So, als Einstimmung auf Teil 3 hab ich mir nochmal Teil 2 organisiert und ein paar Stündchen (circa 10) damit verbracht.

Im direkten Vergleich mit GTA IV (dem das Spiel noch am nähsten kommt in Sachen Gameplay und Technik) hat Saints Row 2 einige Punkte, die im Gegensatz zum direkten Konkurrenten mMn besser sind:
  • Die vielfältigen Customizations (vom Charakter bis hin zu den Autos, die man fährt, kann man so ziemlich alles nach eigenem Gusto verändern)
  • Das "Stil"- und "Respekt"-System, was im Prinzip ein bisschen funktioniert wie RPG-Level-Up-System und nach und nach neue Fähigkeiten freischaltet
  • Die dutzenden "Aktivitäten" und Minigames, mit denen man Respekt, Geld und weitere neue Fertigkeiten ergattert
  • Das Bandensystem (man räumt mit seiner eigens customisierten Bande nach und nach eine rivalisierende Gang nach der anderen aus dem Weg, um die Stadt komplett zu erobern)
  • Die Over-the-Top-goofy-as-fuck-Action (John Woo-Style mit zwei Berettas 5 Helikopter vom Himmel holen - kein Problem)
  • Der schwarze, zuweilen recht zynische Humor, der herrlich Hand in Hand einhergeht mit der Over-the-Top-Atmosphäre (Leute sterben und sind zehn Minuten später wieder am Leben; die per Cutscenes gezeigten, herrlich abgefahrenen Tode einiger Rivalen, die an Actionfilem aus den 80ern erinnern; man spielt einen brutalen Ganganführer, der grundsätzlich mit Kopf durch die Wand geht, anstatt ausgeklügelten Plänen zu folgen)
  • Trotz abgedrehter Action immernoch ein recht fordernder Schwierigkeitsgrad (GTA erschien mir immer entweder zu leicht oder zu abgefuckt schwer - aber Saints Row hat auch solche Balancing-Probleme, mehr dazu weiter unten)


