Eiswind saß am Rande der Düsterhügel und beobachtete mit ihren blutroten Augen den Himmel. Mittlerweile waren auch die letzten Sonnenstrahlen verschwunden, stattdessen war ein ungewöhnlich großer, heller Mond erschienen, der ihr weißes Fell gespenstisch aufleuchten ließ. In den vergangenen Nächten hatte sie es immer mit Dreck einreiben müssen, um durch das blendende Weiß nicht von den Schafen entdeckt zu werden. Umso ironischer war es, dass das Lamm, dessen Rolle sie eingenommen hatte, nach genau dieser Farbe benannt worden war. Doch Eiswind hatte keine Wahl gehabt, die Neugier war dem kleinen Lamm eben zum Verhängnis geworden, es hatte sein Leben und seine Identität an sie verloren. Melancholisch erinnerte sie sich an einen lang zurückliegenden Wintertag, noch bevor sie sich den anderen Wölfen angeschlossen hatte. Damals hatte sich ein Welpe mit einer ungewöhnlichen Fellfarbe zu nah an einige Jäger herangewagt und damit deren Aufmerksamkeit auf das Rudel gezogen. Am Abend war der Schnee in ein dunkles Rot getaucht gewesen und der Welpe hatte das Versteck inmitten von Schnee verlassen und sich allein wiedergefunden. Eiswind hatte lange nicht mehr an jenen verhängnisvollen Tag gedacht, doch nun war er ihr wieder ins Gedächnis getreten, so klar als wäre es erst gestern gewesen. Noch eine Weile betrachtete sie den sternklaren Himmel, doch dann schüttelte sie die unliebsamen Gedanken ab. Diesmal war es anders gewesen. Diesmal hatte sie gesiegt und war nicht die einzige. Im Stillen dachte Eiswind noch einmal an Tatze, Glöckchen, Jeffrè und auch an Gewitter, und hoffte, dass es irgendwo am Himmel auch Wolkenwölfe gab, welche die Toten bei sich aufnahmen. Dann erhob sie sich langsam und lief zu ihren beiden verbleibenden Freunden, die sicher schon auf sie warteten.