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Fossil
[Erynn]
Erynn war froh und dankbar dafür, diesen Abend in dem warmen und sauberen Schankraum verbringen zu dürfen und genoß das Gefühl, wie die Anspannung der Schlacht von ihr abfiel, als ein sehr junger Dunmer in die Taverne schlüpfte und Arranges hastig einen Brief übergab.
Sie erkannte das wächserne Siegel auf dem Papier sofort. Als ihr Begleiter den Raum verließ, blieb sie ohne ein Wort sitzen und starrte stumm auf die Tischplatte. Könnt ihr ihn nicht wenigstens für eine kleine Weile in Ruhe lassen? Könnt ihr nicht einfach... verschwinden?
Nachdem sie etwa eine halbe Stunde lang mißmutig auf einem Teller mit gekochten Aschekartoffeln herumgestochert hatte, hielt die junge Elfin es nicht mehr aus. Sie stand auf und folgte dem Beschwörer, fand ihn schließlich am Rande einer Art natürlichem Balkon sitzen, der hier wie zufällig von dem lebendigen Telvannihaus gebildet wurde. Ohne auf eine Einladung zu warten -die sie wohl ohnehin nicht bekommen hätte- ließ sich Erynn neben ihrem Freund nieder. „Was wollen sie?“ fragte sie ohne Umschweife.
[Arranges]
Arranges hatte den Brief locker zwischen den Fingern und blickte geradeaus auf das sich nach Nordosten öffnende Atoll der Zafirbelbucht. Ruhig wogten die Wasser des Geistermeeres in einer ganz leichten Briese aus Westen. Die tiefblaue Wasseroberfläche wurde nur vom Spiegelbild des Sterns Azuras und den gigantischen Monolithen nahe der Küste unterbrochen. Der Himmel war wolkenlos, sodass die Sonne hinter dem Horizont ungehindert Masser anstrahlen konnte, der den kalten Schwarzton des Nachthimmels mit einem warmen, leicht violetten Schimmer erhellte und dadurch freundlich und fast ein wenig einladend wirken ließ. Der Kaiserliche hatte kaum mitbekommen, dass Erynn an ihn herantrat, das organische Geflecht dämpfte jeden Schritt so, dass sogar der massigste Ork hier ungehört hätte vorbeischleichen können. Erst, als Erynn sich neben ihn setzte und ihn gleichzeitig ansprach, reagierte er. Er blickte in ihre Augen und faltete gleichsam den Brief einmal. 'Für was willst du das wissen?' Er sprach nicht mit gereizter Stimme, freundlich zwar auch nicht, aber ihr war anzumerken, dass er nicht auf Streit oder Ähnliches aus war, er klang eher ein wenig erschöpft.
[Erynn]
Erynn seufzte leise. Ja, für was eigentlich? "Mußt du weg? Oder wollen sie einfach nicht, daß du mit mir unterwegs bist?" Sie schüttelte leicht den Kopf. "Sag mir einfach, was jetzt schon wieder los ist..."
[Arranges]
Die beiden ersten Fragen verwunderten ihn doch sichtlich, sodass ihre anderen Worte ihn erst einen Moment des Stirnrunzelns und Wunderns später, erreichten. 'Seit wann interessieren dich denn meine Angelegenheiten mit der Gathering in diesem Maße? Du hättest ja noch nichteinmal gewusst, dass der Brief von ihnen ist, hättest du das Zeichen auf dem Siegel, das dir so rein gar nichts sagen dürfte, nicht bereits schonmal mehr per Zufall bei der Gathering gesehen...' Die Worten klangen leicht gereizt, aber der kaum wahrzunehmende Zorn galt nicht Erynn. Er atmete einmal tief ein 'Verzeih mir.' Dann reichte er ihr wortlos den Brief:
Grüße,
die Bemühungen der Gathering haben nun endlich ein Ende gefunden. In den Stützpunkten der Abtrünnigen wurden einige Papiere gefunden, die zusammen mit dem abgefangenen Schriftverkehr während den Säuberungen Hochfelses und Hammerfells ein relativ klares Bild der Absichten der Abtrünnigen ergaben. Die Gathering sieht das als gutes Beispiel zu betonen, warum sie die Dogmen vertritt, die einst von Alplaks, Urvater der Gathering, in Morrowind in Stein gemeisselt wurden.
