden des Dachgeschosses machte, die das Holz nachgeben ließen unter der Wucht der Kiste. So stürzten sie nun ins komplett vom Feuer vereinnahmte Erdgeschoss. Sophia feuerte Löcher in den Erdgeschossboden; hoffend, dass dieses Haus einen Keller hatte. Die Weißgesichter verließen laut schreiend das Gebäude, welches um Fuchs und Sophia nun begann, zu kollabieren. Holzscheite und-splitter flogen durch den Raum und kamen den beiden entgegen, Funken sprühten, es knirrschte, knarrte.
    Bitte bitte hab einen Keller du verdammtes Scheißhaus!, dachte Fuchs und schloss die Augen, den Aufprall abwartend.

    Die Landung war hart, schmerzhaft und den beiden folgte glühender Schutt in den Keller, der den Raum etwas erleuchtete. Wie ein Wasserfall sprudelte Glut in einem Rinnsal herunter. Alles schmerzte in Fuchs' Körper. Seine Beine waren etwas mitgenommen von diesem Fall in die Tiefe. Dennoch robbte er zu seiner Truhe, die direkt unterm Rinnsal auf der Seite lag, und zog sie an sich heran, damit sie nicht noch mehr Glut abbekommen konnte. Mit der flachen Hand schlug er auf die kleinen Flämmchen ein, die den Deckel der Kiste vereinnahmen wollte, und löschte sie so gerade rechtzeitig. Er schaute sich nun um. Im Dämmerlicht sah er, wie sich Sophia ein paar Meter von ihm entfernt laut stöhnend in eine halbwegs aufrechte Sitzposition begab.
    "Hans?", fragte sie in den Raum, einen wehklagenden Unterton in der Stimme.
    "Ja. Hier.", antwortete er und stand langsam auf. Seine Beine waren zwar etwas lädiert, aber gebrochen hatte er sich nichts. Jetzt musste er nur noch hoffen, dass es Sophia gut ging.
    "Ich... ich kann nichts sehen, ich...!", sagte sie und sah sich um. Langsam kroch sie weg von ihm.
    "Nein, ich bin hinter dir, hier!", rief er und versuchte, unter diesen Sichtverhältnissen auszumachen, was los mit ihr war.
    Dann drehte sie sich um.
    Ein Holzsplitter, einige Zentimeter lang und dick, war dort, wo vorher ihr linkes Auge war.
    "Scheiße!", stieß Fuchs aus, fiel vor ihr auf den Boden und begutachtete die Wunde.
    "Was... was ist los?", fragte Sophia, eine lethargische Ruhe in der Stimme. Sie bewegte die linke Hand zu ihrer Augenpartie, aber er hielt sie rechtzeitig davon ab, indem die Hand festhielt.
    "Nicht – anfassen!", sagte er drohend und fokussierte die Wunde. Das linke Auge war – gelinde gesagt – zerstört. Sie konnte froh sein, dass ihr rechtes Auge nichts abbekommen hatte, mit welchem sie ängstlich von links nach rechts blickte, um sich dessen selbst zu vergewissern. Ruß war rund um den Splitter und vermischte sich mit Blut, wodurch dieses eine bräunliche Färbung bekam. Das Stück Holz verhinderte zum Glück eine allzu starke Blutung, aber das hieß auch, dass man es nicht einfach so mir nichts. dir nichts entfernen konnte.
    "Was ist mit meinem Auge?", fragte Sophia.
    Fuchs entschloss sich, ihr die Wahrheit zu sagen. "Es ist weg."
    "Weg?"
    "Du hast 'nen Holzsplitter im Auge, einige Zentimeter dick. Wenn ich den rausziehe, wird das verdammt wehtun. Und ich hab nichts zum Desinfizieren hier, also kann ich nichts machen im Moment, ich..."
    Sophia unterbrach ihn und deutete mit einem Kopfnicken auf den Schuttstapel.
    Fuchs drehte den Kopf, schaute kurz die Glut an und wandte sich wieder Sophia zu. "Bist du dir sicher?"
    "Ja."
    "Es wird dich vielleicht umbringen. Ich kann für nichts garantieren."
    "Egal. Tu's."

    Fuchs ertastete am Boden einen kurzen, aber recht dicken Holzstab, welchen er Sophia in die Hand drückte. Sie sah ihn immer noch stoisch an und rührte sich nicht vom Fleck.
    "Es wird höllisch wehtun.", sagte Fuchs.
    "Es kann kaum mehr wehtun als das Ding in meinem Auge.", antwortete sie kühl.
    Langsam legte sie sich auf dem Boden, den Blick auf Fuchs gerichtet und das Stück Holz fest mit der Hand umklammernd. Währenddessen kroch er zu dem Schuttstapel und zog einen ein Meter langen Holzscheit heraus, der am einen Ende glühte. Sie zitterte vor Angst.
    "Du ziehst es raus und hälst mir dann die Glut dahin, richtig?", fragte sie, das Schlimmste befürchtend.
    "Richtig.", bestätigte Fuchs.
    "Gut.", sagte sie und tat sich das Stück Holz, das er ihr gegeben hatte, in den Mund. Sie war tapfer für eine Frau, das musste er ihr lassen. Und in diesem Moment war ihm klar, dass er zwei Möglichkeiten hatte: Entweder beendete er ihr Leiden und erschoss sie, bevor sie am Schock draufging. Oder er gab ihr zumindest das Gefühl, dass sie gerettet werden könnte. Das zweitere hatte nicht wirklich hohe Chancen für sie. Entweder hätte sie Glück und könnte so weiterleben – oder sie würde an den Schmerzen krepieren. Wie auch immer: Es würde für beide Partein nicht schön werden. Sie hielt seine rechte Hand mit beiden Händen fest. Er erwiderte den Händedruck und sah sie an.
    "Alles wird gut.", sagte er und bewegte seine linke Hand langsam zu ihrem linken Auge. "Nicht bewegen." Zur Sichheit fixierte er ihre Arme mit seinem linken Bein, damit sie nicht ausschlagen konnte. Noch einmal schnell gucken: Der Stab mit der Glut lag ein paar Zentimeter neben den beiden, direkt in Griffnähe. Er würde es ganz schnell machen, er hatte so etwas ähnliches bereits in Stalingrad bei einem Kameraden gemacht: Objekt raus, veröden, abwarten. Hat eigentlich immer geklappt. Leider starben sie trotzdem immer wieder. Vielleicht war heute sein Glückstag. Ihrer war es definitiv nicht. Egal. Er stieß einen lauten Seufzer aus und schritt zur Tat.

    Sie schrie. Sie schrie nicht nur, aller Schmerz dieser Welt manifestierte sich in einem bitteren Urschrei, der selbst die Weißgesichter-Kriegsschreie im Vergleich armseelig aussehen ließ. Das Stück Holz im Mund half rein gar nichts, sie konnte vor lauter Geschrei nicht draufbeißen. Und er hatte noch nicht einmal den Splitter rausgezogen, sondern ihn nur gegriffen. Noch einmal saufzte er laut. Ruckartig zog er das Ding heraus, eine kleine Blutfontäne folgte aus der nun klaffenden Wunde. Unter seinem Knie machte sie derweil mit ihren Armen spastische Bewegungen und kreischte nur "Hör auf! Hör auf!". Als ob er jetzt aufhören konnte. Er griff zum Stab und drückte das glühende Ende einige Sekunden auf die Wunde. Es zischte, so als ob man eine Zigarette in Wasser werfen würde. Schwarz färbte es sich auf der Haut um das glühende Ende, wodurch das blutrot etwas verdeckt wurde. Sophia gab noch einen letzten markerschütternden Schrei als Reaktion darauf von sich, bevor sie ohnmächtig liegen blieb, das verbleibende Auge weit aufgerissen und den Mund geöffnet. Dort, wo vorher ihr linkes Sehorgan war, war nun nichts weiter als ein schwarzer Fleck, den es schnell zu verbinden galt. Dem kam Fuchs so schnell es ging nach.

    Klar, er wusste, dass diese Aktion sie umbringen konnte – aber insgeheim hoffte er darauf, dass sie es überleben würde. Ansonsten wäre für sie dieser Weg umsonst gewesen, und er hasste es selbst, sich sinnlos zu opfern. Sie hatte Recht: Er brauchte sie, sie brauchte ihn. Und sie würde sich ja später vielleicht noch anderweitig als nützlich erweisen. Denn obwohl ihr Auge fehlte, war sie in seinen Augen immer noch recht hübsch. Sorgsam machte er den Druckverband auf die verödete Stelle, während er darüber nachdachte, und fixierte ihn durch eine Bandage, die er ihr einmal um ihren Kopf herum auf Stirnhöhe anlegte. Nach getaner Arbeit steckte er sich eine Zigarette an, blieb neben ihr hocken und wartete darauf, dass sie aufwachte. Falls sie aufwachen sollte.

