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Fossil
Erynn hob den Kopf, als der Wind ohne Vorwarnung merklich stärker wurde. Er brachte jedoch keine Kühlung in die ohnehin ständig aufgeheizte Wüste, sondern strich ihr als heißer Hauch über die Wangen und durch das Haar. Sie beobachtete ein paar aufgewirbelte Ascheflöckchen, die an ihr vorbeizogen und konzentrierte sich dann wieder auf die Umgebung. Der Nebel, der sich seit den frühen Morgenstunden in der Gegend hielt, schien nur ein Vorbote des heraufziehenden Sturms gewesen zu sein. Jetzt zerrissen die dunstigen Schleier und gaben den Blick frei auf ein breites, dunkles und waberndes Band, das sich erstaunlich schnell auf ihre kleine Gruppe zuschob.
Arranges hatte die Situation offenbar einen Augenblick früher erfaßt. Erynn zögerte nicht, sondern half ihm, die Guars zusammenzutreiben. Die Tiere wirkten nicht sonderlich begeistert, schienen aber mit der generellen Richtung -die relativ geschützte Außenmauer der Ruine- durchaus einverstanden zu sein. Vermutlich hätten sich die an die Umgebung gewohnten Reitechsen auch ohne ihre ausdrückliche Aufforderung früher oder später dorthin begeben.
Die Kriegerin zog ihre Netchledermaske wieder übers Gesicht, nahm dann eine Plane und eine weitere Maske von den Lastgestellen der Guars und ging zurück zu Dreveni. Sie reichte der Assassinin den Gesichtsschutz und machte sich dann gemeinsam mit dem Beschwörer daran, die Plane über sie alle zu breiten, in der Hoffnung, daß es den feinen Staub, der mittlerweile in großen Wolken aufgewirbelt wurde, weitestgehend abhalten würde. Eng zusammengekauert hockten sie unter dem gewachsten Leinen und lauschten dem lauter werdenden Jaulen des Windes. Niemand sprach. Es hätte ohnehin nichts zu sagen gegeben und so nutzte jeder für sich die Zwangspause, um nach den Ereignissen der vergangenen Tage ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Erynn stellte fest, daß sie sich seltsam geborgen innerhalb dieser Naturgewalt fühlte, die sie umtoste. Das Land, die Asche und der Sturm schienen irgendwo tief in ihren Knochen zu stecken – es fühlte sich... richtig an, so fremd und exotisch Vvardenfell für sie auch sein mochte. Etwas sehr altes und urtümliches verband sie mit diesem Boden, etwas, das die Bedeutung ihrer eigenen Person zusehends schwinden ließ. Seit Jahrtausenden heulte der Wind durch die Molag Amur und würde es noch immer tun, wenn ihre eigenen Knochen längst selbst zu Staub geworden waren wie jener, der jetzt die Luft um sie herum füllte. Die Vorstellung war tröstlich und hypnotisierend zugleich.
Das wilde Lied des Sturms in den Ohren, verfiel die Kriegerin mehr und mehr in einen Dämmerzustand. Sie lehnte sich gegen Arranges, dessen Gegenwart ihr in dieser unwirklichen, fast tranceauslösenden Szenerie ein wenig Halt gab und sich daran erinnern ließ, was wirklich war und was vielleicht nur Illusion. Oder waren da wirklich wispernde Stimmen im Wind, die sie neckten, umschmeichelten und nach ihr riefen, ihr zuflüsterten daß sie sich besinnen sollte hierzubleiben auf Vvardenfell, dort, wo sie hingehörte?
Erynn schmiegte sich fester an ihren Begleiter, legte den Kopf gegen seine Brust und versuchte durch Leder und Mithril, seinen Herzschlag auszumachen. Allein schon um sicherzugehen, daß sie nicht das einzige lebende Wesen hier war, allein mit dem flüsternden Wind. Sie hörte jedoch nur ihr eigenes Blut, das wild in ihren Ohren rauschte, ein donnernder, fordernder Rhythmus den es danach verlangte, in die Melodie des Landes einzustimmen...
Geändert von Glannaragh (12.11.2011 um 19:42 Uhr)
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