So wurde das Rätsel um die Verweigerung Meisterin Maries gelöst. Die Meisterin wurde mit Tributen in Form von Männern lange vor der Abspaltung der Abtrünnigen dazu gebracht, viele ihrer Botschafter den drei Meistern der Abtrünnigen zuzuteilen, was zur Folge hatte, dass sich dort innerhalb des System eine große Zahl an Botschaftern unbemerkt ansammelte. Die Erpressung ging dabei im späteren Kampf gegen die Abtrünnigen davon aus, Marie zu verraten, sollte sie sich in die Kampfhandlungen um das Herzland einmischen.
Weiters brachen die Abtrünnigen aufgrund des Wunsches nach absolut mentaler Freiheit damit, auf Grabesschändung, Leichenschmuggel und dergleichen zu verzichten. Die Gathering bezieht ihre Leichen seit jeher aus Qellen der eigenen Konservierung oder durch geschickten Handel aus Gefängnissen, in denen Todgeweihte weilen und auf den Strick warten.
Das dritte und schlimmste Verbrechen jedoch war es, dass die Abtrünnigen Gefangene auch fernab der Gathering machten und für eine Art Zuchtprogramm entführten. Die Abtrünnigen nutzten schwarze Seelensteine einerseits um durch Ausschlachtung ihrer eigenen Anhänger schwache Glieder auszumerzen, aber deren Seele weiterverwenden zu können. Zudem wurde versucht aus der nirnischen Essenz, also den Rückständen Magnus, eine untote Seele an oder in den Körpern von Novizen und oder Gefangenen zu binden, vorzugsweise Bretonen oder Elfen.
Die Gathering wird bald schon entscheiden, welches Urteil Marie trifft und wie die Lücken im Nordwesten zu schließen sind. Dabei wird die Anwesenheit aller in den Ratshallen Morrowinds erwartet. Bis es so weit ist, zieht sich die Bruderschaft weitestgehend zurück und entbindet alle ihrer obersten Pflichten.
Gezeichnet
Vaiolenna, Schreiberin der Ratshalle
Während Erynn las, blickte Arranges wieder sehnsüchtig zum Horizont. Er schien durch die Grenzen Nirns hindurch zu blicken, zu einem weit entfernten Ort. Warum muss ich diese Zerrüttung miterleben? Ich will wieder auf die Inseln, weg von dem allem hier... Er seufzte.
[Erynn]
Es dauerte eine ganze Weile, bis die Dunkelelfin die Zeilen gelesen hatte. Schließlich faltete sie das Schriftstück zusammen und drehte es wortlos zwischen den Fingern während sie versuchte die Gedanken zu ordnen, die in ihrem Kopf durcheinanderschrien. Das also war der andere Grund, weshalb die Abtrünnigen sie geholt hatten... Erynn bemerkte, daß sie leicht zitterte, jetzt da sie endlich mit Sicherheit wußte, welches Schicksal ihr zugedacht gewesen war - zwar hatte sie sich schon vorher einige wilde Sachen ausgemalt, aber diese Perversion erschreckte sie aufs Neue bis ins Mark.
Und Marie... was werden sie mit ihr machen? Wird man sie ebenso ins Reich des Vergessens verbannen wie die anderen? Die Frau tat ihr leid. Sie mochte Mist gebaut haben, aber nachdem Erynn sie in Valenwald persönlich kennengelernt hatte, war die Meisterin neben Arranges das einzige Mitglied der Gathering, dem die Kriegerin zumindest ansatzweise vertraute. Das geht dich nichts mehr an, Erynn... sei froh, daß du relativ unbeschadet aus der ganzen Sache herausgekommen bist. Und doch...
"Wirst du mir sagen dürfen, wie über die Meisterin entschieden wurde?" fragte sie leise und gab Arranges den Brief zurück.
[Arranges]
Er schob den Brief ein und legte die Hände dann lose in seinen Schoß und baumelte einige Momente gedankenlos mit den Beinen, ehe er Erynn antwortete: 'Warum nicht? Aber warum interessiert dich das Schicksal dieser... Frau.' Das letzte Wort betonte er so, als wäre es eine falsche Bezeichnung für Marie, als würde Kreatur oder Scheusal besser passen.