    Kapitel 3 – Der Limey

    Er verstand kein Wort Deutsch. Allerdings erkannte er an ihrer Mimik und an ihren Augen, dass sie ihn nicht willkommen hießen. Er passte nicht ins Gesamtbild dieses Etablissements mit seiner extrem sauberen, olivgrünen Offiziersuniform und seinem dazu passenden dunkelgrünen Barrett auf dem fast schon quadratisch geformt wirkenden Schädel. Flankiert von zwei weiteren in olivgrünen Uniformen gekleideten, den Mannschaftsdienstgraden angehörigen Soldaten betrat er die einzige Kneipe dieses Dorfs. Feindselige Blicke hagelten förmlich auf ihn ein, allerdings spürte er zu seiner eigenen Überraschung ein recht geringes Unwohlsein. Ein Limey, so kurz nach dem Sieg der Alliierten über den Nationalsozialismus – ja, ihm käme es wohl auch merkwürdig vor, wenn nach ihrem sogenannten "Endsieg" ein Dutzend Nazis in seine Stammkneipe in Birmingham einmarschieren würden, ohne ein Wort zu sagen, kurz nachdem sie "versehentlich" die Nachbardörfer in die Luft gesprengt hätten. Naja, ihn hätte es eher weniger interessiert, da er kurz nach dem Ausbruch des Krieges mit seiner Familie aus England in die Vereinigten Staaten geflohen war. Und nun war er im Namen des Konzils zur Aufarbeitung Deutscher Kriegsverbrechen in der amerikanischen Besatzungszone unterwegs.

    Vorbei an den Eichenholztischen inklusive der dazu passenden, einfachen Holzstühle; vorbei an den darauf sitzenden Gästen, fünf an der Zahl, allesamt augenscheinlich ehemalige Soldaten, Anhänger des Volkssturms oder einer ähnlich gearteten Institution; vorbei an zwei ••••n in dreckigen Sommerkleidern, die sich halbherzig geschminkt hatten und auf einem der Tische saßen – jede mit einem Blick in den Augen, als hätten sie auf seine Ankunft gewartet. Nein, er war nicht in Stimmung. Die Staubpartikel in der Luft brachen hier und da das Licht, welches durch die geöffnete, massive Eingangstür aus behandeltem Holz drang, und tauchte das Innere der kleinen Eckkneipe in ein orangefarben angehauchtes Licht. Es war hier drin unwahrscheinlich warm, so wie draußen. Als der Limey mit seinen zwei Fußsoldaten am Tresen angekommen war, welcher knappe zehn Meter von der Eingangstür entfernt war – die dem Major gerade wie ein Kilometer erschienen – setzten sie sich an den Tresen auf die drei freien, halbwegs intakten Barhocker.

    Der Limey konnte – wie gesagt – kein Deutsch, weshalb er ständig die zwei Corporals Cameron und Carpenter um sich herum haben musste, zwei britische Soldaten mit deutschen und österreichischen Wurzeln, die sich freiwillig gemeldet hatten als seine Begleiter auf dieser Reise. Sie wussten selbst nicht genau, worum es ging. Sie wussten nur, dass sie für den Limey übersetzen, auf ihn aufpassen und den Wagen fahren mussten, der in diesem Augenblick vor der Tür stand. Sie mochten ihn nicht besonders, von seiner merkwürdigen exzentrischen Art bis hin zu seinen teilweise extrem, sagen wir, "ausgefallenen" Verhörmethoden und seiner Verschwiegenheit den beiden gegenüber war ihnen der Mann unheimlich. Aber Befehl ist nunmal Befehl, und jetzt waren sie halt hier, mitten im tiefsten Ostbayern. Und sie kamen der tschechischen Grenze jeden Tag etwas näher auf der Suche nach den verbleibenden Kriegsverbrechern, die der Major im Namen von Krone, Vaterland und der Yankees aufspüren und zur Strecke bringen sollte. Alles, natürlich, unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit der hierfür zuständigen Ministerien. Die Prämisse lautete prinzipiell: "Findet Ex-Nazis und Noch-Nazis, nehmt sie gefangen und/oder richtet sie auf der Stelle hin, hauptsache wir kehren ein wenig den Scherbenhaufen zusammen, den wir hinterlassen haben in der Region.". Und so gingen sie dementsprechend auch vor.

    Der Major hatte eine Liste erhalten, die er stets zusammengefaltet in der Innentasche seines Mantels mit sich trug. Eine Liste mit Namen von eben solchen Nazis. Jeden Tag strich er einen Namen durch, weil er jeden Tag wieder einen fand, sei es als Wegelagerer im Gebüsch neben einer Landstraße, als liebender Familienvater oder als neuer Besitzer einer weitestgehend vom Krieg verschonten Dorfkneipe. Robert Hess war letzteres, vielleicht auch zusätzlich zweiteres. Wer wusste das schon genau. Zitternd stand er da, die Hände auf den Tresen gestemmt, hinter ihm ein Regal voller Schnäpse, Weine, Whiskys und Biere – und direkt vor ihm saß der Limey und sah ihn mit seinen schlitzförmigen, stechend grünen Augen an. Kurz strich sich der Major mit der Hand über seinen Schnauzbart, nahm das Barrett ab und wischte sich mit derselben Hand den Schweiß von der Stirn, der sich in den letzten fünf Minuten gebildet hatte. Der Kerl ihm gegenüber wusste genau, warum er hier war.
    "English?", fragte er mit einer rauchigen, tiefen Stimme und setzte sich das Barrett wieder auf.
    "No Englisch.", sagte der Kneipenbesitzer kopfschüttelnd nach ein paar Sekunden des Schweigens. Er hatte die Hände weiterhin auf den Tresen gestimmt und blickte dem Limey tief in die Augen. Er wollte sich nicht die Blöße geben, keine Angst zeigen. Doch das war leichter gesagt als getan.
    "He doesn't speak English, Sir.", bestätigte Cameron die Aussage des Mannes für den Major.
    "Well, I heard that, too. Thanks.", antwortete der Major mit einem sarkastischen Unterton. "So, would you please if you dare?"
    "Yes, Sir.", antwortete Cameron, ein Jungspund von 19 Jahren, der bis zu seinem 14. Lebensjahr in Nordbayern gelebt hatte. Selbst ein halber Jude, verstand er die Flucht seiner Mutter vor dem Nazi-Regime vollkommen, die ihn alleine erzogen hatte, nachdem sein Vater an einer Lungenentzündung gestorben war. Er hatte nicht viel gesehen vom Krieg, er hatte lediglich beim Wiederaufbau eines versehentlich von der Royal Air Force bombardierten Dorfes in der Nähe des Kaffs geholfen, in welchem sie sich jetzt befanden. Er beugte sich ein wenig nach vorne und stellte sich dem Barkeeper vor:
    "Grüß Gott, mein Name ist Martin Cameron, ich, ähm, bin der Übersetzer für Major Mortimer Palance, welcher Ihnen einige paar Sachen zu sagen hat. Ähm, Sie sind der Besitzer der Bar hier?"
    "Ja.", antwortete der Mann knapp.
    "Herr Robert Hess, richtig?"
    "Ja."
    Cameron wandte sich dem Major zu und sagt: "He is Robert Hess, Sir.", um als Antwort ein schnippisches "I never would have guessed that, Corporal!" vom Major zu erhalten, welcher ergänzte: "Stick to translating please and leave the talking to me, alright?"
    "Alright, Major Sir.", antwortete der Corporal und wandte sich wieder dem Mann hinterm Tresen zu. Major Palance setzte sich so gerade hin auf seinem Hocker, dass sein Oberkörper in einem fast perfekten 90 Grad-Winkel zu seinen Oberschenkeln stand, und begann zu Hess zu sprechen.
    "Well, first of all: Pleasure to meet you, Sir.", begann der Limey-Major mit einem deutlich heraushörbarem britischen Akzent, "My name is – as my fellow next to me already told you – Major Mortimer Palance, United States Army. I'm here in the name of the Office of Military Government for Germany, or in short OMGUS, to be precise: The departement for prosecution of Axis criminality."
    Cameron wartete, bis der Major ausgeredet hatte, um zu übersetzen: "Guten Tag erst einmal, mein Name ist, wie mein Kamerad bereits sagte, Major Mortimer Palance, United States Army. Ich bin hier in Namen der, ähm, Verwaltungsrat der amerikanischen Besatzungszone. Genauer gesagt, ähm, im Namen des Konzils zur Verfolgung und Ahndung von Kriegsverbrechen der Achsenmächte."
    Hess schwitzte nun noch stärker als zuvor, als wüsste er genau, worauf das hier hinauslaufen würde. Seine Hände hatte er schon zu Fäusten gemacht, als Palance begonnen hatte zu sprechen. Der Schweiß an seinem Körper gab dem weißen Hemd, das er trug, einen gräulichen Ton und unter der weiten Leinenhose sah man, wie seine Knie zitterten. Sein gesamter, etwas fettleibiger Körper, schien in Bewegung zu sein vor lauter Angst.
    "My visit is not a coincidence at all, as you may have guessed. I'm here because you are a Nazi. Or, rather, because you were a Nazi. A follower of orders that violated human rights all around the world, I mean you have a very substantial military record in the SS, Mister Hess.", sagte der Major und kramte in seiner ledernen Umhängetasche nach Hess' Militärakte. Derweil übersetzte Cameron:
    "Mein Besuch ist keine Zufall, wie sie vielleicht wissen. Ich bin hier weil Sie ein Nazi sind, beziehungsweise waren. Sie haben wirklich eine sehr umfangreiche, ähm, Militärakte. Der Major sucht das gerade, denke ich.", sprach der Corporal und bemerkte erst jetzt, dass sein Deutsch nicht mehr allzu perfekt war wie noch vor ein paar Jahren.

