[Erynn]
Erynn hatte ihre systematische Suche nach einem Zugang zum Inneren des Südteils der Insel wieder aufgenommen und nicht mehr als zwei weitere Sackgassen entdeckt, als Dreveni sie schließlich ansprach: „Das wird so nichts“, meinte die Assassinin. „Je länger wir hier rumstolpern, umso eher wird irgendwer auf uns aufmerksam. Ich sage, wir versuchen es querfeldein.“
Die Kriegerin überlegte, während ihr Blick über die vor ihnen aufragenden Hügel glitt. Dann nickte sie. „Eigentlich hast du recht. Versuchen können wir es ja.“ Und die Wahrscheinlichkeit, daß Arranges uns dort aufstöbert, wird auch geringer. Falls er uns überhaupt gefolgt ist.

Es war nicht leicht, einen Weg die glattgeschliffenen, steinigen Hügel hinauf zu finden. Auch jetzt mußten sie mehrmals umkehren, holten sich einige Abschürfungen bei dem Versuch, besonders steile Hänge zu erklimmen. Es war merklich dämmerig geworden, bis die zwei Frauen schließlich den Scheitelpunkt einer besonders hohen Kuppe erreichten – und da lag sie: Die Festung Rotheran, keine dreihundert Doppelschritte von ihrer Position entfernt.
Unabgesprochen gingen die Dunmerinnen in Deckung und nahmen sich Zeit, einfach nur zu beobachten. Erynn fühlte sich gut aufgehoben in Drevenis Gesellschaft. Meuchelmörderin und Jägerin dachten in sehr ähnlichen Bahnen, was das Aufspüren von Beute betraf.
„Dreveni“, sagte sie leise, „ich will nicht, daß wir Gumora einfach nur töten. Er soll wissen, wofür er stirbt. Ich will ihn an einem Ort haben, wo wir ungestört sind. Leise rein und leise raus. Mit der Echse. Glaubst du, wir kriegen das hin?“

[Dreveni]
Dreveni maß kurz abschätzend die Festung, bevor sie antwortete. "Schwierig. Leider wissen wir überhaupt nicht, wie es in der Festung aussieht, ausserdem kannst du keinen Unsichtbarkeitszauber, dadurch sind wir noch mehr auf Glück angewiesen... Aber auch nicht unmöglich, würde ich sagen. Das Schwierigste wird sein, mit der Echse wieder nach draussen zu kommen, Argonier sind schwer." Dabei sah sie der anderen tief in die Augen. Ihr schien es wirklich ernst damit zu sein, sich anständig an der Echse zu rächen. Inzwischen zweifelte Dreveni auch nicht mehr daran, dass sie es wirklich ernst meinte. Noch vor ein paar Tagen hätte sie Erynn soviel Initiative gar nicht zugetraut, sie schien endlich aus Arranges Schatten getreten zu sein.

[Erynn]
„Wenn es nicht klappt, dann stirbt er eben schnell. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.“
Mit diesen Worten begann Erynn, sich langsam auf die Ruine zuzubewegen. Deckung gab es hier genug. Teils geduckt schleichend, teils auf dem Bauch vorwärts robbend, kroch sie von Deckung zu Deckung. Dreveni folgte ihr ebenso verstohlen. Immer wieder legten sie Pausen ein, um sich Überblick zu verschaffen, während die Dunkelheit der Nacht sich langsam um sie breitete. Irgendwann waren sie so nahe, daß sie die einzelnen, kunstvoll behauenen Steinblöcke der Festung unterscheiden konnten. Sie blickten auf die oberste Ebene von Rotheran, noch immer nicht nennenswert verfallen. Erynn mußte an die zahlreichen antiken Wehranlagen denken, die über ganz Cyrodiil verstreut waren und kam nicht umhin, die Arbeit der dunmerschen Baumeister zu bewundern. Eigentlich war es Anmaßung, das Bollwerk vor ihnen als Ruine zu bezeichnen; der Zahn der Zeit hatte sich an dem Bau stumpf geschliffen. Von ihrer Position aus gesehen, war das Gebäude intakt und hätte ohne weiteres wieder in Betrieb genommen werden können.

Die scharfe Sicht, die ihnen das Elfenblut und die Erfahrung gewährte, war hier definitiv von Vorteil, so daß ihnen die zwei Wächter auffielen, die im Schatten zwischen einer Kuppel und einem weiteren, kastenförmigen Aufbau herumlungerten. Eines davon mußte der Eingang zur eigentlichen Festung sein.
Mit einer Geste machte sie Dreveni auf die zwei Khajiiti aufmerksam, doch auch die Assassinin hatte die abgerissenen Gestalten schon bemerkt. Zwei Sätze in Zeichensprache später waren sie sich einig. Dreveni würde den linken aufs Korn nehmen, der von ihrer Position aus etwa vier Schritte weiter hinten stand, Erynn den anderen. Sie machten sich bereit, auf ein Nicken der Assassinin hin erhoben sie sich und legten auf die Katzenwesen an.

[Dreveni]
Beide Pfeile trafen und die Khajiit brachen fast gleichzeitig lautlos zusammen. Als Dreveni die Festung näher betrachtete, wußte sie auch wieder, woher ihr der Name Rotheran bekannt vorkam. Mordan hatte ihr davon erzählt, er hatte einmal einen Auftrag hier in der Gegend erledigt, der Eingang befand sich nicht dort, wo man ihn vielleicht vermutet hätte - in dem größten der Aufbauten - sondern in der Kuppel daneben. Im schutze der Felsen konnten sie sich unbemerkt näher schleichen, und schließlich standen sie vor dem Eingang, ohne noch weitere Wachen gesehen zu haben. Die Khajiit, die tot vor ihnen lagen, schienen die Einzigen gewesen zu sein.