[Erynn]
"Ich weiß, daß es mich eigentlich nichts mehr angeht. Aber immerhin hat sie dein Leben gerettet... und nicht nur deines, wenn man es genau nimmt - indem sie sich in Valenwald doch noch gegen die Abtrünnigen gestellt. Dafür muß ich ihr wohl dankbar sein, oder nicht?" Erynn war Arranges' Tonfall nicht entgangen, weshalb ihre Frage eher zurückhaltend als herausfordernd klang.
[Arranges]
'Du hast ja Recht. Ich bin ihr auch irgendwo dankbar dafür, dass sie vor allem dein Leben mit ihrem Entsatz gerettet hat...' Er überlegte kurz und legte die Stirn in Falten. 'Das Zeichen auf dem Siegel ist im Übrigen ein dwemerisches G...' Sagte er aus einem reflexartigen Gedanken heraus, als er im Hinterkopf nochmals über die barsche Antwort stolperte, die er Erynn vor wenigen Minuten gab, als sie zu wissen verlangte, was in dem Brief stand.
[Erynn]
Aus dem abrupten Themenwechsel des Beschwörers schloß Erynn, daß das Thema beendet war. "Aha", bemerkte sie lahm. "Und warum ausgerechnet Dwemer? Ist das nicht ein bißchen sehr dramatisch für einen gelehrten Kreis? So weit ich informiert bin, weiß doch niemand wirklich was über dieses Volk. Außer, daß man aus dem übriggebliebenen Metallschrott passable Rüstungen herstellen kann, versteht sich."
[Arranges]
Der Magier zog eine Augenbraue hoch. 'Naja, wenn man sich nicht mit den Dwemern beschäftigt, weiss man natürlich nichts über sie. Warum ein großes, dwemerisches G die Insignia der Gathering zeichnet, kommt ganz einfach daher, weil der erste der Gathering, Alplaks, auf dem Gebiet des alten Resdayn lebte damals. Seine Knochen liegen unter dem Grundstein der Ratshallen. Während dem Krieg gegen die Chimer, in dessen Folge vieles in Resdayn zerstört wurde oder verloren ging, ging auch vieles von Alplaks verloren, die Gathering ist sich heute zum Beispiel nicht mehr sicher, ob er nun ein früher Chimer, ein Falmer der Altvorderen oder Dwemer war. Vieles, gerade die Insignia der Gathering, deutet darauf hin, dass er einer aus dem Volk der Tiefelfen war. Deshalb ein Buchstabe aus dem Alphabet der Dwemer.'
[Erynn]
Die Dunkelelfin hatte gewisse Zweifel daran, ob es sich bei Arranges Erläuterungen nicht mehr um Folklore denn um gesicherte Fakten handelte, sprach es jedoch nicht laut aus. Das war seine Welt, nicht ihre - abgesehen davon hatte sie das unbestimmte Gefühl, daß sie sich bei der sich anbahnenden Lektion in Alter Geschichte zu Tode langweilen würde.
"Geh schlafen, Arranges", sagte sie mit einem Blick in das abgespannte Gesicht des Beschwörers. "Du siehst aus, als würdest du es brauchen."
[Arranges]
Erynns Worte gaben seinem Unterbewusstein direkt nochmal Anlass ihn an einige unangenehme blaue Flecken zu erinnern und vor allem daran, dass er das letzte Mal vor bald einem anderthalb Tagen geschlafen hatte und in der Zwischenzeit noch eine Schlacht geschlagen oder vielmehr gewonnen hatte. Er nickte Erynn nur zu und erhob sich dann von einer plötzlichen Müdigkeit befallen, mehr als schwerfällig und ging mit Erynn zusammen zu den Zimmern. Arranges schob die fremdartig wirkende, kreisrunde Tür hinter ihnen zu, marschierte zielstrebig auf eine Kommode in dem doch relativ geräumigen Zimmer zu, auf welcher sein Umhang lag, klemmte sich selbigen unter den Arm und griff dann nach der Lehne eines elegant verzierten Stuhls.