    Hess' Augen waren weit geöffnet vor Panik. Carpenter stand auf, schritt durch die Kneipe und schloss die 'Kneipentür, da er bereits wusste, was gleich passieren würde. Er hatte es schon so oft erlebt. Wie Leute durchdrehen, verrückt werden wenn sie mir ihrer Vergangenheit konfrontiert werden. Und wie laut und blutig es aufgrund dessen werden kann. Er postierte sich vor die Tür und beobachtete die Gäste, welche entweder allesamt oder größenteils Freunde und Unterstützer Hess' waren. Carpenter sprach nicht gerne, vor allen Dingen nicht deutsch, weshalb Cameron die meiste Übersetzungsarbeit leistete. Carpenter hingegen schämte sich für seine Herkkunft und für das Land, in welchem er geboren wurde, bevor sein Vater mitsamt der Familie in die Vereinigten Staaten emigrierte und dem Militär beitrat. Genauso tat es der Sohn dann auch als er 18 wurde. 1940 wurde er eingezogen und hatte in den folgenden fünf Jahren alles mögliche erlebt. Von Sizilien über die Normandie bis hin zur Ardennenoffensive – überall hatte Carpenter mitgewirkt und überall hatte er Narben abbekommen. Die einen mehr, die anderen weniger bedeutend für ihn. Und da die Narben für sich sprachen, hatte der Mann irgendwann einfach beschlossen, nur noch so wenig wie möglich zu reden. Und er fuhr ganz gut mit dieser Methode. Nichts zu sagen war das beste, was man in den meisten Situationen tun konnte. Und da er in der Schlacht um La Roche einen Streifschuss am Kehlkopf abgekriegt hatte, war ihm das Sprechen so oder so fast unmöglich geworden – was so gesehen ganz gut in seinen Plan passte. Auch wenn ihn bis heute die Erinnerungen plagten an die Nacht, in welcher er alleine, umringt von seinen toten oder schwer verwundeten Kameraden, in einem Granatenkrater lag und sich selbst die Halswunde mithilfe eines alten Schminkspiegels, einer dreckigen Nadel und eines Bindfadens nähen musste, um nicht zu verbluten.

    Palance hatte derweil die Akte gefunden, ein Stapel Papiere, in Leder gebunden, aussagekräftiger als jede Anklage, jedes Wort, jeder Vorwurf. Palance blätterte mit der rechten Hand durch die Akte, den linken Ellenbogen auf der Theke und sein Kopf auf der linken Hand ruhend, als wäre er in seiner Denkerpose. Bei jeder umgeblätterten Seite schien Hess nervöser zu werden, ebenso seine Freunde, die er allesamt abwechselnd ansah. Sie rührten sich nicht vom Fleck. Einer von ihnen rauchte eine Zigarette und durchlöcherte Carpenter mit seinem Blick – die rechte Hand stets unterm Tisch vor ihm ruhend.
    "Well, now this is amazing, Mister Hess: Attendant of the concentration camp Dachau, after that attendant of the adit in Wetzlar called 'Aal'... Aal, what's that mean, Corporal?", unterbrach der Major sich selbst.
    "Erm, it means 'Eel', like the fish.", antwortete der Corporal. Der Major blieb ein paar Sekudnen lang ruhig, um dann für circa zwanzig Sekunden in unkontrolliertes Gelächter auszubrechen. Er wischte sich mit der linken Hand über die Augen und sagte, immer noch schluchzend vor lachen: "Who names a bloody adit like a fish? That's so silly."
    "Warum lacht der Limey? Sehe ich etwa aus wie ein Witz?", unterbrach Hess die heitere Stimmung. Die Fingernägel bohrten sich bereits ins Fleisch der Innenseiten seiner Hände, ein wenig Blut floss auf den Tresen.
    "Nein, nein, er lacht wegen des Name für den Stollen in den Sie Aufseher waren nach Dachau. 'Aal', Sie wissen schon.", versuchte Cameron zu schlichten.
    "Niemand veralbert mich in meinem Laden vor meinen Freunden!", sagte Hess mit einem aggressiven Ton in der Stimme.
    "Niemand veralbert irgendwer, Mister Hess!", antwortete Cameron und wurde zunehmend hektischer. Der Major hingegen grinste immer noch.
    "Ich will, dass Sie verschwinden. All das liegt bereits weit hinter mir. Und wenn ich schon angeklagt werde, möchte ich einen Prozess. Ich hab das Recht auf einen Prozess!", rief Hess und haute mit beiden Fäusten auf den Tresen. Der Major packte den Mann mit beiden Händen am Hemdkragen und zog ihn an sich heran. Ein paar Momente sah er ihm nur tief in die Augen ohne zu zwinkern. Dann flüsterte er ihm zu:
    "Listen, mate. Listen very fucking carefully. I can do whatever the bloody hell I want around here. This is my territory, my zone, my goddamn space. I'm the judge and jury right about now. I charge, I judge, I execute – and I have the license given by the President of the United States and the Queen to do so. So, I assume you better calm the hell down or I will blow your bloody Nazi-ridden head off, you understand?"
    Einige Sekunden lang lag eine Totenstille im Raum. Carpenter hatte während des Streits schon einmal vorsorglich seine Thompson Maschinenpistole durchgeladen, legte allerdings noch nicht an um einigermaßen deeskalierend zu wirken. Cameron seinerseits hatte bereits seine Sten Maschinenpistole durchgeladen und richtete sie auf Hess.
    "Translate, Cameron!", befahl der Major und brach damit die Stille.
    Cameron schluckte und begann: "Der Major sagte, dass..."
    "Nun, ich kann mir vorstellen, was er gesagt hat.", unterbrach Hess. "Sowas in der Art wie 'Ich kann machen was ich will, denn ich habe gewonnen.' Er vergisst dabei, dass es hier in der Gegend noch genügend Leute gibt, die den Krieg noch nicht als beendet ansehen. Und es auch nie tun werden aufgrund von Arschlöchern wie ihm!"
    "He said you're an asshole and that there are enough people who still want to keep the war going."
    "Ask him what he means by 'keep the war going' and who is behind that."
    "Wie meinen Sie das mit 'Krieg nicht als beendet ansehen'?"
    "Was ich meine, ist jemand, der bestimmt auch schon auf seiner Liste steht.", antwortete Hess und sprache die folgenden Worte aus, als würde der Mann von dem sie sprachen zuhören. Ehrfurcht, Angst, alles mischte sich in seiner Stimme, als er den Namen aussprach: "Von Dimsche, der Leit-Wolf."
    Des Majors Gesicht zeigte keinerlei Emotion, als Hess den Namen aussprach. Er ließ allerdings langsam von ihm ab. "Tell me where he is."
    "Wo ist Dimsche?", übersetzte Cameron, die Sten weiterhin im Anschlag.
    "Gehennabach, nahe der tschechischen Grenze. Kurz hinter Schellen, dem Dorf das die Royal Air Force dem Erdboden gleichgemacht hatte. Sie müssen da durch, um zu Dimsche zu kommen"
    "Ja, ich hatte davon gehört. Die Panzerfabrik, die in Wirklichkeit nur eine Schule war."
    "Genau. Dabei war es nichts weiter als ein Zufluchtsort für diejenigen, die Schutz vor Dimsche suchten."
    "Juden?"
    "Vor allen Dingen."
    "Vielleicht auch Juden, die Schutz vor Leuten wie Sie suchten?"
    "Mag sein. Interessiert mich nicht. Ich will das Ganze nur so schnell wie möglich vergessen."
    "Is he your best friend now, Corporal?", fragte der Major mit einem ironischen Ton in der Stimme.
    "No, he told me about Dimsche. He's hiding out in a village called Gehennabach, it's near the Czech border."
    "I heard something about that village called...", der Major führte den Satz nicht zuende.
    "Schellen."
    "Right, Schellen."
    "Yes, he told me we need to pass it to get to Gehennabach."
    "No no, there has to be a way around it. Ask him if there's another way."
    "Gibt's ein anderer Weg als durch Schellen?"
    "Wieso? Haben Sie Angst davor, durch eine Ruine zu laufen, die Ihre Leute verursacht haben?"
    "He asks if we are scared of the ruins we have to answer for, pretty much."
    "Of course not!", der Major wurde ungeduldig und er sprach nun lauter. "Tell him that it was a mistake and that mistakes are done in war all the time. He should know best."
    "Es war ein Fehler und Sie sollten wissen, was für Fehler man in Krieg machen kann.", folgte Cameron den Anweisungen. Die Sten war weiterhin auf den Barmann gerichtet.