Wie auch immer, es gibt einen HAUFEN Sachen, die mir nicht gefallen und die den Spielspaß teilweise etwas schmälern:
  • Die Grafik ist maximal durchschnittlich und hat mit einigen merkwürdigen Clipping-Problemen zu kämpfen. Allerdings bleibt die Framerate über die komplette Distanz konstant gut, egal wieviel gerade auf dem Bildschirm abgeht
  • Die Steuerung und Bedienung im Allgemeinen ist glaub ich das größte Manko des Spiels und benötigen sauviel Eingewöhnungszeit (ich hoffe, dass die Entwickler das im dritten Teil fixen). Zu Fuß ist die Steuerung kein Problem, man kann einwandfrei schießen, menschliche Schutzschilde durch die Gegend schmeißen etc. Aber spätestens, wenn man in einem Auto oder - Gott bewahre - in einem Flugzeug oder Helikopter sitzt, wird die Steuerung neben Ultor und den Gangs zu eurem größten Erzfeind. Vor allem in Verbindung mit der beschissenen Physik-Enginge (s.u.) kann die Steuerung in fliegenden Vehikeln ein echter Spaßkiller sein. Das Fahr/Flugzeug lässt sich derbe umständlich bedienen (grundsätzlich): Mit dem Auto wird mit X gefahren und mit Viereck gebremst (wie bei den ersten GTAs), aus dem Auto schießen tut man mit R2 und muss dazu dann mit dem linken Stick lenken und mit dem rechten Stick schießen. Zum Glück (!) kommt jedes Fahrzeug mit einem Tempomaten, durch den man wenigstens die X-Taste eine zeitlang in Ruhe lassen kann - das ändert aber weiterhin nichts daran, dass man ständig in Bäume, andere Autos oder Häuser fährt bzw. sich die Finger verknotet, wenn man nur einen simplen Drive-By starten möchte. In einem Helikopter oder Flugzeug allerdings wird Spaß dann endgültig zu Ernst: Befehle vom Gamepad werden tierisch verzögert und übertrieben umgesetzt. Ein leichter Tacken nach vorne - am "besten" in Verbindung damit, dass man ein Gebäude streift - und der Heli/Jet fliegt all over the place, springt herum wie ein Gummiball und man kann nix dagegen tun, während der Charakter im Cockpit verbrennt. Das muss dringend im dritten Teil geändert werden, denn die (Fahrzeug-)Steuerung geht gar nicht in Saints Row 2.
  • Die Physik-Engine, wobei ich denke, dass die Methode ist. Also, zuallererst fährt sich jedes Fahrzeug im Prinzip gleich. Mit genug Schwung kann man selbst einen dicken Laster auf 200 km/h beschleunigen. Das sorgt für absolut geile, lächerliche und ziemlich brutal witzige Stunts (LKW mit Anhänger + Tankstelle = LKW mit Anhänger fliegt mehr oder weniger über die komplette Karte), aber auch für Frust. Gehen wir zurück zum Helikopter: Der bleibt gerne einfach mal in einem Gebäude hängen. Wenn die Sterne in einer Linie stehen und der Mond rosafarben am Himmel leuchtet (d.h. mit extrem geringer Wahrscheinlichkeit) bekommt man das Mistvieh aus dem Gebäude heraus, nur um dabei zuzusehen, wie es ins nächste Gebäude fliegt, kurz da hängen bleibt, mit einem Affenzahn in irgendeine zufällige Richtung fliegt und dann (entweder) nochmal hängen bleibt und/oder explodiert. Dafür machen allerdings Autoverfolgungsjagden (trotz der beschissenen Steuerung) eine Menge Spaß, weil die gegnerischen Fahrzeuge selbst nach kleinsten Rammern eventuell explodieren und zu Dutzenden in den Himmel fliegen. Das addiert natürlich zum Over-the-Top-Faktor des Spiels. Also ein zweischneidiges Schwert, weil extrem gewöhnungsbedürftig.
  • Das Spiel hat beizeiten ziemliche Längen (die man allerdings ganz gut mit Scheiße machen überbrücken kann - ein Hoch auf Sandbox-Games!) und einige Minispiele machen nicht soviel Spaß wie sie eigentlich sollten (entweder wegen der letzten zwei Punkte oder weil nicht wirklich ausgereift). Der Hubschrauberangriff ist - vor allem in den letzten Levels - ein einziger ziemlich langer und frustrierender Cocktease. Die Wilde Menge ist langweilig und irgendwie leicht sinnentleert (wobei: mindestens 80% des Spiels sind absolut sinnentleert, von daher...), die Rennen sind teilweise unmöglich zu schaffen, der Vandalismus regt in den letzten Leveln auf (man muss in einer gewissen Zeit eine gewisse Menge Schaden anrichten - zu doof, dass man im letzten Level dieser Aktivität ins hinterletzte Kuhdorf geschickt wird, wo NIX LOS IST!).


Also ja, ein zweischneidiges Schwert in der Tat. Man merkt auf jeden Fall deutlich, dass das Ganze kein bloßer Abklatsch der GTA-Reihe ist, sondern eine abgedrehte, durchgezwiebelte Over-the-top (ich hab noch nie so oft dieses Wort in einem Beitrag verwendet)-Parodie der Reihe ist. Wo GTA ab Teil 3 sich vor allem auf die Einzelschicksale seiner Charaktere fokussierte und sich als Satire auf den "Amerikanischen Traum" versteht, ist Saints Row eine Spielereihe, die durch völlig beknackte, aber dennoch coole Storylines und Action glänzt. Als Fan beider Reihen bin ich also mit beiden Spielen glücklich, warte dennoch gespannt auf das Release des dritten Teils - und ob der in Sachen Goofiness Teil 2 toppen kann.