[Erynn]
Erynn seufzte. "Diesesmal nicht", sagte sie bestimmt, nahm Arranges den Stuhl aus der Hand und stellte ihn zurück an seinen Platz. "So wie du herumhumpelst, solltest du in der Waagerechten schlafen. Und nicht nur wieder sitzend vor dich hindösen."
[Arranges]
Arranges blickte Erynn kurz fragend an. 'Was wird das? Ich schlafe gut im Sitzen. Leg dich einfach ins Bett und gib Ruhe...' Dann schob er Erynn zur Seite, griff nach dem Stuhl und machte sich daran, sich auf dem Möbelstück häuslich für die Nacht einzurichten.
[Erynn]
Erynn war nicht weiter verwundert, daß sich aus dieser eigentlich leicht zu klärenden Situation mal wieder ein größeres Drama entwickelte. "Weißt du, Arranges", sagte sie zuckersüß, stand nach einem langen Schritt sehr dicht vor dem Magier und schlang den rechten Arm um seinen Oberkörper, "ich denke wirklich, daß du aufgrund deiner körperlichen Verfassung heute ausnahmsweise davon absehen solltest, den Kavalier zu spielen." Mit diesen Worten krallte sie ihre Finger fest in den Rücken des Beschwörers. "Habe ich nicht recht?"
[Arranges]
Sein Reaktionsvermögen durch die sich langsam aber sicher ausbreitenden Schleier der Müdigkeit schon etwas beeinträchtigt, kam er Erynns Bewegung nicht hinterher und schon hatte sie einen Arm um ihn geschlungen. Im nächsten Augenblick spürte er ihre Finger etwas zu deutlich in seinem Rückgrat. Mit einer zwar ungeschickten, aber wirkungsvollen Bewegung folgte er seinem Reflex und wandte sich, die Dunmer leicht von sich stoßend, aus ihrem Klammergriff und verzog sogleich das Gesicht. Erynn hatte wenigstens teilweise eine Prellung erwischt, durch die jetzt protestierend ein wenn auch nur geringer, dafür aber stetig pochender Schmerz pumpte mit jedem Schlag, den sein Herz tat. 'Sag mal... war dein Schlachtenerlebnis nicht auslastend genug oder wie?!' Fragte er und blickte sie mit einem eiskalten Klirren in seinen Augen an.
[Erynn]
"Im Gegensatz zu deinem offenbar? Nein", gab sie unbeeindruckt zurück, nachdem sie ihren festen Stand wiedergefunden hatte. "Glaubst du immer noch allen Ernstes ich würde nicht mitkriegen, wenn du etwas abbekommen hast? Du solltest mich mittlerweile besser kennen", setzte sie gespielt beleidigt hinzu. "Du hast die Gelegenheit, deinen Rücken auszuruhen, also nutze sie und sei nicht albern. Ich bin zu müde, um groß darüber zu diskutieren."
Mit diesen Worten schnappte sie sich Arranges Umhang, verzog sich mit dem Stück Stoff zur gegenüberliegenden Wand des Raumes und wickelte sich darin ein. "Gute Nacht, Arranges..."
[Arranges]
'Erynn!' Verdammt nochmal! Aber der Schlaf forderte immer energischer seinen Tribut. Arranges hätte nicht übel Lust, die Dunmer einfach ans Bett zu fesseln und sich selbst in den Stuhl zu verfrachten. Aber keine zwei Lidschläge später zwang ihn der Schlaf in die Knie, er ließ sich auf die Bettkante fallen, zog sich irgendwie die Stiefel von den Füßen und schwang keine Sekunde zu spät seine Füße aufs Bett. Ein leises Schnarchen kündete davon, dass Arranges direkt eingeschlafen, wie er auf dem Bett gelandet war.
[Erynn]
Erynn lächelte still vor sich hin und kuschelte sich an die leicht gebogene Wand des Wohnpilzes. Es fühlte sich recht angenehm an, jedenfalls war es definitiv weicher als bloßer Erdboden. Sie war entschlossen, sich von den Dingen, die sie aus dem Brief der Gathering erfahren hatte, nicht noch mehr aus dem Konzept bringen zu lassen - vielmehr spornte es sie an, mit ihrer Suche nach dem Verräter weiterzumachen. Morgen würde sie noch einmal in das Feldlager gehen und sich dort umhören, ob ihr jemand Hinweise zu Gumora geben konnte...
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