    Carpenter wurde langsam ebenfalls nervös und schaute jeden einzelnen der Anwsenden abwechselnd an. Da waren der Kettenraucher, der Mann im gestreiften Pullover, welcher einen großen, geschlossenen Korb auf dem Tisch vor ihm zu stehen hatte, ein Mann mit langen blonden Haaren, welcher von Carpenter aus gesehen rechts in der Ecke saß, ihm gegenüber ein Mann im weißen Unterhemd. Und links von Carpenter saßen in der Ecke zwei Typen in nur partiell angezogenen Wehrmachtuniformen, was hieß, dass sie die steingrauen Hosen, Hemden und Stiefel trugen, allerdings nicht die Feldblusen und Helme. Zudem trugen sie keine Dienstgradabzeichen und waren diejenigen, die am panischsten von allen im Raum dreinschauten. Die ••••n kauerten mittlerweile links hinterm Tresen und schauten alle paar Minuten ums Eck in den Raum hinein, um sich zu vergewissern, dass noch niemand geschossen hatte. Woher Carpenter wusste, dass sie ••••n waren? Wusste er selbst nicht, er schätzte es nur aufgrund ihrer lüsternen Blicke und ihrer verschmierten Schminke, aufgrund ihres allgemeinen Erscheinungsbildes. Sie passten perfekt zu den verdreckt und psychotisch wirkenden Gestalten in dieser Spelunke.

    "Ich habe Fehler gemacht, aber im Namen von anderen. Was hätte ich tun sollen? Nichts? Und mich umbringen lassen? Wäre das besser gewesen?", entgegnete Hess derweil. Langsam bewegte er die Hände auf dem Tresen zu sich an den Rand.
    "He asks what he should've done, if he, erm, should've done nothing and get himself killed?", teilte Cameron dem Major mit.
    Dieser sah nun erst Cameron und dann Hess an und sagte: "It would not have mattered, Mister Hess. We all die someday. Some sooner, some later. That's the only important thing in this world."
    Cameron überlegte, wie er das am besten übersetzen sollte, in Erwartung auf das, was unweigerlich folgen würde. Er hatte bereits das Klicken eines Pistolenabzugs hinter sich gehört – und das Geräusch kam definitiv nicht von Carpenter. Cameron drehte seinen Kopf etwas nach links, um seinem Kameraden an der Tür durch ein Kopfnicken zu signalisieren, dass er sich bereithalten sollte. Dann wandte er sich langsam wieder Hess zu und sagte kühl:
    "Der Major sagt, es gäbe nur eins, das wichtig wäre: Dass man sterben muss. Und das 'Wann' und 'Wie' spielen dabei keine Bedeutung."
    Hess nickte langsam, grinste kurz verschmitzt und sagte: "Das stimmt."
    Dann ging alles rasend schnell.

    Der Kerl mit dem Korb stand ruckartig auf, öffnete den Korb und zog etwas heraus, das wie ein Gewehr aussah. Bevor er es benutzen konnte, mähte ihn Carpenter um. Blut spritzte aus den zahlreichen Einschusslöchern, die er erlitt, bevor er zu Boden ging. Carpenter riss die immer noch feuernde Maschinenpistole nach links, bis sie auf die beiden halbuniformierten Soldaten gerichtet war. Diese hatten die Hände in die Höhe gerissen und und mit panischen Gesichtsausdrücken "Nein!" geschrien, doch es war zu spät. Als hätte er einen Tunnelblick, sah Carpenter nur den Feind vor sich. Einige Schüsse, bis das Magazin leer war, und die beiden Ex-Soldaten sackten leblos zu Boden. Cameron sah im Augenwinkel, dass der Kettenraucher eine Mauser-Pistole von unterm Tisch hervorholte und sie auf den Major richtete, der immernoch seelenruhig an der Bar saß. Der Corporal riss die Sten herum und feuerte blindlings auf den Mann mit der Pistole, welcher mit einem Dutzend einschusslöchern zu Boden sackte und dabei den Tisch, an dem er bis eben gesessen hatte, mitsamt der Flaschen die darauf standen umriss. Nun mischte sich das Geräusch von zerbrechendem Glas unter die Schussgeräusche und die Todesschreie. Cameron bemerkte Bewegungen am anderen Ende der Theke und gab einige Schüsse ab, die durch eine Tischplatte einschlugen und kurze, hochstimmige Laute nach sich zogen. Die beiden ••••n, richtig. Sie sollten die zivilen Opfer so gering wie möglich halten, hieß es. Doch als es vorbei war, waren innerhalb von ein paar Sekunden sechs Menschen durch ihre Hand gestorben. Der Langhaarige und sein Unterhemd tragender Kumpel kauerten unter einem Tisch, laut vor Angst atmend.

    Cameron richtete die Sten wieder auf Hess. Der Major sah den Barmann eindringlich an. Er wusste, was folgen würde.
    "Bitte, Herr Major. Kann ich noch etwas sagen?", fragte Hess mit bebender Stimme.
    "He asks if he's allowed to ask you a question.", übersetzte Cameron ohne die Augen von Hess zu lassen.
    "Sure, go ahead.", antwortete der Limey ruhig und nickte dabei verständnisvoll.
    "Sagen Sie ihm, ich eri...", fing Hess an. Allerdings konnte er den Satz nicht mehr zu Ende bringen, so schnell wie der Limey seinen Smith & Wesson-Revolver gezogen und alle sechs Kugeln die sich in der Trommel befanden in Hess' Bauch gejagt hatte. Wie ein nasser Sack fiel er nach hinten über und knallte mit voller Wucht gegen das Alkoholregal hinter ihm, was bewirkte, dass einige Dutzend Flaschen voll mit feinstem Alkohol herunterfielen, zerbarsten und sich ihr Inhalt quer über seine Leiche und den Boden hinter der Theke ergoss.

    "Let's go. We're done here.", befahl der Limey knapp und stieg vom Barhocker herunter, zielstrebig auf die Ausgangstür zumaschierend. Als er am immernoch an der Tür stehenden Carpenter vorbeiging, flüsterte er kurz "No witnesses." und verließ die Spelunke, Cameron dicht hinter ihm. Draußen hörten sie vier Schussgeräusche aus dem Gebäude hallen bevor auch Carpenter die Kneipe verlassen hatte, einen gewohnt stoischen Gesichtausdruck zeigend. Cameron stieg ins Auto, am ganzen Leib zitternd. Es war imemr daselbe seitdem er den Auftrag angenommen hatte: Wir fahren irgendwo vorbei, wir rennen in ein Haus, hoffen dass niemand anderes außer der Zielperson drin ist. Bumm. Wir gehen. Es nagte langsam aber sicher an seinen Nerven. Doch Befehl bleibt nunmal Befehl, egal wie man es dreht und wendet. Und gerade wenn man die Eskorte eines derart eiskalten Mannes wie des Limeys war, war es wohl besser so.

    Aber was wollte der Barmann sagen? "Ich eri-" - Sechsmal Bumm. Als hätte er noch etwas sagen wollen.
    "Drive already! We have an appointement – with wolves.", sagte der Limey. Cameron startete den Wagen und warf Carpenter auf dem Beifahrersitz einen kurzen, eher nichtssagenden Blick zu, bevor er den Wagen aus der Stadt fuhr.

    Im Rückspiegel sah er, wie sich derweil eine Traube von Leuten um die Kneipe versammelt hatten. Er konnte es zwar nicht hören, doch alleine der Gedanke an die Bestürzung dieser Leute und an das Wehklagen der Verwandten und Partner ging ihm durch Mark und Bein. Doch das hier war weder die richtige Zeit noch der richtige Ort für derartige Gedanken.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (13.02.2012 um 07:22 Uhr)

  2. #2
    So, die Woche kommt hier dann der nächste Schwung geschmackloser Spaghetti-Nazispoloitation.

    Gibts wirklich keine Meinung heirzu? Kommt Leute, ohn irgendeine Art von Kritik komm ich nicht weiter.

  3. #3
    Sooo, endlich mal dazu gekommen was von dir zu lesen, zumals auch mehr mein Genre ist. ^^

    Mir gefällt die Geschichte bisher gut, mit ordentlich Potenzial in Richtung sehr gut. Und ein krasser Cliffhanger, das auf jeden Fall! Die Beschreibungen funktionieren wunderbar für die Atmosphäre, vor allem das Dorf is scary (vielleicht noch ein Bisschen "deutsche Landschaft" mit reinnehmen?). Die Dialoge gefallen mir prinzipiell auch. Die Charaktere sind momentan noch relativ offen, Sophia ist schon ganz nett. Beim Protagonisten musst du schauen, dass du dich wahlweise an das hälst, was du in deiner kleinen Charakterisierung geschrieben hast - oder aber die Charakterisierung für dich änderst (mehr dazu gleich). Zur Story kann man noch nicht viel sagen. Alles weitere hab ich in den folgenden Detailkommentaren mit unter gebracht, in denen natürlich vieles, wie immer, Ansichtssache ist, vor allem die Änderungsvorschläge. Guck einfach, was du als Meinung nimmst, was du übernimmst und was du ignorierst.

    ***

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    Schweißperlen rollten tröpfchenweise sein Gesicht herunter und fielen wenig später zu Boden, wo sie in die von der Sommerhitze aufgeheizten Erde sickerten.
    Erstmal macht "aufgeheizte" (ohne n) den Satz verständlicher, aber auch dann würde ich nochmal darüber nachdenken, ob du dem Leser solche Bandwürmer zumuten willst. Vll. an einer solchen Stelle lieber noch einen weiteren Nebensatz rausholen, a la "wo sie in der Erde versickerten, die in der sommerhitze zu glühen schien" (nur ein Beispiel).

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    Bumm.
    Soviel zu Onkel Levi.
    Was? xD Ich meine, klar, es ist dein Schreibstil, aber so wie ich es hier verstehe, sind das schon die Gedanken der Figur, oder? Soooviel Zynismus wäre dann eventuell nur angebracht, wenn der Sprecher Onkel Levi wirklich nicht mochte.
    Beim Weiterlesen: Guck sowieso nochmal über diesen Prolog drüber. Versetz dich in den Mann hinein, aus dessen Sichtweise es passiert; es gibt einige Stellen, die ich seltsam finde in diesem Kontext. Würde er (der auch noch irgendwie halbblind ist) einen Scheißdreck darauf geben, mit was für einer Waffe sein Onkel da erschossen wurde? Sowas halt. Wenn du aus der Sichtweise einer Person schreiben willst, solltest du den Stil entsprechend etwas mehr anpassen.
    Davon abgesehen sehr dichte Atmosphäre im Prolog.
    Edit, nachdem ich alles gelesen habe: Ich weiß nicht, WIE du von Dimsche darstellen willst, aber wenn er irgendwie exzentrisch oder speziell werden soll (ich sag nur Christoph Waltz), ist der Prolog immer ein guter Ort, um Interesse im Leser zu wecken - nicht viel Inhalt oder Beschreibung, aber der Leser könnte sich fragen: Wer zur Hölle ist der Mann?
    So hast du nur Atmosphäre (was aber auch Ok ist).

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    Die rothaarige Frau bedeckte ihre Intimzonen notdürftig mit den Armen, während sie weiterhin um Hilfe schrie.
    Das klingt eher nach einer dicken Mama, deren Badeanzug am Strand gerissen ist. "Bedeckte" ist einfach ein sehr ruhiges Wort. Ich glaube, ich würde gar nicht mit so direkten Worten darauf eingehen, wie sie ihre Intimzonen schützt, das denkt man sich schon selber, wenn du bspw. beschreibst wie sie panischer wird oder so.

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    "Hat dich jemand gekennzeichnet, ja? Ich hab' noch nie 'ne Jüdin gebumst – ihr?"
    Allgemeines Verneinen der Beteiligten.
    Passt auf eine ähnliche Art und Weise nicht ganz zur gehetzten Atmosphäre, ist mein Eindruck. Hab irgendwie vor Augen, wie die Nazis dastehen und zivilisiert mit dem Kopf schütteln.
    Davon abgesehen "gebumst" zu dieser Zeit? Vll lieber "mit ner Jüdin getrieben" oder sowas.

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    woraufhin er einige Schritte zurückmachte und vor Schmerz das Gesicht verzog
    Hier würde ich die Reihenfolge ändern, das Gesicht ist meistens schneller als der Körper. Vll. außerdem sowas wie "zurückstolperte" oder so? Ist ja nicht gerade ein taktischer Rückzug. ^^

    Kann ein Dolch im Straßenasphalt stecken? Also so rein physikalisch? Nimm im Zweifelsfall lieber inmitten des Kopfsteinpflasters (oder wie auch immer man das schreibt ^^).

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    extrem abgelaufen
    Ich fände "äußerst abgelaufen" hier schöner.

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    Entweder suhlte er sich gerne im Staub wenn niemand hinsah, oder sie sah schon immer so aus
    Vor "wenn" ein Komma, davon abgesehen ist der Satz aber auch ebenso seltsam wie überflüssig. Vielleicht stattdessen gleich einen Nebensatz a la "so dreckig als würde er sich leidenschaftlich im Staub suhlen, wenn niemand hin sah".

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    durchsichtiger Rauch
    Ist irgendwie komisch.

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    Er steckte die Waffe zurück unter seinen Poncho, in den dafür vorgesehenen Schulterholster.
    Ich fänd schöner "Er steckte die Waffe zurück in den Schulterholster unter seinem Poncho".
    Die Beschreibung generell ist übrigens episch gelungen, sehr, sehr Western!

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    Die Männer ließen von der Frau ab und stellten sich in einer Linie vor ihm hin, sodass zwischen ihnen und dem Mann mit der Kiste zehn Meter Abstand blieben. Der Wind schenkte ihnen eine kurze kühle Brise, welche dennoch nicht die Situation abzukühlen vermochte. Mit gezückten Waffen standen sie da, bereit, den Fremden zu erschießen.
    Erst stellen sie sich, dann standen sie, das ist nicht so toll, weil es langweilig klingt. Irgendwie abändern wäre der Vorschlag.

    Rein vom Gefühl her hast du mindestens einmal zuviel geschrieben, dass der Fremde an der Zigarre gezogen hat. Wenn schon, solltest du mit Worten auf diese Wiederholung eingehen, a la "und zog abermals an seinem Glimmstengel", "und nahmen einen besonders tiefen Zug Tabak" oder was auch immer.

    Die Kampfszene ist ziemlich... naja, klinisch. Ich mag ja deutliche, saubere Kampfszenen, aber das geht imho fast ein Bisschen zu weit. Minimal mehr abstrahieren in der Beschreibung wäre eine Idee, oder einmal kurz ansprechen, dass da Panik und Chaos ist in den paar Sekunden. Im letzten Satz abstrahierst du zwar, aber irgendwie ist "zerfetzen" kein Wort, das ich mit Pistolen verbinden würde, nicht mal im Pulp.

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    "Moment! Moment!", demonstrierte der Verwundete und hob seine Hände in die Luft, "Du hast gesagt, du würdest mich am Leben lassen!"
    "Ja.", antwortete der Fremde, "Ich entlasse dich ins nächste Leben."
    What? Das ist... die schlechteste Ausrede dafür, jemanden doch noch umzubringen, die ich je gehört habe, selbst in Action-Filmen. ^^'' Oder hast du irgendwelche mythologischen Hintergedanken dabei (ka ob der Kerl religiös ist )? Selbst dann wäre im Angesicht der hier relevanten Religionen vielleicht etwas wie "die Seele ist unsterblich" (sinngemäß) besser.

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    Einen Knall und einen Blutspritzer später lag der Mann leblos da. Der Fremde durchwühlte die Taschen der sechs toten Soldaten nach Zigaretten, Geld, Munition und Essen, füllte das Wasser in ihren Wasserflaschen in seine eigene um und würdigte die ganze Zeit über die Frau keines einzigen Blickes. Sie wimmerte und beobachtete den Fremden bei seinem Treiben, zitternd vor Angst. Erst nachdem er die letzte Leiche alles Brauchbarem entledigt hatte, wandte er sich ihr zu und sah sie kurz an.
    Ich würde nicht mal sagen, dass er sie keines Blickes würdigt, das ist impliziert, wenn er sie später das erste Mal anguckt.

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    "Mein Name ist Fuchs, Hans Fuchs."
    Lol. Weißt du, dass Hans etymologisch betrachtet der deutsche Verwandte von James ist? So oder so, sehr cool.

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    Vielleicht später. Ja, vielleicht später.
    Der erste Satz passt ins Genre. Der zweite dagegen ist dann schon eher lächerlich, als würde ihm der Sabber aus dem Mund hängen.

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    "Glaub' mir, ich bin vorbereitet.", sagte Fuchs und deutete mit einem Kopfnicken auf die Kiste.
    Ich weiß nicht, welchen Weg du hier gehen willst (oder was in der Kiste ist), aber bei Django etwa war das Coole, dass man eben nicht wusste, wieso er seinen Sarg mit sich rumschleppt.

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    Nur ab und an hörte man unverständliches Gemurmel, wenn sie wegen ihrer akuten Schmerzen fluchte und die Verbände wechseln musste, was jeden Tag mindestens einmal passierte.
    Hast du da ne Route vor Augen? Denn wenn man in Deutschland durch die nächsten zwei Dörfer muss, braucht man für gewöhnlich nicht sonderlich viel Zeit, definitiv keine drei Tage.

    Davon abgesehen hast du (bisher) ausgelassen, dass Sophia ihm folgen will. Da kann man zumindest einen Satz zu schreiben, oder es sie selbst aussprechen lassen, momentan fehlt irgendwie der Grund, warum sie tagelang mit ihm rumläuft.

    Zitat Zitat
    Die Luft stand förmlich, es herrschten Temperaturen von ungefähr 30 Grad Celsius, weshalb man schnell dehydrieren konnte.
    Ich glaub ich hätte es subtiler, persönlicher versucht einzubringen, so klingt es ein Bischen wie "The more you know!" ^^

    Ich glaube, so rein historisch wurden Dörfer eher nicht bombardiert, oder? Waren doch eher die Städte afaik. Im Zweifelsfall ne Erklärung a la da waren Autowerke in der Umgebung.

    Zitat Zitat
    "Wie ist das passiert, wenn ich fragen darf?"
    "Wenn ich fragen darf" ist etwas out of character, oder? Ich hab generell das Gefühl, du pendelst bei Herrn Fuchs so ein Bisschen zwischen Arschloch und ganz sympathischem Kerl hin und her, was in dem Genre doch meistens eher subtil und höchstens an ein, zwei Stellen am Rand geschieht. Vielleicht solltest du dir nochmal sehr, sehr deutlich festlegen, was das für ein Charakter ist, und jedes Mal, wenn schreibst, diese Charakterisierung davor einmal durchlesen, um wieder reinzukommen.
    Ich kenne das Problem nur zu gut, wenn in einer Figur plötzlich nicht nur das drin ist, was man haben wollte, sondern auch noch ein ganzer Batzen an Klischees, eigenen Erfahrungen und dazu ein Funken eigener Charakter.

    "beschissene" und "Scheißdreck" von Sophia klingen mir etwas modern. "Verdammte", "vermaleidete", "Mist" oder sowas vielleicht? Außer natürlich du willst einen auf Tarantino machen, und auch in diesem Sinn auf den historischen Kontext scheißen.

    Wieso genau geht das Bett in einer Stichflamme auf? (Ich nehme mal an, ich hab da was verpasst?)

    Zitat Zitat
    "Was geht hier vor sich?", rief Sophia panisch.
    "Keine Ahnung, aber wir müssen hier irgendwie raus!", schrie Fuchs und rannte zu ihr.
    Aber wie sollte man einer solchen Situation entkommen?
    Das klingt... wie aus einem Cartoon. Also speziell der letzte Satz. Vielleicht lieber deutlich als Gedanken von Fuchs darstellen, oder irgendwie anders.

    ***


    Wie gesagt, after all I'm hooked! Bitte mehr.
    Das einzige (potenziell) große Problem, das ich momentan sehe, ist der noch sehr wechselhafte, irgendwo unglaubwürdige Hauptcharakter.

  4. #4
    Vielen Dank für die konstruktive Kritik Ich hab jetzt hier gesessen und einige Sachen, die du angesprochen hast, ausgebaut und überarbeitet. Klar, das Ding ist noch in der Frühphase, dementsprechend spiele ich noch ein bisschen mit den Möglichkeiten.

    Die erste Szene (wo er die Soldaten erschießt, bevor seine Kippe zu Boden fliegt) ist eigentlich eine Hommage an Sergio Leones "Dollar"-Filme, in denen Clint Eastwood massivst viel quarzt und extrem clean und schnell haufenweise Bösewichter um die Ecke bringt. Ich find das absolut faszinierend, weil das eigentlich eher ein element ist, was man aus den älteren Wuxia- und Samurai-Filmen kennt: Der übertrieben geskillte Schwertkämpfer, der mit einem Streich sechs Leute killt, dann sein Schwert zurück in die Scheide stopft - und im selben Augenblick, wo er das Schwert weggesteckt hat, fallen die sechs Typen um Das ist für mich der Inbegriff von Coolness, deshalb wollte ich sowas unbedingt da drin haben. Aber du hast recht, es passt nicht wirklich in die ansonsten sehr karge, rauhe Umgebung, in der das Ganze spielt - deshalb hab ich da einen Nebensatz eingefügt, der der ganzen Szene einen komplett anderen Anstrich gibt Meine Fresse, Sprache ist echt großartig.

    Hans (a.k.a. James ) Fuchs ist ein Charakter, der viele Elemente vermischt. Zum einen halt der Django-, Man with no Name-, Ringo-, Sartana-artige Charakter, der ziemlich viele Leute erschießt und alles recht nihilistisch sieht. Aber zum anderen wollte ich ihn auch ein bisschen stilisieren, ein bisschen als "guten Nazi" darstellen, in die Richtung Stauffenberg/späterer Rommel. Einfach ein Typ, dessen Glauben in den Nationalsozialismus gestorben ist, der jetzt nur noch das Gesetz des stärkeren kennt und niemanden leben lässt, der ihm den Weg versperrt oder für ihn ein Hindernis darstellt (weshalb der Typ "ins nächste Leben" entlassen wurde - ich liebe diesen käsigen Oneliner, tut mir leid. Deshalb bleibt der vorerst drin. ). Er ist nicht religiös, das kann ich schon mal vorwegnehmen (fuck, im nächsten Part wirst du sehen, was ich damit meine... ).

    Sophia ist noch nicht komplett developed, das ist mir klar. Aber ja, mir ist gar nciht aufgefallen, dass sie niemals fragte, ob sie mitkommen dürfte. Ich dachte, dass ihr Angebot, ihn nach Gehennabach zu begleiten, reichen würde als "Jo, ich komm mit" Aber da kommt noch mehr, ich hab schon eine Vision und eine Idee, in welche Richtung ich mit ihr gehen möchte, charakterlich gesehen.

    Also ja: Vielen vielen Dank. Nächstes Update ist auf jeden Fall auf dem Weg, inklusive Verbesserungen. Und den Prolog hab ich noch ein bisschen ausgebaut, damit man weiß worum es geht.

  5. #5
    So, Update ist drinne. Danke an Cipo nochmal!

  6. #6
    Fuchs funktioniert generell inzwischen wesentlich besser. Sind wahrscheinlich eher Kleinigkeiten, die du geändert hast, aber er kommt mir, jetzt auch inklusive des neuen Texts, wesentlich mehr wie ein echter Mensch vor.

    Zitat Zitat
    Alle zu erschießen wäre Blödsinn, sie wären schneller tot oder die Munition wäre schneller leergeschossen (und sie dementsprechend tot), als es ihnen gut tun würde.
    Erst in einem Einschub sagen, dass sie tot wären, und dann nachängen, dass ihnen das nicht gut tun würde, ist etwas antiklimatisch. Ich würde den Satz so umstellen, dass du den gut-tun-Part rauslassen kannst.

    Die Frau ist verdammt ruhig, dafür, dass sie nen Holzsplitter im Auge hat.. xD Deute zumindest mal in ihrer Redeart oder einem Nebensatz an, dass es ihr mehr weh tut als sie zeigt, nachdem sie kapiert hat, was da abgeht. Sonst ist es nicht wirklich glaubwürdig.
    Ich würde darüber hinaus die Beschreibung dieser äußerst ekel-erregenden Szene etwas (!) weniger explizit machen. Lustigerweise ist das Ausbrennen dann wieder völlig in Ordnung, aber die Beschreibung davor... würg. ^^

    Die Szene mit der Kiste ist zwar geil, hat aber momentan das Problem, dass sie nicht genau genug beschrieben ist. Man kennt solche Szenen zwar, aber dadurch, dass es sich hier um eine Kiste und eigentlich (?) um ein kleines Haus handelt, tut sich meine Fantasie etwas schwer. Ich würde das definitiv noch etwas bildlicher beschreiben. So kommt nämlich irgendwie auch nicht ganz durch, warum die total wahnsinnigen Gegner die Beiden nicht nach 5 Sekunden wieder eingeholt haben.

    Ein paar kleinere Schreibfehler sind drin, guck noch mal drüber.
    Ganz generell kenn ich zwar das sehr lebhafte Bedürfnis, sofort nach dem Schreiben einen neuen Textteil zu präsentieren (believe me ), aber ich finde es inzwischen bei WEITEM sinnvoller, das Ganze nen Tag liegen zu lassen und dann noch mal drüber zu gucken. Wenn man nämlich einen Text zeigt, den man noch nicht allzu tiefgehend bearbeitet hat, wird man, was Kritik angeht, viele Rückmeldungen kriegen, die man sich auch selbst hätte denken können. Wenn das wegfällt, können sich die Leser auf das konzentrieren, das sie persönlich anders besser fänden (und das ist ja erfahrungsgemäß die wertvollere Kritik, weil sie wirklich zu Änderungen führt, die man sonst nicht gemacht hätte).


    Generell natürlich wieder sehr spannend, und cool. Ich mag Verstümmelungen in Büchern. :3

    Apropos. Ich hätte Fuchs Kommentar a la "sie könnte noch nützlich sein" mit etwas Humor verbunden. Das schwächt etwas ab, dass seine Gedanken in diesem Moment sowieso klar sind (und damit etwas redundant), OHNE aber dass man sie weglässt. Also bspw. in die Richtung "er stand zwar nicht unbedingt auf Einäugige, aber die Augen waren ja auch nicht das Wichtigste an einer Frau" oder so (war jetzt ja nur ein mittelmäßiges Beispiel ^^).

  7. #7
    So, einmal alles überarbeitet, inklusive eines neuen Kapitels, das uns eine weitere Partei präsentiert, die im späteren Verlauf der Geschichte noch eine wichtige Rolle spielen wird.

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (13.02.2012 um 07:22 Uhr)

  8. #8
    Hm... stand da oben nicht vor kurzem noch mehr? Hätte ich es mal gleich gelesen.
    Schade auch, dass sonst niemand kommentiert, ich find's spannend und will wissen, wie es weitergeht.

    Was mir an der neuen Fraktion gefällt, ist das Zusammenspiel der drei, speziell die Übersetzungsszenen sind total knuffig. ^^ Davon abgesehen könnte die Truppe aber fast noch ein Bisschen mehr Schmackes, also ein Bisschen mehr Charakter, gebrauchen. Vielleicht würden ein paar Äußerlichkeiten sogar schon reichen, damit man sich ein besseres Bild machen kann. Oder ein paar spezifische Worte und charaktertypische Kommentare; das "Privatgespräch" von Cameron und Hess fand ich in der Hinsicht sehr nett.
    Was ich auch voll gut fand, ist die Western-Atmosphäre, die du am Anfang aufgebaut hast. Funktioniert immer noch klasse!

    Ein Problem, das mir diesmal richtig heftig aufgefallen ist, ist der Schreibstil. Ich will nicht ausschließen, dass ich der einzige bin, den das stört (in dem Fall, ignorier es ruhig), aber irgendwie ist der Großteil der Geschichte in einem recht nüchternen, beschreibenden Stil geschrieben, nur um dann gelegentlich zu einem Format zu wechseln, in dem man direkt einen grinsenden Erzähler vor Augen hat. Gute Beispiele:
    Zitat Zitat
    Der Limey konnte – wie gesagt – kein Deutsch, weshalb er [...]
    Zitat Zitat
    [...] bis hin zu seinen teilweise extrem, sagen wir, "ausgefallenen" Verhörmethoden [...]
    Sowas wäre prinzipiell in Ordnung, wenn der Text tatsächlich einen Erzähler hätte (mir kommt sofort wieder Inglorious Basterds vor Augen) oder ständig so informell geschrieben wäre. Wenn du den Stil aber lieber so relativ neutral halten willst, wie er momentan größtenteils ist, wären an solchen Stellen Formulierungen wie "Die mangelnden Deutschkenntnisse des Limeys führten dazu, dass..." oder "seine seicht ausgedrückt 'ausgefallenen' Verhörmethoden" vielleicht der Weg, der den Leser weniger stutzen lässt.

    Blabla, ich hoffe ich kann etwas helfen und freu mich auf weiteres. ^^

  9. #9
    Ich hab noch nicht alles gelesen, noch längst nicht alles, aber bis jetzt gefällt es mir an sich ziemlich gut.
    Zitat Zitat
    "Moment! Moment!", demonstrierte der Verwundete und hob seine Hände in die Luft, "Du hast gesagt, du würdest mich am Leben lassen!"
    Ich glaube du meinst was anderes, mir fällt das Wort aber auch grad nicht ein.
    "demonstrieren" heißt soviel wie zeigen, und das passt in diesem Zusammenhang irgendwie nicht.

  10. #10
    Erinnert mich an Operation Dance Sensation.

    Gefällt mir und würde ich mir auch gerne als Film ansehen.

  11. #11
    Zitat Zitat von Streicher Beitrag anzeigen
    Ich glaube du meinst was anderes, mir fällt das Wort aber auch grad nicht ein.
    „protestierte“ wohl, stimmt.

  12. #12

    Curse the dark and evil day that ever I was born
    Curse my mother's loving care that made me safe from harm
    Curse the day I grew to be a man and learned to love
    Curse the love that made me learn to hate all men
    Curse the day that I became what I was born to be
    Curse all happy men on earth who were not cursed like me

    Take an eye for an eye they say
    But an eye for an eye won't pay
    All that's due
    All that's due to a man with nothing left but hate.

    Let the sun shine upon the sins of men
    Let the sun shine upon my dead long stray
    Let the stars go by in the black night sky
    It's a world of darkness night and day for me

    Curse the day that I was born into the world I know
    Curse the day that I became what I was born to be
    Curse all happy men on earth who were not cursed like me



    Geht bald weiter mit der überarbeiteten Fassung. Danke für alle Verbesserungsvorschläge soweit!
    Und ja, ich hatte schon 'ne Drehbuchfassung mehr oder weniger ins Auge gefasst. Umso cooler ist die Tatsache, dass es hier in der Umgebung ein paar verlassene Minen etc. gibt, die ein richtig schön abgefucktes Western-Ambiente hätten

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (05.01.2013 um 14:02 Uhr)

  13. #13
    Und hier schon einmal ein Appetizer auf das, was noch folgen wird:

    _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

    Kapitel 4 – Der beste Vater der Welt

    "Du und ich, wir sind jetzt alleine – verstehst du?", sagte Johannes Goldschmidt, der beste Vater der Welt. Zumindest in den Augen seines Sohnes. Oliver war gerade erst 10 Jahre alt gewesen zu diesem Zeitpunkt. Er hatte nicht viel von dem verstanden, was sein Vater tun musste, um überhaupt zu gewährleisten, dass Oliver so alt wurde. Nun, als volljähriger Mann mit 13, war ihm alles klar. "Den Geist im Anzug" hatten sie ihn genannt – Wehrmachtssoldaten, die es nicht besser wussten, ebenso SS-Soldaten, die immer wieder versucht hatten, ihn und seine Familie aus dem riesigen Farmhaus am Rande Münchens zu vertreiben. Der Feldweg durch den Wald und der Wald selbst, der vor seinem Haus lag, war gespickt mit von Johannes gelegten Bärenfallen und Tretminen aus Restbeständen der Reichswehr. Und sollte die SS doch näherkommen, hatte Goldschmidt ein beachtliches Waffenarsenal an automatischen und halbautomatischen Gewehren, Pistolen und gar einer Panzerbüchse aus dem Ersten Weltkrieg um die Reste zu erwischen. Johannes Goldschmidt hatte mitgezählt: 49 Soldaten hatte er mittlerweile umgebracht, um seine Familie zu schützen. An diesem Morgen sollten es noch einmal zwölf mehr werden.

    Doch als die SS ungeduldig wurde und im Frühjahr 1943 an einem frühen Herbstmorgen mehrere Mörsergranaten in seinem Haus einschlugen, war es für ihn gezwungenermaßen vorbei mit dem Verschanzen und Verteidigen. Die von Mörserschrapnellen durchlöcherte Leiche seiner Frau küsste er noch einmal kurz, rannte ziel- und planlos durch die Ruine seines Hauses, einen Holzsplitter im rechten Oberarm und pure Wut in den Adern. Geschwind zog er eine der dekorativ aufgehängten Streitäxte von der Wand neben ihm und massakrierte damit kurz hintereinander drei SS-Soldaten, enthauptete den letzten gar. Er kam ins Kinderzimmer. Seine vier Kinder waren tot bis auf eines: Oliver, der Zweitjüngste. Er nahm ihn so schnell er konnte auf den Arm, umklammerte ihn förmlich, während hinter ihm bereits vier weitere Soldaten ins Haus gestürmt kamen, welche allesamt Bekanntschaft mit seiner einhändig geschwungenen Streitaxt machten. Das Kind nahm er nun Huckepack, um seinen Sohn besser vor Kugeln schützen zu können. Halbnackt, schreiend, mit einer Axt in der Hand und einem Kind auf dem Rücken kam er aus dem Haus gerannt wie ein jüdischer Rachegott. Er lief quer durch den Wald, folgte dem lauten Knallen des Mörsertrupps. Links und rechts von ihm explodierten der Stall, der Brunnen, das Maisfeld, die ganze Welt schien links und rechts neben ihm in Rauch aufzugehen. Und als er den Mörsertrupp auf einer kleinen Waldlichtung einige hundert Meter vor seinem Haus fand, wollte er nur eines: Jedem von ihnen den fürchterlichsten Tod bescheren, den sie möglicherweise verdient haben könnten. Er sah jeden der vier Sodlaten abwechselnd an und setzte dann behutsam seinen Sohn ab, die furchterfüllten Blicke der Soldaten spürend, die es nicht wagten auf ihn zu schießen.
    "Olli. Ich will, dass du dich rumdrehst und nicht luscherst, während der Papa mit den Männern redet, ja?", sagte Johannes. Oliver nickte, drehte sich um und starrte gegen den Baum an dem er stand.
    Kamen die ersten zwei Soldaten noch recht harmlos mit einer Enthauptung und einem gespaltenen Schädel davon, waren Soldat Nummer drei und vier nicht so sehr von Glück gesegnet: Der dritte zitterte, als er im Angesicht des Axtschwingers seine Waffe aus dem Holster ziehen wollte und ließ daraufhin die Waffe fallen, als er sie dann endlich fast zu fassen bekommen hatte. Er beugte sich herunter. In dem Moment donnerte Johannes' Axt nieder und trennte ihm den Arm ab. Schreiend kroch er über den Boden und hielt sich den blutigen Armstumpf, während sein Kamerad hinter Johannes seine Pistole durchlud und das Feuer auf den Axt schwingenden Juden eröffnen wollte. Doch er war zu schnell. Und schon hatte Nummer Vier die Axt im Hals. Noch ein Hieb an dieselbe Stelle und der Kopf hing schräg auf dem Bisschen, das noch vom Hals übrig war.

    Nummer Drei starb wenig später am Schock, die Bilder seines halb enthaußpteten Kameraden wohl noch ins Gedächtnis gebrannt. Doch das waren nicht alle. Das waren alles nur Mannschafter. Der Offizier musste hier noch sein. Johannes sah sich um und entdeckte eine Schneise, die quer durch den Wald verlief. Und kurz darauf vernahm er einen gellenden Schrei aus der Ferne. Der Mann dürfte in eine Bärenfalle getappt sein. Und nun schrie er sich seine Nazi-Seele aus dem Leib. Und Johannes dachte gar nicht daran, dem Mann entgegen zu kommen. Egal, wie oft er "Komm' schon du Judensau! Nimm' das Teil von meinem Fuß weg! Komm' schon!" schrie.

    Stattdessen schätzte er aufgrund der Richtung, aus der der Schrei kam, wo in etwa der Mann sein konnte. Schnell einen der Mörser ausrichten auf die Quelle des Krakelens. Und Olli sagen, dass er die Ohren zuhalten soll. Und dann einfach die Granate ins Rohr gleiten lassen. Es ploppte, man hörte ein kurzes Pfeifen und kurz darauf sah man ein paar Hundert Meter entfernt eine kleine, pilzförmige Explosion, bei der selbst im Dämmerungslicht ein leichter Rot-Ton im Zentrum zu bemerken war.

    Kurz darauf begab er sich mit seinem nackten, geschockten Sohn zurück zu seinem Haus, das lichterloh in Flammen stand. Sie campierten im separierten Kellerraum, dessen Zugang hinter dem Haus zu finden war, um am nächsten Morgen die Familie zu begraben und das Nötigste mitzunehmen. Das Nötigste waren in diesem Fall einer von Johannes' feine Anzügen, der die Schlacht unversehrt überlebt hatte, Ollis verbliebene Anziehsachen und seine zwei Lieblingsbücher, die Axt und ungefähr ein Dutzend verschiedener Schusswaffen inklusive Munition, welche Johannes in eine Decke zusammenrollte und dieses "Paket" auf den Sattel seines Pferdes schnallte. Sein Sohn hatte ein eigenes Pferd, mit welchem sie die Kleidung und die Nahrung transportieren wollten. Und kurz bevor sie losritten, um für die nächsten Wochen auf sich allein gestellt durch die vom Krieg zerrissene Heimat zu reiten als wären sie zwei Cowboys, sagte sein Vater Oliver diese Worte, die ihn immer verfolgen würden: "Du und ich, wir sind jetzt alleine – verstehst du? Und du, du bist jetzt erwachsen, mein Sohn."

    Oliver wusste, dass das kein Spiel war, sondern harte Realität. Also nickte er, bereit, ein Mann zu sein und in Zukunft das zu tun, was zu tun nötig war.

    _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _

    Und ja - "Der Geist im Anzug" ist quasi eine Hommage an El Topo
    EDIT:
    Als Schmankerl hab ich für euch mal die Art Musik zusammengesucht, die im Hintergrund läuft während ich den Schwurbel schreibe:

    - The Gun Club - Stranger in our Town
    - Andy Prieboy - Build a better Garden - Dimsches Theme, sogesehen
    - Jackie Mittoo - Hang 'em high
    - Johnny Cash - The Man comes around - Fuchs' Theme, quasi
    - Maurizio Graf - The Return of Ringo
    - Ennio Morricone - Liberta (vom Soundtrack von "Die gefürchteten Zwei") - das lief z.B. im Hintergrund bei Holzsplitter-im-Auge-Szene

    Und so weiter, kommt noch was in der Zukunft

    Geändert von T.U.F.K.A.S. (06.01.2013 um 16:35 Uhr)

  14. #14
    Appetizer, pfff, wo bleibt das vollständige Kapitel?

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